„So kann es nicht weitergehen“ - Polizei will härteren Kurs an der Grenze und erhebt Vorwürfe gegen grüne Blockierer
Im Kampf gegen illegale Migration will die Union Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen. Die Bundespolizei begrüßt den Vorstoß, nennt jedoch Bedingungen und greift die Politik scharf an. Die habe jahrelang gepennt. Nun sei die Polizei „im roten Bereich“.
Während Ampelregierung und Opposition über einen schärferen Kurs im Kampf gegen die illegale Migration streiten, schlägt die Bundespolizei Alarm und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Politik. Durch jahrelange Versäumnisse und Fehlentscheidungen sei die innere Sicherheit Deutschlands systematisch ausgehöhlt worden.
Die für das Kontrollieren der deutschen Landgrenzen und Flughäfen zuständigen Polizisten könnten ihre Aufgaben schon jetzt kaum erfüllen und arbeiteten seit langer Zeit „am Rande des Machbaren“, klagte Andreas Roßkopf im Gespräch mit FOCUS online. Roßkopf ist Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Bereich der Bundespolizei.
Die von der Union geforderten Zurückweisungen unberechtigter Asylsuchender direkt an den Grenzen seien deshalb nur unter bestimmten Bedingungen erfüllbar, so Roßkopf. Zum einen müsse „größtmögliche Rechtssicherheit“ über die Maßnahme herrschen. Zum anderen dürfe es „zu keiner Mehrbelastung“ der Polizei kommen.
Im Video: Innenministerin Faeser ordnet Kontrollen an allen deutschen Grenzen an
Ja zu Zurückweisungen, aber nur unter zwei Bedingungen
Der GdP-Verantwortliche verwies darauf, dass die bei der Grenzsicherung eingesetzten Beamten schon jetzt „weit über dem Limit“ arbeiteten. Käme die Aufgabe von Zurückweisungen hinzu, sei dies nur „unter Hinzunahme von starken Bundespolizei-Bereitschaftskräften möglich“.
Allerdings seien diese Kräfte als „Feuerwehr“ der Bundespolizei auch anderweitig sehr stark gebunden, etwa bei der Absicherung von Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen. Roßkopf zu den Folgen der Personalknappheit: „Hunderte von Ermittlungsakten liegen gestapelt und warten auf die Abarbeitung. Die eklatante Unterbesetzung unserer Ermittlungseinheiten ist kaum noch zu ertragen.“
Gegenüber FOCUS online erklärte der Gewerkschafter, er befürworte ausdrücklich einen härteren Kurs im Kampf gegen die illegale Zuwanderung einschließlich Zurückweisungen an den Grenzen: „Die grundsätzliche Abwehrhaltung der Grünen zu den Vorschlägen der Union ist mehr als schade.“ In der jetzigen Situation müsse man „alle Möglichkeiten durchdenken und objektiv betrachten“.
Bundespolizist warnt: „So kann es nicht weitergehen“
Roßkopf knallhart: „Fakt ist, dass es auch aus unserer Sicht so nicht mehr weitergehen kann. Wir müssen hier konsequenter arbeiten können!“
Einen wichtigen Schritt in diese Richtung hat – nach langem Zögern und permanentem Abwiegeln – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an diesem Montag eingeleitet. Sie ordnete vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Grenzen an, um Deutschland besser vor islamistischem Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität zu schützen.
In diesem Zusammenhang erhob Roßkopf schwere Vorwürfe gegenüber Politiker in Berlin, die zwar ständig nach sicheren Grenzen und wirksamen Kontrollen rufen, eine Umsetzung durch die Bundespolizei aber systematisch blockierten: „Wer einen modernen Grenzschutz will, muss investieren. Sowohl in Personal als auch in Ausstattung. Dies ist über die letzten Jahre vernachlässigt worden.“
Roßkopf zu FOCUS online: „Wir müssen durch intelligente, moderne und flexible Grenzkontrollen mit sehr moderner Ausstattung arbeiten können, zum Beispiel mit Drohnen, Kennzeichenerkennung, mobile Kontrollstellen sowie modernsten Fahndungs- und Bearbeitungsfahrzeugen. Dies alles ist so gut wie nicht vorhanden.“
Auch wenn die Defizite beim Grenzschutz umgehend behoben werden würden, Wunderdinge dürfe man nicht erwarten, warnte der Polizeigewerkschafter. „Klar ist: Egal welche Maßnahmen in der Migrationsbekämpfung ergriffen werden: Einen hundertprozentigen Grenzschutz wird es nicht geben. Dies ist strukturell, personell und ausstattungsmäßig nicht von uns zu leisten.“
Die Bundespolizei könne „sehr viel, ist hoch motiviert und tut alles, um die Sicherheit Deutschlands aufrechtzuerhalten“, erklärte Roßkopf. „Aber wir fahren im roten Bereich!“
Versäumnisse der Politik: „Fahren im roten Bereich!“
Dabei verwies er auf die „enorme Zunahme der Gewaltkriminalität alleine in den Bahnhöfen“ und die rasant „gestiegene Zahl der Messerangriffe“. Zudem würden Bundespolizisten immer öfter Ziel körperlicher Angriffe. Dies sei für die Beamten „sehr belastend“.
Roßkopf: „Es ist es zwingend geboten, die Bahnhofsinspektionen personell und materiell zu unterstützen. An unseren Bahnhöfen fehlen etwa 3000 Bundespolizisten.“ Außerdem mangele es vielfach an modernster Technik. „Wir brauchen endlich in allen Zügen eine Kameraüberwachung, möglichst unter Hinzunahme von Künstlicher Intelligenz, Software zur Gesichtserkennung und vieles mehr.“
Doch nicht nur Bahnhöfe erwiesen sich immer wieder als Hotspots der Gewaltkriminalität.
Auch für die Sicherheit an deutschen Flughäfen müsse viel mehr getan werden, so Roßkopf.„Hier haben wir in den letzten Monaten und Jahren erlebt, wie anfällig diese kritische Infrastruktur ist.“ Allein „die Straftaten von sogenannten ‚Klimaklebern‘“ hätten gezeigt, wie verwundbar unsere Airports seien.
Grüne Jugend will Abbruch der Migrations-Gespräche
Allerdings seien das längst nicht die einzigen Herausforderungen für die Bundespolizei, so Roßkopf. Hinzu kämen etwa heikle Einsätze auf See, wo Versorgungspipelines vor Angriffen geschützt werden müssen. Oder Aufgaben im Ausland, wo Spezialkräfte ihren Dienst versehen. „Die Anforderungen an uns werden immer größer.“
Vor diesem Hintergrund müsse man sich echte Sorgen um die Leistungsfähigkeit der Bundespolizei machen und die Frage stellen, wie dies alles noch abgedeckt werden soll, mahnt Andreas Roßkopf. „Nachwuchsprobleme und hohe Kündigungsraten zeigen ganz deutlich, dass wir in ernsthafte Probleme kommen können.“
An diesem Dienstag wollen Vertreter von Bundesregierung, Opposition und Ländern erneut über die Migrationspolitik beraten. Dabei geht es auch um die von der Union geforderten Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze.
Die Grüne Jugend hat bereits gefordert, die Gespräche zu beenden. „Nach den Äußerungen aus Unionskreisen der letzten Tage sehe ich keinen Grund, dass diese Gespräche fortgeführt werden sollten“, sagte die Co-Vorsitzende der Organisation, Katharina Stolla, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).