Sozialforscher Andreas Herteux - Nancy Faeser gegen „Compact“: Die Demokratie gewinnt, die Ministerin verliert

Innenministerin Nancy Faeser schwer unter Druck<span class="copyright">IMAGO/Future Image</span>
Innenministerin Nancy Faeser schwer unter DruckIMAGO/Future Image

Die teilweise Aussetzung des Verbotes des „Compact“-Magazins ist eine schwere Niederlage für die angeschlagene Innenministerin Nancy Faeser. Wie sich das auf ihre Karriere auswirken könnte und wie es nun um das umstrittene Magazin steht, erklärt Sozialforscher Andreas Herteux.

Ist die Teilaussetzung des Verbots des „Compact“-Magazins eine Niederlage für Nancy Faeser und die Demokratie?

Beides ist strikt zu trennen. Für die Demokratie ist Entscheidung des Gerichtes keine Niederlage, sondern sie zeigt, dass die Gewaltenteilung in Deutschland funktioniert und es eine unabhängige Gerichtsbarkeit gibt, die nun das Vorgehen der Exekutive, in diesem Fall des Bundesinnenministeriums unabhängig und auf Basis der geltenden Rechtslage überprüft. Auch, wenn es paradox klingen mag, erscheint dies aus neutraler Perspektive befriedigend, denn gerade die Unabhängigkeit der Judikative wird in einschlägigen Kreisen nicht selten angezweifelt.

Für Nancy Faeser, die sich klar als Kämpferin gegen Rechtsextremismus positioniert hat, erweist sich die Angelegenheit als eine juristische Niederlage. Ob temporär oder nicht, wird sich noch zeigen, aber offenbar konnte das vorgelegte Material für ein sofortiges und komplettes Verbot nicht überzeugen.

Das ist durchaus deutlich zu kritisieren, denn sie erweist der Sache selbst damit einen Bärendienst und das auch noch unmittelbar vor mehreren Landtagswahlen im Osten. Nicht  selten entsteht dann, wenn der bloße Effekt der Präzision vorgezogen wird, Dilettantismus. Man kann einen solchen hinter immer eine gewisse Zeit hinter der vornehmlich guten Absicht verbergen und doch wird er in der Regel irgendwann hervortreten und kontraproduktiv wirken.

Politisch gesehen, stellt die Entscheidung Faeser kaum vor neuen Herausforderungen, da die alten ähnlicher Natur noch massiv auf ihr lasten. Sie ist, wie manche ihrer Projekte, als Beispiel sei das faktisch gescheiterte Demokratiefördergesetz genannt, seit längerem umstritten, war bei Beliebtheitsrankings selten weiter vorne zu finden und scheiterte im Herbst 2023 auch bei dem Versuch hessische Ministerpräsidentin zu werden. Letzteres war wohl auch das eigentlich Ziel und das Innenministerium nur das metaphorische Sprungbrett.

Die nächste Bundestagswahl steht zudem vor der Tür und innerhalb der SPD dürfte sich spätestens danach einiges am internen Machtgefüge ändern, da nichts dafürspricht, dass die Sozialdemokraten weiter die Kanzlerpartei stellen werden. Aus dieser Perspektive sollte manch Schnellschuss immer auch als Pflege der politischen Eigenmarke mit betrachtet werden. Das ist im konkreten Fall selbstverständlich nur eine Spekulation; allerdings wäre es ungewöhnlich, wenn derartige Gedanken völlig unberücksichtigt bleiben würden. Image hin, Positionierung her; der Erfolg blieb aus.

Die Karriere von Nancy Faeser ist daher an einem sehr interessanten Punkt angekommen und es darf im Moment als ungewiss gelten, welche Rolle sie nach der nächsten Wahl einnehmen wird. Ist sie bereits eine „lahme Ente“, wir dehnen die Bedeutung des Begriffes ein wenig, oder wird sie sich noch einmal durchsetzen? Es wird spannend.

Warum gab es überhaupt die Teilaussetzung des Verbotes?

Das Bundesverwaltungsgericht, das die Teilaussetzung des Verbotes verfügt hat, äußerte Bedenken bezüglich des Verhältnismäßigkeit des Verbots.

Zwar wird davon ausgegangen, dass die Rhetorik des Magazins, in vielen Beiträge, eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnimmt“, allerdings ist ein Verbot ein scharfes Schwert, dem gegenüber das hohe Gut der Meinungs- und Pressefreiheit steht.

Oder ganz einfach ausgedrückt: Das vorliegende Material hatte entweder nicht die Qualität für ein komplettes und sofortiges Verbot oder es war nicht entsprechend aufbereitet.

Welche Bedeutung hat das „Compact“-Magazin für die rechte Szene?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin seit 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ ein.

Inhaltlich ist „Compact“ nicht sonderlich innovativ oder gar investigativ, sondern bedient die übliche Bandbreite, die dann auf aktuelle Geschehnisse übertragen und zusätzlich gelegentlich noch mit Querfrontthemen angereichert wird, die nicht unbedingt jeden aus der klassischen rechten Szene begeistern. Ein typisches Beispiel hierfür ist die positive Darstellung von Sarah Wagenknecht, die lange Zeit förmlich umworben wurde.

Die Nähe zu Russland ist ein weiteres Merkmal von „Compact“ und die These, dass auch die persönlichen Ansichten des Chefredakteurs Jürgen Elsässer, der ja selbst einen langen Weg von ganz links nach rechts gegangen ist, die Ausrichtung des Magazins mitprägen, dürfte legitim sein und könnte auch erklären, warum manches Thema bei gewissen Kameraden mit Skepsis betrachtet wird, bestimmte Teile der Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion aber dafür ein positives Bild der Publikation haben.

Grundsätzlich ist bei „Compact“ aber zu beobachten, dass man gerne auf Wellen wie Pegida, Corona-Proteste oder den AfD-Erfolg aufspringt und sie dann begleitet. Entsprechend gibt es auch nicht zu unterschätzende Netzwerke.

Wie wahrscheinlich ist ein endgültiges Verbot des „Compact“-Magazins?

Über die Erfolgsaussichten eines endgültige Verbots des „Compact“-Magazins lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt keine seriöse Aussage treffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat verdeutlicht, dass eine endgültige Entscheidung erst im Hauptsacheverfahren getroffen wird.

Da bereits Zweifel angedeutet wurden, ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass die bislang vorgelegten Beweise noch ergänzt werden müssen. Ob dies gelingen kann, bleibt abzuwarten.

Letztendlich geht nun alles seinen rechtsstaatlichen Gang und das ist zweifellos ein Errungenschaft unserer demokratischen Ordnung, auf die man in manch autoritär geführtem Land nicht zurückgreifen könnte. Das spricht bereits für sich und macht weitere Worte überflüssig.