Lage im Nahen Osten spitzt sich nach Tötung von Hisbollah-Chef zu

Nach der Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff im Libanon spitzt sich die Lage im Nahen Osten weiter zu. Der Iran und andere Verbündete der Hisbollah verurteilten den tödlichen Angriff und drohten mit Vergeltung. (-)
Nach der Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff im Libanon spitzt sich die Lage im Nahen Osten weiter zu. Der Iran und andere Verbündete der Hisbollah verurteilten den tödlichen Angriff und drohten mit Vergeltung. (-) (-/AFP/AFP)

Nach der Tötung von Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff im Libanon spitzt sich die Lage im Nahen Osten weiter zu. Der Iran und andere Verbündete der Hisbollah verurteilten die Tötung Nasrallahs und drohten mit Vergeltung, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einem "historischen Wendepunkt" im Kampf gegen die Feinde des Landes. Am Sonntag flog die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben dutzende weitere Angriffe auf Hisbollah-Hochburgen.

Nasrallah sei der "zentrale Motor der iranischen Achse des Bösen" gewesen, sagte Netanjahu am Samstagabend in einer Fernsehansprache. Er wäre in der Lage gewesen, nach den jüngsten Angriffen auf die Hisbollah deren "Fähigkeiten schnell wiederherzustellen". Unter anderem sei Nasrallah für Hisbollah-Anschläge im Jahr 1983 verantwortlich gewesen, bei denen fast 300 Soldaten aus den USA und Frankreich starben.

US-Präsident Biden bezeichnete Nasrallah Tötung als eine "Maßnahme der Gerechtigkeit für seine vielen Opfer, darunter Tausende von Amerikanern, Israelis und libanesischen Zivilisten". Er bekräftigte die Unterstützung der USA für "Israels Recht, sich gegen die Hisbollah, die Hamas, die Huthis und andere vom Iran unterstützte Terrorgruppen zu verteidigen".

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sprach von einer "sehr robusten" Präsenz des US-Militärs, die dazu diene, "uns selbst zu verteidigen und bei der Verteidigung Israels zu helfen".

Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot forderte nach der Tötung Nasrallahs eine "sofortige Einstellung der israelischen Luftangriffe im Libanon". Zugleich rief er die Hisbollah und den Iran zur Zurückhaltung auf. Am Sonntag wollte Barrot in den Libanon reisen, um "Unterstützung durch Frankreich, insbesondere humanitärer Natur", zu leisten.

Hisbollah-Chef Nasrallah war nach Angaben der israelischen Armee am Freitag während eines Treffens der Hisbollah-Spitze durch einen israelischen Luftangriff auf deren Hauptquartier in einem Vorort von Beirut getötet worden.

Die israelische Armee erklärte am Sonntag, bei dem Angriff auf Nasrallah seinen "mehr als 20 weitere Terroristen" getötet worden. Am Sonntag meldete die israelische Armee die Tötung von Kommandeur Nabil Kauk, der einer Sicherheitseinheit der Hisbollah und dem Zentralrat der Organisation angehört habe.

Damit seien nun "die meisten" Anführer der Hisbollah "eliminiert" worden, sagte Armeesprecher Nadav Shoshani. Die Hisbollah ist mit dem Iran und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen verbündet.

Laut iranischen Angaben starb bei dem Angriff, bei dem Nasrallah getötet wurde, auch ein hochrangiger Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden. Sein Tod werde "nicht unbeantwortet bleiben", drohte Außenminister Abbas Araghtschi am Sonntag.

Am Sonntag meldete die Armee zudem Angriffe auf "Dutzende" weitere Ziele der Hisbollah. Die libanesische Nachrichtenagentur berichtete von Angriffen in und um die Stadt Baalbek im Osten, wo Fabriken, Lagerhäuser und Wohngebiete zu den Zielen gehörten.

Bei einem Angriff auf eine Ortschaft nahe der südlibanesischen Stadt Sidon wurden laut dem libanesischen Gesundheitsministerium 24 Menschen getötet und 29 weitere verletzt. Der staatlichen Nachrichtenagentur Ani zufolge wurde ein Gebäude in der Ortschaft Ain al-Delb getroffen. Zudem seien mindestens 21 Menschen in der Region Baalbek getötet worden.

Israel fliegt seit Tagen massive Luftangriffe gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon. Nach Angaben des libanesischen Regierungschefs Nadschib Mikati sind daher inzwischen bis zu eine Million Menschen auf der Flucht. Es handele sich womöglich um die "größte Fluchtbewegung in der Geschichte des Landes".

Die Hisbollah griff ihrerseits erneut Ziele im Norden Israels an. Kämpfer hätten eine "Raketensalve" auf Safed sowie eine kleinere Ortschaft abgefeuert, um "den Libanon und sein Volk" zu verteidigen und auf israelische Angriffe auf den Libanon zu reagieren, erklärte die pro-iranische Miliz am Sonntag. Die Hisbollah hatte die Gegend um Safed in den vergangenen Tagen bereits mehrmals beschossen.

Israel griff unterdessen am Sonntag auch Stellungen der pro-iranischen Huthi-Miliz im Jemen an. Die Luftwaffe habe mit dutzenden Flugzeugen "militärische Ziele" in den Regionen Ras Issa und Hodeida angegriffen, erklärte Armeesprecher David Avraham.

Der von den Huthis kontrollierte jemenitische Fernsehsender Al-Masirah berichtete von Angriffen auf die Häfen von Hodeida und Ras Issa sowie auf zwei Kraftwerke. Nach israelischen Armeeangaben nutzten die Rebellen die angegriffenen Einrichtungen für die Einfuhr iranischer Waffen und für "Lieferungen zu militärischen Zwecken".

Die Huthis, die sich Teil der "Achse des Widerstands" gegen Israel verstehen, hatten am Samstag nach eigenen Angaben eine Rakete auf den Flughafen der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv abgefeuert. Die Rakete wurde laut der israelischen Armee abgefangen.

se/bfi