Sozialbetrug-Razzia im „Weißen Riesen“ - Über 500 Millionen Euro Kindergeld gehen pro Jahr ins Ausland - allein 40 Prozent hierhin
Mehr als 500 Millionen Euro an Kindergeld zahlt Deutschland pro Jahr ins Ausland. Während es dafür „unterschiedliche Gründe“ gibt, stehen nach der Razzia im „Weißen Riesen“ in Duisburg Sozialbetrüger im Fokus. Ein Land bekommt rund 40 Prozent aller Zuwendungen.
Kindergeld wird nicht nur innerhalb Deutschlands sondern auch ins Ausland überwiesen. In 2023 etwa wurden 525,7 Millionen Euro auf Konten außerhalb Deutschlands überwiesen. Das zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Während es 2010 mit 35,8 Millionen Euro noch deutlich weniger war, zeigt eine aktuelle Auswertung einen leichten Rückgang.
Wie „ Bild “ bei der Bundesagentur für Arbeit erfragte, wurden im ersten Halbjahr 2024 258,5 Millionen Euro ins Ausland überwiesen - ein Jahr zuvor waren es noch 260,03 Millionen Euro. Auch die Zahl der im Ausland lebenden Kinder ging von 322.364 im Juni 2023 auf 320.098 zurück. Während nicht bekannt ist, wie viele der Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit haben, ist die Zahl der deutschen Kindergeld-Berechtigten im Ausland, also der Eltern, von 36.144 (2023) auf 37.664 gestiegen.
„Wenige, ärgerliche Missbrauchsfälle“: CDU-Expertin erklärt, wieso Kindergeld ins Ausland geht
Warum so viel Kindergeld ins Ausland geht? „Dafür gibt es unterschiedliche Gründe“, erklärt CDU-Finanzexpertin Antje Tillmann via „Bild“. Kinder, die kurzfristig im Ausland leben, zum Beispiel für ein freiwilliges soziales Jahr, sind eine Gruppe. „Eine andere große Gruppe besteht aus Kindern, die dauerhaft im europäischen Ausland leben und bei denen mindestens ein Elternteil in Deutschland erwerbstätig ist.“ Dann gibt es eine dritte Gruppe, die „aus den wenigen, ärgerlichen Missbrauchsfällen besteht.“
Solche wollten Ermittler kürzlich mit einer Razzia im Duisburger Hochhaus-Komplex „Weißer Riese“ enttarnen und herausfinden, ob wirklich alle Menschen, die dort gemeldet sind und Sozialleistungen beziehen, tatsächlich dort leben. Immer wieder wurde in der Vergangenheit bandenmäßiger Betrug mit Kindergeld aufgedeckt.
Zur Erklärung: Deutsche mit Wohnsitz im Ausland, die hier ihre Steuern zahlen, haben ebenso Anspruch auf Kindergeld wie Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die bei uns arbeiten und Steuern zahlen, „wenn sie die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes haben oder eines anderen Landes mit entsprechenden Vereinbarungen “, so eine Sprecherin der Arbeitsagentur. Zu letzterer Gruppe zählen beispielsweise die Türkei, Serbien oder Marokko.
Polen bekommt mehr als 40 Prozent des deutschen Kindergelds im Ausland
Die Kindergeld-Überweisungen gehen zurück auf EU-Regelungen, die Deutschland schon mehrfach anpassen wollte. Die verschiedenen Bundesregierungen versuchten, die Zahlungen an die Lebenserhaltungskosten in den empfangenden Ländern anzupassen und so Geld zu sparen. Das lehnte der Beschäftigungs- und Sozialausschuss des Europaparlaments aber bisher immer ab, zuletzt im November 2018.
Die größte Summe geht dabei aus Deutschland nach Polen, das laut Agentur für Arbeit „das häufigste Herkunftsland der zugewanderten Arbeitskräfte“ ist. 111 Millionen Euro Kindergeld wurden im ersten Halbjahr 2024 aus Deutschland dorthin überwiesen - das sind mehr als 40 Prozent der Gesamtsumme. Weitere große Empfänger-Länder sind Rumänien (27 Millionen Euro) und Kroatien (11 Millionen Euro). In die Ukraine gingen 2024 bisher rund 480.000 Euro.