SPD braucht Anti-Grünen-Taktik - Scholz hat ein Habeck-Problem: Für Wahlsieg muss er seinen Vizekanzler ausbremsen
Olaf Scholz will mit der SPD das Kanzleramt verteidigen. Eine Umfrage zeigt: Das kann nur gelingen, wenn er seinen Vizekanzler Robert Habeck aus dem Rennen nimmt. Eine Wahlkampfrede des Kanzlers deutet an, wie der das bewerkstelligen will.
Die interne Kanzlerkandidaten-Debatte hat Olaf Scholz zwar gewonnen. Doch der SPD-Politiker gehört immer noch zu den unbeliebtesten Politikern des Landes. Will er doch noch den Wiedereinzug ins Kanzleramt schaffen, muss er jetzt „kämpfen“ – so wie es die Wahlkampagne der Sozialdemokraten verspricht.
Eine mögliche Taktik für die Bundestagswahl offenbaren nun die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage zur Kanzlerpräferenz. In einem direkten Vergleich von Scholz mit CDU-Chef Friedrich Merz würden aktuell 28 Prozent für den Unions-Kanzlerkandidaten stimmen, immerhin 24 Prozent würden den SPD-Kandidaten als Kanzler wählen.
Habeck zieht Scholz' Umfragewerte nach unten
Ein Problem für Scholz wird aber sichtbar, wenn Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck in die Gleichung einbezogen wird. Stellt man den Umfrage-Teilnehmern Merz, Scholz und Habeck zur Auswahl, liegt der Kanzler abgeschlagen mit nur 16 Prozent hinter Merz (weiterhin 28 Prozent) und Habeck (24 Prozent). Ein ähnliches Bild ergibt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa .
Für die SPD dürfte das auf Basis der Umfragen bedeuten: Sie muss Habeck aus dem Rennen nehmen, wenn Scholz noch eine realistische Chance haben soll, das Kanzleramt zu verteidigen. Nur wenn sich im Wahlkampf ein Kanzler-Duell zwischen Scholz und Merz zuspitzt, kann der Sozialdemokrat punkten. Doch wie gelingt es, Habeck strategisch auszuschalten?
Zwei Optionen für die SPD: Angreifen oder ignorieren
Die SPD steht dabei vor zwei Optionen: Zum einen kann sie sich für einen harten Angriff auf Habeck entscheiden, um ihn politisch zu schwächen. Das scheint aber unwahrscheinlich, denn die Sozialdemokraten müssten sich gegen ihren letzten verbliebenen Koalitionspartner stellen und damit einen offenen politischen Machtkampf auslösen, der Habeck stärker ins Rampenlicht rücken würde - was ihm sogar helfen könnte.
Zum anderen kann die SPD eine subtilere Strategie wählen, indem sie Habeck und die Grünen gezielt ignoriert und sich gleichzeitig auf ein Duell mit Merz fokussiert. Die Hoffnung: Habeck verliert in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung und die Wählerinnen und Wähler nehmen ihn dann gar nicht mehr als ernsthafte Option im Rennen ums Kanzleramt wahr. Die Grünen müssten sich dagegen aus eigener Kraft stemmen – ob ihnen das angesichts schlechter Umfragewerte für die Partei überhaupt gelingen kann, ist unklar.
Wer bekommt Aufmerksamkeit im TV-Duell?
Wie folgenreich eine Zuspitzung auf zwei Kandidaten oder Parteien sein kann, zeigen zum Beispiel die diesjährigen Landtagswahlen in Ostdeutschland. Vielen Wählern war es wichtiger, die AfD als Wahlsieger zu verhindern, deshalb stimmten sie für die in den Umfragen neben der AfD führende Partei – teilweise gegen ihre eigentliche Präferenz. In Brandenburg profitierte davon zum Beispiel die SPD, die CDU hatte keine Chance mehr, in das Rennen zwischen AfD und Sozialdemokraten einzugreifen.
Für die Grünen kann die Zuspitzung auch schon im Wahlkampf ganz konkrete Folgen haben: Wenn alle davon ausgehen, dass nur Scholz oder Merz Chancen aufs Kanzleramt haben, könnte Habeck zum Beispiel eine Einladung zu TV-Duellen verweigert werden. Bei der Bundestagswahl 2021 war die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock dort noch vertreten, was ihr gerade in der Endphase des Wahlkampfs die so wichtige Aufmerksamkeit verschaffte.
Der Name Merz fällt oft, der von Habeck gar nicht
Dass die Sozialdemokraten tatsächlich auf die zweite Strategie setzen, legt ihre „Wahlsiegkonferenz“ am vergangenen Wochenende nahe. In Scholz' Rede fiel der Name Habeck kein einziges Mal, die Grünen erwähnte er lediglich viermal. Über Merz hingegen sprach Scholz 16 Mal, auch die CDU, CSU und die Union als Ganzes wurde mit zahlreichen Nennungen bedacht.
Auch inhaltlich machte der Kanzler klar, an wem er sich am liebsten abarbeitet: „Unser Land ist längst viel weiter als Friedrich Merz und die Seinen“, wetterte Scholz zum Beispiel. Bei der Schuldenbremse ducke der CDU-Chef sich weg, er betreibe eine gefährliche Russland-Politik und vernachlässige die Sozialpolitik.
Positiver Nebeneffekt der Strategie, über Habeck zu schweigen und gegen Merz zu feuern: Das entspricht deutlich mehr dem Gefühl der SPD-Basis als eine Kampagne gegen die Grünen. Entsprechend zuversichtlich ist man bei den Sozialdemokraten, mit der richtigen Taktik doch noch eine Chance aufs Kanzleramt zu haben.