SPD-Chef will «Krisen- und Kriegsgewinner» stärker belasten

Trotz Steuersenkung sind die Preise an den Tankstellen offenbar nicht wesentlich gesunken. Der SPD-Vorsitzende schlägt nun andere Strategien für eine merkliche Entlastung der Verbraucher vor.

Berlin (dpa) - SPD-Chef Lars Klingbeil will «Krisen- und Kriegsgewinner» stärker besteuern und hat dabei besonders die Mineralölkonzerne im Visier.

«Es kann nicht sein, dass sich auf der einen Seite die Mineralölkonzerne in der Krise die Taschen noch voller machen», sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Und auf der anderen Seite hart arbeitende Menschen mit ihren Familien darüber diskutieren müssen, ob sie den Sommerurlaub streichen oder wie sie die nächste Tankfüllung finanzieren.»

Angesichts der milliardenschweren Entlastungspakete beschäftige er sich intensiv mit der Frage, «wie wir mit den Krisen- und Kriegsgewinnern umgehen, die von der derzeitigen Lage massiv profitieren», sagte Klingbeil. «Die müssen wir stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls heranziehen.» Der SPD-Vorsitzende zeigte sich offen für eine Übergewinnsteuer, um extreme Krisengewinne abzuschöpfen: «Eine Steuer auf Kriegs- und Krisengewinne ist ein Instrument, das auf dem Tisch liegt und das ich sehr überlegenswert finde.» Eine solche Steuer werde in Großbritannien und Italien bereits eingesetzt, die Europäische Kommission sei ebenfalls dafür.

Mineralölkonzerne in der Kritik

Die Mineralölkonzerne stehen wegen der hohen Spritpreise in der Kritik. Auch eine Senkung der Energiesteuern am Mittwoch hatte die Preise nach bisherigem Stand nur vorübergehend sinken lassen. Zuletzt waren sie vielerorts wieder gestiegen.

Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch dringt angesichts der weiterhin hohen Spritpreise auf schärfere Gesetze. «Wir müssen uns die Frage stellen, ob bestimmte Gewinne nicht sittenwidrig sind», sagte Miersch der «Süddeutschen Zeitung» (Samstag). Miersch verwies auf das immer noch gültige Preisgesetz von 1948, das auch die öffentliche Festsetzung von Preisen erlaubt. «Die Politik muss jetzt überlegen, welche Antworten sie zusätzlich zu finanziellen Entlastungen noch hat, die das Problem an der Wurzel packen», sagte Miersch. Dazu zähle auch, so genannte Übergewinne abzuschöpfen.

Der Chef des Münchener Forschungsinstitutes Ifo, Clemens Fuest, warnt vor einer Besteuerung möglicher Übergewinne der Mineralöl-Konzerne. «Von Sondersteuern für Übergewinne halte ich in der aktuellen Lage nichts. Die Gewinne werden ja besteuert. Je nach Wirtschaftslage Sondersteuern für einzelne Branchen einzuführen, öffnet der Willkür und dem Populismus Tür und Tor», hatte Fuest der «Rheinischen Post» gesagt.

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner nannte die Inflation «die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Frieden» im Land: «Deshalb muss bei allen wichtigen Aufgaben ihre Bekämpfung Priorität haben», sagte Lindner der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). Um den Verlust an Kaufkraft bei den Menschen zu begrenzen, habe die Bundesregierung durch gezielte Entlastung bereits gehandelt.

Streit um Klimageld

Den Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein soziales Klimageld lehnt Lindner ab. Er könnte sich eine Steuerentlastung vorstellen. «Wir machen eine Lohn- und Einkommensteuerreform im nächsten Jahr, passen den steuerlichen Grundfreibetrag und den Steuertarif der Inflation an. Und wenn es nach mir geht, gibt es noch eine zusätzliche Entlastung für Bezieher von kleinen und mittlere Einkommen obendrauf.»

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hält weitere Hilfen für die Bürger für nötig. Der «Welt am Sonntag» sagte der Grünen-Politiker: «Mir macht die aktuelle Preisentwicklung bei Lebensmitteln aufgrund des Ukraine-Kriegs Sorgen.» Die Bundesregierung habe sofort Entlastungspakete geschnürt, um auf die Folgen des Krieges zu reagieren. «Und wenn es so weitergeht, dann kann ich Ihnen sagen: Nach dem Entlastungspaket ist vor dem Entlastungspaket.»

CDU-Chef Friedrich Merz warnte vor der Erwartung, dass der Staat alle Mehrkosten durch die Inflation kompensiert. «Nicht jede Kostenentwicklung kann durch die öffentlichen Kassen ausgeglichen werden», sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). «Wenn einkommensschwache Haushalte bestimmte Lasten nicht mehr tragen können, lässt sich das über direkte staatliche Hilfen abfedern.» Die Entlastungsvorschläge der Unionsfraktion lägen auf dem Tisch. Dazu zählten die Abschaffung der Kalten Progression, eine Energiepreispauschale auch für Rentner und Studierende und die Absenkung der Stromsteuer auf den EU-Mindeststeuersatz.

Die Landwirte gehen von weiter steigenden Lebensmittelpreisen aus. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung»: «Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.» Er verwies auf die gestiegenen Kosten auf Bauernhöfen für Sprit oder Dünger. Die Ausgaben schlügen erst jetzt richtig zu Buche. «Wir Bauern brauchen zwangsläufig höhere Preise, um überhaupt noch wirtschaften zu können. Ich gehe davon aus, dass die Preise im Supermarkt in nächster Zeit weiter steigen werden.»

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