Siege alleine werden Kovac nicht mehr retten

Versteinert blickte Niko Kovac auf sein Glas Wasser, als Karl-Heinz Rummenigge Dienstagnacht um 1.41 Uhr auf dem Bayern-Bankett das Wort ergriff. Stehend, leicht müde und enttäuscht wirkend. Kovac saß ihm währenddessen gegenüber und hörte genau zu, was der Bayern-Boss sagte. Wie er die aktuellen Leistungen überwiegend kritisierte und für die Zukunft mahnte.

Wie der Bayern-Boss nach dem dritten Gruppenspiel in der Champions League (Platz 1/9 Punkte), acht Spieltagen in der Bundesliga (Platz 3/15 Punkte) und der bevorstehenden 2. Pokalrunde schon jetzt "große Erfolge" in Gefahr sieht, wenn "wir nicht langsam die Kurve kriegen". Wenn man sich nicht endlich spielerisch verbessert.

Deutlich gab Rummenigge zu verstehen: Siege allein reichen nicht! Ihm nicht. Dem FC Bayern nicht. Auch für Kovac nicht, der zunehmend unter Druck steht.

Man ist zwar in allen Wettbewerben auf Kurs und auch in der Liga nur einen Punkt hinter dem Tabellenführer. Die Auftritte (außer 60 Minuten beim 7:2 gegen die Tottenham Hotspur) sind aber zumeist unansehnlich. Es fehlt die Dominanz, die Sauberkeit, das Tempo. Das gewisse Etwas. Die Bayern sind verwundbar. Nicht mehr unbesiegbar. Viel zu oft muss bis zum Schluss gezittert werden.

Die Leistung auf dem Platz alarmiert die Bayern-Bosse. Rummenigge gewinnt den Zeiten unter Jupp Heynckes, Pep Guardiola und Louis van Gaal viel Gutes ab, was er derzeit nicht mehr wiederfindet: Taktische Finesse, mannschaftliche Geschlossenheit, das schöne Spiel.

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Der Bayern-Motor stottert gewaltig und wird derzeit allein von Robert Lewandowski und Manuel Neuer am Laufen gehalten. Vieles wirkt zufällig, wenig einstudiert.

Rummenigge kritisierte zudem die Sorglosigkeit im Bayern-Spiel. Ihm und zuletzt auch Manuel Neuer ist nicht entgangen, dass die Defensive nicht mehr Bayern-Like ist. In nunmehr fünf aufeinanderfolgen Spielen fing man sich je zwei Gegentore ein, weil entscheidende Zweikämpfe mal wieder nicht angenommen, entscheidende Pässe und Flanken nicht konsequent verhindert werden.

Kovac sieht diese Probleme, schafft es aber nicht, sie abzustellen. Ebenso wie die Zitter-Peinlich-Vorstellungen gegen vermeintlich kleine Gegner in der Bundesliga.

Rummenigge sah sich sogar genötigt, in seiner Rede an die Spieler zu appellieren, am Samstag gegen Union Berlin mit der nötigen Konzentration und Motivation zu Werke zu gehen. Basis-Attribute, die zuletzt scheinbar fehlten. Für die Kovac aber verantwortlich ist.

Dass Rummenigge immer mehr zum nicht polternden, sondern sachlichen Chef-Mahner wird, ist richtig. Er hält den Druck hoch, will die Bayern-Stärke provozieren. Führungsspieler werden zunehmend kritischer. Sportdirektor Hasan Salihamidzic beschönigt nichts mehr ("Alles muss besser werden”).

Kovac braucht daher keinen Lauf, er braucht eine spielerische Entwicklung. Sonst wird die Luft für ihn immer dünner und ein vorzeitiges Ende wohl nicht mehr ausgeschlossen.

Zumal sich sein Fürsprecher Uli Hoeneß schon bald in die zweite Reihe zurückziehen wird.