Spannungen zwischen SPD und Grünen - Auch wegen neuem Minister Kukies: Jetzt kracht es schon auf der Ampel-Resterampe
Die FDP hat die Regierung zwar verlassen, pure Harmonie herrscht in der Rest-Koalition aus SPD und Grünen aber trotzdem nicht. Eine wichtige Kanzler-Personalie und Scholz‘ Wahlkampfstrategie sorgen für Unmut.
Stimmt die Erzählung, die SPD und Grüne im Moment vermitteln wollen, war Ex-Finanzminister Christian Lindner der ultimative Störenfried in der Ampel-Koalition. Nun ist die FDP raus aus der Regierung – also dürfte es jetzt doch harmonischer zugehen in der übrig gebliebenen Minderheitsregierung? Hört man sich am Tag nach dem Ampel-Bruch in Berlin um, ist bei Sozialdemokraten und Grünen nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen.
Ein Stein des Anstoßes ist für einige Grüne der neue Finanzminister Jörg Kukies. Kanzler Olaf Scholz hat seinen Vertrauten zu einem der mächtigsten Männer der Koalition gemacht. Der SPD-Politiker bringt Erfahrung als Investmentbanker sowie als Staatssekretär im Finanzministerium und im Kanzleramt mit – und eine Reihe an Aufregern .
Als die Commerzbank ihn jüngst gebraucht hätte, um nicht zum Übernahmeobjekt für die italienische Unicredit zu werden, war er wie vom Erdboden verschluckt. Laut einem „Spiegel“-Bericht drängte er noch zwei Tage vor der Wirecard-Insolvenz, einen weiteren Kredit an den Pleitekandidaten zu vergeben. Und sein Wechsel von Goldman Sachs in die Politik sorgte für Kritik bei Lobbycontrol.
Grüne lassen kein gutes Haar an Finanzminister Kukies
Auch bei den Grünen störte man sich schon damals daran, jetzt wird die Kritik nach Informationen von FOCUS online wieder lauter. Auch an Kukies‘ Charakter werden Zweifel angemeldet. Öffentlich will man das – noch – nicht aussprechen, um dem Koalitionsklima nicht weiter zu schaden.
Möglicherweise ist der Grünen-Frust aber auch darauf zurückzuführen, dass man sich eine andere Personalie gewünscht hätte: Die Vertretungsregelung der Ampel sieht eigentlich vor, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck das Finanzministerium führt, wenn das herrenlos geworden ist.
„Geht jetzt nicht darum, alle glücklich zu machen“
In der SPD reagiert man mit Unverständnis auf die Kritik an Kukies. Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher, sagte FOCUS online: „Es geht jetzt nicht darum, alle glücklich zu machen, sondern handlungsfähig zu bleiben.“ Und dafür sei Kukies genau der Richtige: Er habe als Staatssekretär „einen hervorragenden Job gemacht“, er sei „ausgewiesener Finanzmarkt-Experte“.
Schrodi verteidigt seinen Parteifreund: „Für diese Zeit des Übergangs ist Jörg Kukies der Richtige, weil er das Finanzministerium kennt.“ Nur als Kurzzeit-Minister soll er aber nicht gesehen werden, eine längerfristige Amtsübernahme nach Neuwahlen und einer erhofften Regierungsbeteiligung der SPD will man dort nicht ausschließen.
Grünen fürchten SPD-Wahlkampfstrategie - wegen ihrem Kanzlerkandidaten
Dass die Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen alles andere als harmonisch laufen könnte, liegt auch am anstehenden Wahlkampf. Bei den Grünen fürchtet man, dass die Sozialdemokraten diesen bewusst auf ein Kanzlerduell zwischen Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz zuspitzen werden. Der eigene Kanzlerkandidat – Robter Habeck will es machen – würde dann zwischen den beiden kaum Aufmerksamkeit finden.
Sowohl Scholz als auch Habeck stehen vor dem Drahtseilakt, zum einen Einigkeit und politische Stabilität zu vermitteln, aber sich zugleich für Wählerinnen und Wähler erkennbar voneinander abzugrenzen. Je näher der noch festzulegende Wahltag rücken wird, desto häufiger werden in der Koalition die Giftpfeile fliegen. Immerhin: Die Koalitionäre sind das mittlerweile gewohnt.