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So könnte Markus Söder doch noch Kanzler werden

Stimmabgabe bei der letzten Kanzlerwahl am 14. März 2018 (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Stimmabgabe bei der letzten Kanzlerwahl am 14. März 2018 (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Könnte Markus Söder doch noch Kanzler werden? Zumindest formal spricht nichts dagegen und es gibt in der Geschichte Deutschlands sogar zwei passende Beispiele.

Ein Kanzlerkandidat ist noch lange kein Kanzler. Das muss Armin Laschet gerade schmerzlich feststellen, denn der Titel ist nach der Wahl wenig wert. Um Kanzler zu werden braucht es auf dem Papier erstaunlich wenig. Im Grundgesetz werden keine ausdrücklichen Voraussetzungen für die Wählbarkeit zum Amt des Bundeskanzlers aufgestellt. Wie für den Bundestag gilt lediglich, dass nur gewählt werden kann, wer nach dem Artikel 116 Deutscher ist und bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat. Ansonsten ist die einzige Einschränkung, dass der Kanzler oder die Kanzlerin nicht das Wahlrecht entzogen bekommen hat oder in einer Psychiatrie untergebracht ist. Ein Kanzler muss weder zuvor mit dem Anspruch eines "Kanzlerkandidaten" angetreten noch überhaupt zwingend Mitglied des Bundestags sein, und hier wird es im aktuellen Gerangel um Angela Merkels Nachfolge interessant.

Ministerpräsident in Lauerstellung

Denn mit Markus Söder wartet ein Ministerpräsident im Hintergrund, der plötzlich bereitstehen könnte, das Amt zu übernehmen. Öffentlich hat er deutlich gesagt, wen er für den Wahlsieger hält: "Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz." Diese Aussage kurz vor der Fraktionssitzung der Union nach der Wahl war aber weniger ein Zugeständnis an den SPD-Kandidaten. Es war vor allem ein Sägen am Stuhl seines CDU-Kollegen Armin Laschet. Denn egal wie die Koalitionsverhandlung in den kommenden Tagen und Wochen ausgehen, klar ist, die Union hat mit Laschet die Mehrheit verloren und im Wahlkampf kein gutes Bild abgegeben. Und davon könnte Söder profitieren. Der Bayer könnte sogar doch noch selbst Kanzler werden, obwohl er den Unions-internen Machtkampf im Frühjahr verloren hatte.

Markus Söder mit erhobenem Finger beim CSU-Parteitag kurz vor der Bundestagswahl.
Über die Hintertür ins Kanzleramt? Ganz unwahrscheinlich ist diese Variante nicht. (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)

Söder wäre der erste CSU-Kanzler, nachdem es Edmund Stoiber und Franz-Josef Strauß als Kanzlerkandidaten nicht geschafft hatten. Dafür aber müsste noch einiges passieren. Noch beharrt Armin Laschet auf seine Chance. Denn in dem Fall, dass sich sowohl die FDP, als auch die Grünen für eine sogenannte Jamaika-Koalition bereit erklären, sieht er sich nach wie vor als den gewählten Kanzlerkandidaten der Union. Diese Aussicht rettet ihm momentan noch das politische Standing in seiner Partei, doch die Demontage hat längst begonnen.

Rückhalt für Laschet schwindet

Dazu gehört nicht nur Söders Aussage zu Scholz. Wie der Focus berichtete, hätten mehrere Unions-Politiker Laschets Rücktritt gefordert. Darunter unter anderem die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann und Sylvia Pantel, Sprecherin des konservativen Berliner Kreises. Auch die Werteunion verlangte eine personelle Neuaufstellung nach der Wahlschlappe. Schließlich holte Laschet mit den 24,1 % das schwächste Ergebnis der Union in ihrer Geschichte. In der Bevölkerung ist der Rückhalt des ohnehin nie sehr beliebten Politikers nicht mehr groß. Laut einer Umfrage von YouGov am Mittwoch wollen 68% der Deutschen, dass Laschet sofort von allen Ämtern zurücktritt. Fürs Erste hat die Wahl der neuen Unions-Fraktion Laschet eine kleine Verschnaufpause geschenkt. Die Abgeordneten wählten den bisherigen Vorsitzende Ralph Brinkhaus noch einmal, allerdings nur für sechs Monate. Dies hatten Laschet und Söder gemeinsam vorgeschlagen. Brinkhaus stellte sich nun hinter Armin Laschet.

Präzedenzfälle Schmidt und Kiesinger

Doch die Option, dass Markus Söder plötzlich als strahlender Retter auftritt und aus "staatspolitischer Verantwortung" einspringt, sollten die Verhandlungen zu einer "Ampel" zwischen SPD, Grünen und FDP scheitern, ist längst nicht vom Tisch. Es wäre ein Kuriosum, da Söder nicht mal einen Sitz im Bundestag hat. Doch den braucht es nicht, um zum Kanzler gewählt zu werden. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 63: "Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen."

Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger bei einer Rede in Hamburg im Jahr 1967.
Vorbild Kurt Georg Kiesinger? Der CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg wurde 1966 ohne Bundestagssitz ins Kanzleramt gewählt. (Bild: Helmut Reiss/United Archives via Getty Images)

Sprich, etwa die größte Mehrheit bei der vorangegangenen Bundestagswahl oder ein eigenes Bundestagsmandat sind nicht erforderlich. Ausschlaggebend ist, wer die größte Koalition bilden kann. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte der Bundesrepublik, 1976 wurde etwa Helmut Schmidt Bundeskanzler, obwohl seine SPD sogar sechs Prozent hinter Helmut Kohls CDU lag. Und mit Kurt Georg Kiesinger wurde 1966 schon mal ein CDU-Ministerpräsident ins Amt gewählt, der zu diesem Zeitpunkt kein Bundestagsmandat innehatte.

Akzeptieren die Grünen einen Kanzler Söder?

In den Medien wird also nicht ganz zu Unrecht über einen möglichen Kanzler Söder spekuliert. Und auch CSU-intern wird durchaus noch über Söders bundespolitische Ambitionen gesprochen, sein Rückzug auf Bayern eher als Koketterie ausgelegt. Ironischerweise könnten diese machtpolitischen Spielchen innerhalb der Union die ohnehin schmalen Chancen auf eine Jamaika-Koalition eher schmälern. Dass diese nicht ohne Söder verhandelt wird, hat er schon mal klargestellt. Am Montag nach der Wahl sagte er: "Die Gespräche führt nicht einer allein." Um am Dienstag nach der konstituierenden Sitzung der CSU-Landesgruppe auf die Gerüchte seiner Kanzlerambitionen zurück zu rudern. Diese seien "völlig irrelevant - zunächst mal." Ein Satz, der mindestens Raum für Spekulationen lässt. Voraussetzung wäre aber, dass die Union überhaupt ein Jamaika-Bündnis ausgehandelt bekommt. Doch im Lager der Grünen tun sich schon jetzt viele schwer mit dem Gedanken an eine Koalition mit der Union. Dieser Teil der Grünen dürfte sich auch mit einem Kanzler Söder kaum anfreunden.

Söder ist ein taktischer Politiker, das Polternde hat er sich meist abtrainiert, selten passiert ihm noch solch ein Faux-Pas, wie bei seinem Ausrutscher kurz vor der Wahl, als er scherzhaft zur Wahlmanipulation aufrief. Der bayrische Ministerpräsident weiß ziemlich gut, wann er sich etwas zurücknehmen muss und wann er energisch in die Bresche springt. Momentan wartet er noch ab, wohin die Stimmung in der Union kippt, während er gleichzeitig weiter behutsam Laschets Anspruch auf das Kanzleramt untergräbt. Söder weiß auch, so ein Herbst nach der Wahl kann sich hinziehen.

Video: Grüne und gelbe Trümpfe - Koalitionspoker vor wichtigem Wochenende