„So wenig ändern wie möglich“ - Bahn in der Krise, aber Regierung zementiert veraltete Strukturen

Bahn-Experte Christian Böttger nennt Ursachen und Lösungen für die vielfältigen Probleme bei der deutschen Bahn<span class="copyright">Getty Images/ brunocoelhopt/ stayorgo/ thamerpic/ hanohiki, Böttger</span>
Bahn-Experte Christian Böttger nennt Ursachen und Lösungen für die vielfältigen Probleme bei der deutschen BahnGetty Images/ brunocoelhopt/ stayorgo/ thamerpic/ hanohiki, Böttger

Seit Jahren wird über eine Trennung von Netz und Betrieb diskutiert. Als Kompromiss wurden - ohne weitere Reformschritte - zwei DB-Gesellschaften zur „DB InfrasGo“ fusioniert. Bahn-Experte Christian Böttger analysiert die Gründung und erklärt, warum die Chance auf echte Reformen verpasst wurde.

Schon bei der Bahnreform von 1994 war die Möglichkeit angelegt, eine institutionelle Trennung zwischen der Infrastruktur einerseits und den Transportgesellschaften vorzunehmen. Die Debatte flammte im Rahmen des Börsengangs auf, das DB-Management wollte den „integrierten Konzern“ an die Börse bringen, die Gegner verlangten, dass mindestens die Infrastruktur unter staatlicher Kontrolle bleiben müsse.

Auch nach dem Scheitern des Börsengangs wurde die Debatte fortgesetzt. Die DB AG verwies auf die Vorteile des „Integrierten Konzerns“, viele andere Akteure plädieren für eine Trennung, darunter die Wettbewerbs- und Fahrgastverbänden Grüne, FDP und CDU, der Bundesrechnungshof und die Monopolkommission.

SPD setzt auf Erhalt des integrierten Konzerns

In den letzten Regierungsprogrammen seit 2013 hat die SPD jeweils den Erhalt des integrierten Konzerns durchgesetzt und festschreiben lassen. In der aktuellen Legislaturperiode koalieren mit FDP und Grünen zwei Parteien, die eine weitgehende Trennung wollten und mit der SPD, die solche Reformen ablehnt.

Als Kompromiss wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung eine Umwandlung der Infrastruktursparten der DB AG in eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft unter dem Dach des DB-Konzerns vereinbart. Die weitere Ausgestaltung blieb offen.

Gründung der InfraGo: Kaum Veränderungen

Diese neue Gesellschaft, als InfraGO bezeichnet, wurde zum Jahresbeginn 2024 durch Verschmelzung der DB Netz AG und der DB Station & Service mit minimalen Strukturänderungen eingerichtet. Die DB erklärte, man wolle „so wenig ändern wie möglich“, der Vorsitzende der DB Hausgewerkschaft EVG, M.Burkert, betonte, es sei „keine Bahnreform“.

Kritik an Struktur und fehlenden Reformen

Die neue Gesellschaft wird weiter als Aktiengesellschaft geführt. Die Umwandlung in eine GmbH hätte dem Eigentümer einen besseren Durchgriff ermöglicht. Eine Integration der dritten Infrastrukturgesellschaft DB Energie, welche die Bahnstrominfrastruktur betreibt, wurde verworfen. So blieb ein Teil der Monopolinfrastruktur weiterhin nicht-gemeinwohlorientiert.

Die im Firmennamen genannte Gemeinwohlorientierung wird sich vor allem dadurch manifestieren, dass die Gewinne der Gesellschaft vollständig (und zusätzlich) über den Konzern an den Bund als Eigentümer ausgeschüttet werden sollen und als Investitionszuschuss an die DB zurückfließen soll.

Eigentlich ist diese Regelung bereits seit 2017 politisch vereinbart und in der LuFV vertraglich vereinbart, sie wurde in den letzten Jahren aber in Absprache zwischen Bund und DB AG nicht konsequent umgesetzt. Die Gewinnabführung ist inzwischen irrelevant, weil die DB InfraGo Verluste erwirtschaftet und eine Rückkehr in die Gewinnzone nicht absehbar ist.

Marktteilnehmer hatten gefordert, die Gründung der InfraGo für weitergehende Reformen zu nutzen

Neben der Umwandlung in eine GmbH hätte DB Energie Teil der neuen Gesellschaft werden sollen. Vorgeschlagen wurde auch eine Aufhebung der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zwischen der DB AG und der InfraGO. Damit kann der Konzern Weisungen erteilen, alle Gewinne werden automatisch abgeschöpft, Verluste werden ebenso ausgeglichen.

Bund und DB haben durchgesetzt, dass diese Verträge bestehen bleiben und der Konzern weiterhin die Infrastruktur vollständig beherrscht. Unter anderem werden dafür steuerliche Gründe angeführt, die sich aus Sicht der Kritiker mit gutem Willen lösen ließen.

Aufsichtsratsbesetzung sorgt für Kritik

Für die Steuerung der neuen Gesellschaft ist die Besetzung des Aufsichtsrates von großer Bedeutung. Die Wettbewerberverbände hatten eine möglichst unabhängige Besetzung gefordert. Bei der Gründung wurden sechs DB-Führungskräfte, davon drei aus der Lobbyingorganisation, ein Vertreter des Bundestages und drei Vertreter der verantwortlichen Ministerien in den Aufsichtsrat berufen. Das Verkehrsministerium ist durch eine Referatsleiterin aus dem Straßenbau vertreten.

Neuer Infrastrukturplan ohne Fortschritt

Die eigentliche Steuerung der InfraGo soll über ein neues Instrument erfolgen, den „Infrastrukturplan“. Dieser soll jährlich erstellt werden und jeweils rollierend einen Zeitraum von fünf Jahren umfassen. An diesem Plan soll auch ein Beirat mit Branchenvertretern mitwirken. Große Erwartungen setzt das Ministerium auf eine neue Steuerungsgruppe im Ministerium.

Alte Instrumente, gleiche Probleme

Die zur Steuerung vorgesehenen Instrumente sind nicht neu, sondern ähneln denen der letzten Jahre, mit denen die Infrastruktur in die Krise geraten ist. Kernbaustein sind ein jährlicher Plan mit Kennzahlen (wie bisher), ein Sektorbeirat (bisher gab es sogar zwei) und eine Steuerung durch das Ministerium (gab es bisher auch, aber die Einheit ist jetzt größer).

Nicht vorgesehen ist hingegen mehr Transparenz gegenüber Bundestag und Öffentlichkeit. Im Februar 2023 vergab das Verkehrsministerium einen großen Auftrag an zwei renommierte Beratungsfirmen zur Unterstützung, bis heute liegt aber kein Entwurf eines Infrastrukturplan vor. Eine der beiden Firmen wurde im August 2024 erneut mit einem Teilauftrag beauftragt.

Unklare Finanzverfassung und fehlende Transparenz

Auch die Finanzverfassung der neuen Gesellschaft ist noch unklar. Der gesetzliche Anspruch auf „kapitalmarktadäquate“ Gewinne wird nicht angerührt, obwohl dies im offensichtlichen Widerspruch zur Gemeinwohlorientierung steht. Mitte 2024 erfolgte eine Gesetzesänderung, die es Bund ermöglicht, künftig nicht nur Investitionen in die Infrastruktur zu finanzieren, sondern auch Instandhaltung, also laufende Kosten. Damit wird die Transparenz der Infrastrukturfinanzierung weiter verringert.

Enttäuschung bei Betreibern und Verbänden

Betreiber, Fahrgast- und Wettbewerbsverbänden sind von der Reform bitter enttäuscht. Es sieht so aus, als habe die Regierung ihre Chance vertan, Strukturreformen einzuleiten. Vielmehr wurden die Strukturen, die die Eisenbahn in die Krise geführt haben, weiter zementiert.