Spart Deutschland am falschen Ende? - Griechenland-Brände lehren uns, welche Gefahren beim Billig-Netzausbau lauern
Deutschland könnte viele Milliarden sparen, wenn es beim Netzausbau auf oberirdische Stromleitungen statt Erdkabel setzt. Doch in Griechenland zeigt sich, welche Gefahren das mit sich bringt: Wegen der Leitungen sind tausende Hektar Wald verbrannt, die Stromversorgung wackelt.
Die Energiewende wird immer teurer: Statt der kalkulierten 11 Milliarden Euro muss der Bund bis Ende des Jahres voraussichtlich 23 Milliarden Euro Ökostrom-Förderung. Der Staat übernimmt die Zahlung dieser Umlage, um Betreibern von Anlagen zur Stromerzeugung – zum Beispiel Photovoltaik – weiterhin unabhängig von den Preisen an der Strombörse ihre Erlöse zu garantiert. Angesichts der knappen Kassen des Bundes könnte das Begehrlichkeiten wecken, an einer anderen Stelle der Energiewende zu sparen, nämlich beim Netzausbau.
Der ist nötig, um die flächendeckende Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien zu ermöglichen. 320 Milliarden Euro soll der Ausbau des Netzes mit Erdkabeln bis 2040 eigentlich kosten. Anfang Juni zeigte die Bundesnetzagentur jedoch Einsparpotenzial auf: „Auf Basis aktueller Prognosen kann ein Investitionsvolumen ohne Erdkabel in Höhe von 284,7 Milliarden Euro geschätzt werden.“ Das wären rund 35 Milliarden Euro weniger.
Überlandkabel haben in Griechenland verheerende Waldbrände ausgelöst
Welche ungeahnten Probleme die billigere Variante mit oberirdischen Leitungen mit sich bringen kann, zeigt ein Blick nach Griechenland: Beim jüngsten Waldbrand rund um Athen gingen rund 10.000 Hektar Wald verloren. Ein 76-jähriger Bewohner des Ortes Varnava sagte aus, dass ein Kurzschluss der elektrischen Überlandleitung das verheerende Feuer ausgelöst hatte.
Ende Juni brannte es auf der Insel Euböa. Die Experten der griechischen Feuerwehr vermuten, dass sich ein Falke auf die unisolierten Kabel der Starkstromleitung setzte. Er löste einen Kurzschluss aus, Funken flogen, der Pechvogel fiel verkohlt zu Boden und der Waldbrand nahm seinen Anfang. Und Mitte Juli wurden zwei von drei Feuern nahe Thessaloniki von Freilandleitungen ausgelöst.
Auch in Deutschland ist das Phänomen der „Brandstiftung durch Freilandkabel“ nicht unbekannt. Mitte Mai löste ein Ast, der auf ein überirdisches Stromkabel fiel, auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern einen Waldbrand aus. Glücklicherweise konnte dieser anders als ein großes Feuer 2019 auf demselben Platz schnell unter Kontrolle gebracht werden.
Waldbrand-Gefahr in Deutschland wird weiter zunehmen
Deutschland ist zwar nicht Griechenland, die im Süden herrschende Hitze samt Trockenheit ist hierzulande zumindest in diesem Sommer eher selten. Dennoch wird sie mit dem Klimawandel zunehmen. Und auch schon jetzt hat die Feuerwehr am vergangenen Wochenende für die östlichen Bundesländer Deutschland die höchste Waldbrand-Warnstufe ausgerufen.
Das Umweltbundesamt hat in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Walbrände registriert und geht von einer Fortsetzung der Entwicklung aus. Zwar zeigt die Statistik der Behörde, dass weiterhin der Mensch ein häufiger Auslöser der Feuer ist – im Jahr 2022 entstanden rund 23 Prozent der Brände durch Fahrlässigkeit, knapp 20 Prozent durch vorsätzliche Brandstiftung. In 45 Prozent der Fälle blieb die Ursache jedoch unbekannt, hinzu kommen 10 Prozent „sonstige Einwirkungen“. Möglicherweise verbergen sich dahinter auch Kurzschlüsse von Stromleitungen.
Herabfallende Vögel wirken wie Brandbomben
Zumindest das Problem herabfallender Vögel als eine Art natürlicher Brandbomben haben manche erkannt. In Amerika sammelten Biologen Daten, wonach 44 Brände in den USA zwischen 2014 und 2018 durch von Stromkabeln fallende Vögel entstanden sind. 2022 sagte eine Vogelschutzexpertin des Naturschutzbundes (Nabu) der „Welt“: „Auch in Deutschland gibt es regelmäßig Fälle, in denen die Tiere durch Kurzschlüsse sterben und zum Feuerball werden.“
Eigentlich soll das ein seit 2002 bestehendes Gesetz verhindern. Demnach müssen neue Strommasten vogelsicher gebaut werden, alte müssen nachgerüstet werden. Zudem müssen manche Bauteile mit Isolierabdeckungen besonders geschützt werden. Offenbar erfüllen aber noch nicht alle Leitungen die Standards.
Klamme Griechen setzen mittlerweile auf Erdkabel
In Griechenland zeigt sich auch, welche Folgen die durch Überlandleitungen ausgelösten Feuer haben können. Bei den Waldbränden rund um Athen kam es zu mehreren Stromausfällen, weil Leitungen zerstört wurden. Es gab Schäden an mindestens 120 Masten, sowie einer gleichen Anzahl von Umspannstationen. Zeitweise war sogar die Stromversorgung des Athener Stadtzentrums in Gefahr. Nur durch den unermüdlichen Einsatz von mehr 350 Technikern des Netzbetreibers konnte der Black-Out verhindert werden.
Dort, wo Überlandleitungen die Versorgung sicherstellen sollen, sind die Griechen mittlerweile an Stromausfälle gewöhnt. Wenn es auf der Insel Euböa in den Bergen schneit oder heftige Stürme herrschen, fällt auch rund um die auf Meereshöhe liegende Inselhauptstadt Chalkida der Strom aus. Das bedeutet für die Bewohner auch, dass die Pumpen der Wasserwerke und die als Wärmepumpen genutzten Inverter-Klimaanlagen ausfallen.
Trotz chronisch klammer Kassen setzen die Griechen deshalb wegen der ihnen bekannten Risiken mittlerweile auf Erdkabel. Bestehende Freilandleitungen verlegen sie in die Erde. Das ist seit Jahrzehnten Konsens aller politischen Parteien – was in dem Land sonst nur selten vorkommt.