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„Das ist sicherlich kein vorbildhaftes Verhalten“

Die Kritik an der Millionengarantie für den Air-Berlin-Chef reißt nicht ab. Ifo-Chef Clemens Fuest fände es „anständig“, wenn Thomas Winkelmann zumindest auf einen Teil seines abgesicherten Gehalts verzichtet.

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann aufgefordert, teilweise auf sein bis 2021 garantiertes Millionengehalt zu verzichten. „Es ist verständlich, dass Arbeitnehmer, die durch eine Unternehmenspleite ihren Arbeitsplatz verlieren, empört sind, wenn sie hören, dass Manager vertraglich so abgesichert sind, dass sie Millionen erhalten“, sagte Fuest dem Handelsblatt. „Meines Erachtens wäre es anständig, dass Manager in diesen Fällen freiwillig zumindest auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Millionen zu kassieren während die eigenen Mitarbeiter arbeitslos werden, ist sicherlich kein vorbildhaftes Verhalten.“

Winkelmann war im Februar vom Lufthansa-Konzern nach Berlin gekommen. Sein Gehalt ist trotz Insolvenz für vier Jahre durch eine Bankgarantie von bis zu 4,5 Millionen Euro abgesichert.

Für falsch hält es Fuest, wenn die Politik als Reaktion auf den Fall Winkelmann nun Managergehälter per Gesetz begrenzen würde. „Wenn der Eigentümer eines privaten Unternehmens einem Manager auch bei schlechter Leistung ein hohes Gehalt gewährt, mag das dumm sein, aber da der Eigentümer das aus eigenem Geld bezahlt, sehe ich nicht, warum der Staat das verhindern sollte“, sagte der Ifo-Chef. „Genauso gut könnte man verlangen, dass der Staat andere schlechte Geschäfte verbietet.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, zeigte sich dagegen offen für gesetzliche Regelungen. Es gebe zwar „keine leichte Lösung, um Managervergütungen fair zu gestalten“, sagte Fratzscher dem Handelsblatt. In einer sozialen Marktwirtschaft müsse sich Leistung lohnen.

Das Problem bei den Managergehältern liege indes in der „fehlenden Verantwortung der Manager beim Scheitern ihres Unternehmens“. Die Politik werde die richtigen Anreize für Manager aber nicht durch Verbote schaffen. „Ich sehe die Möglichkeit einer Gesetzgebung, die die Entlohnung von Manager stärker an den langfristigen Erfolg koppelt, mehr Transparenz schafft und die Aufsichtsräte stärker in die Pflicht nimmt“, sagte der DIW-Chef.

Für eine gesetzliche Regelung sprachen sich Politiker von Grünen und SPD aus. Sie wollen das Thema in der neuen Legislaturperiode auf die Tagesordnung setzen. „Der Fall Winkelmann zeigt, dass unser Vergütungssystem für Führungskräfte dringend reformiert werden muss“, sagte die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae dem Handelsblatt. Nötig seien „bessere Regeln für mehr Transparenz und Fairness in den Unternehmen“. Managerbezüge, sagte die Bundestagsabgeordnete, „müssen angemessen und am langfristigen Erfolg des eigenen Unternehmens ausgerichtet werden“. Das funktioniere nur mit „verbindlichen“ Regeln.

Auch die SPD sieht gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Mit Blick auf die spezielle Gehaltsregelung des Air-Berlin-Chefs sagte der neue Parlamentarische Geschäftsführer der Sozialdemokraten, Carsten Schneider, dem Handelsblatt: „Dieser Vorgang unterstreicht die Notwendigkeit unserer Gesetzesinitiative zur Begrenzung der Managergehälter aus dem Frühjahr, die CDU und CSU blockiert haben. Wir werden auch die neue Koalition wieder damit konfrontieren.“

Das Thema Managergehälter war in der vergangenen Legislaturperiode von der Großen Koalition zu den Akten gelegt worden. Die SPD wollte, dass Unternehmen Managergehälter nur bis 500.000 Euro im Jahr steuerlich absetzen können. CDU/CSU bestanden auf Umsetzung des Koalitionsvertrags, nach dem die Hauptversammlungen auf Vorschlag des Aufsichtsrats über die Höhe der Gehälter entscheiden sollen.

Managergehälter sind seit Jahren ein Reizthema, weil der Abstand zu den Bezügen einfacher Angestellter zunimmt. Damit wachsen auch die Abfindungen, die immer wieder für Empörung sorgen. VW versüßte im Januar seinem Vorstandsmitglied Christine Hohmann-Dennhardt den Abschied nach nur etwas mehr als einem Jahr mit über zwölf Millionen Euro. Winkelmanns Vorgänger bei Air Berlin, Stefan Pichler, ging mit einer Abfindung von 1,5 Millionen Euro. Auch Berlins Flughafenchef Rainer Schwarz erstritt nach dem BER-Debakel noch eine Million.


Air Berlin bittet Merkel um finanzielle Hilfe

Zumindest für börsennotierte Unternehmen gibt es einen – unverbindlichen – Verhaltenskatalog für gute Unternehmensführung (Deutscher Corporate Governance Kodex). Demnach sollten „Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten“. Dem Aufsichtsrat wird empfohlen, darauf bei Abschluss von Vorstandsverträgen zu achten.

Die Kritik an Winkelmann wurde auch deshalb laut, weil die Bundesregierung der Fluggesellschaft einen Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro gegeben hat, damit der Flugbetrieb noch bis Ende Oktober aufrechterhalten werden kann. Den Zusammenhang sieht Air Berlin jedoch unkritisch und verweist auf seinen Großaktionäre Etihad. „Die von Etihad gestellte Bankgarantie geht nicht zu Lasten der Masse der insolventen Air Berlin und damit nicht zu Lasten der Mitarbeiter und der Kunden. Sie geht auch nicht zu Lasten der Steuerzahler.“ Außerdem betont das Unternehmen, Winkelmann arbeitet daran, möglichst vielen Mitarbeitern Jobperspektiven zu verschaffen.

Ohne Steuergeld wird ihm das aber wohl kaum gelingen. Air Berlin bat daher inzwischen den Bund um Hilfe bei der Finanzierung einer Auffanglösung für die Beschäftigten. Air Berlin werde selbst bis zu zehn Millionen Euro beisteuern, brauche aber für eine Transfergesellschaft noch Geld der öffentlichen Hand, wie aus einem Brief der Konzernspitze an Bundeskanzlerin Angela Merkel hervorgeht, aus dem mehrere Medien am Freitag zitierten. „Hierzu hoffen wir auf die Unterstützung der betroffenen Länder und des Bundes, setzen aber auch auf die Verantwortung der Käufer unseres Unternehmens.“

Die Transfergesellschaft soll Mitarbeiter, für die es vorerst keine Perspektiven gibt, qualifizieren und in andere Jobs vermitteln. Air Berlin rechnet damit, dass rund 4000 Beschäftigte in diese Einrichtung wechseln könnten. Mit Piloten wären es laut Kalkulation 4500. Die Kosten für die Transfergesellschaft dürften sich - je nach Modellrechnung - auf bis zu rund 65 Millionen Euro belaufen.

In dem Brief bittet der Konzern die öffentliche Hand um die finanzielle Unterstützung bei den sogenannten Overhead-Kosten, die nicht einzelnen Posten zugeordnet werden können, und bei den Remanenzkosten. Dazu gehören etwa Sozialabgaben für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung wie auch die Lohnzahlungen für Urlaubs- und Feiertage.

Jüngst hatte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums allerdings gesagt, es gebe keine gesetzliche Grundlage für Beiträge des Bundes an eine Transfergesellschaft für Air Berlin, abgesehen von der Bundesagentur für Arbeit. Die Airline verhandelt auch mit Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo es jeweils Standorte gibt, um finanzielle Hilfen.

Die Verhandlungen mit Easyjet über die Übernahme von rund 25 Air-Berlin-Maschinen ziehen sich derweil in die Länge. Die Gespräche dauerten über das Wochenende an, erklärte Air-Berlin-Chef Winkelmann. Dies gelte auch für die Gespräche mit Bietern für die Technik-Sparte und die Frachttochter Leisure Cargo. „Heute ist das Ende der exklusiven Verhandlungsfrist mit Easyjet“, betonte Winkelmann. Dies dürfte ein klares Signal an die Briten sein, dass der Konzern Gespräche mit anderen Interessenten wie der Thomas Cook-Tochter Condor nun wieder intensiviert.

Denn die Zeit drängt. Air Berlin will noch bis Ende nächster Woche einen Deal unter Dach und Fach bringen, da der Flugbetrieb in eigener Regie am 27. Oktober endet. Ein Condor-Sprecher äußerte sich dazu nicht.