SPD-Oppermann bei Hart aber Fair: "Wir haben keinen Plan B"

Oppermann bei “Hart aber Fair” am 26. Februar 2018 (Bild: ARD)
Oppermann bei “Hart aber Fair” am 26. Februar 2018 (Bild: ARD)

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mal wieder einen Coup gelandet. So sehen es zumindest viele politische Beobachter nach Vorstellung der neuen CDU-Ministerriege. Merkel habe die Regierung verjüngt und mit dem Konservativen Jens Spahn einen ihrer schärfsten innerparteilichen Gegner in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Am Montagabend diskutierte Frank Plasberg bei „Hart aber Fair” dann auch die Frage: „Merkels neue Mannschaft – sieht so Erneuerung aus?”

Im ARD-Studio traf sich jenes Personal, das immer eingeladen wird, wenn über die großen Fragen in der bundesdeutschen Politik gesprochen werden soll. Nur ein Gast fiel aus der Reihe: Thomas M. Stein. Der war mal Jurymitglied bei „Deutschland sucht den Superstar” und „Popstars” und leitete eine Plattenfirma. Leider erklärte Moderator Plasberg nicht, was Stein qualifiziert, sich zum Thema Regierungsbildung zu äußern. Schnell wurde allerdings klar, dass der Musikmanager die Stimme des einfachen Bürgers verkörpern sollte, der vom Berliner Postenpoker genervt ist. Diese Rolle spielte Stein ganz passabel. Doch nun zu den wirklich wichtigen Fragen:

Wer waren die Gäste?

Thomas Oppermann, Bundestagsvizepräsident und SPD-Mitglied
Paul Ziemiak, Vorsitzender der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union
Nicola Beer, FDP-Generalsekretärin
Markus Feldenkirchen, Journalist beim „Spiegel”.
Und eben jener Thomas M. Stein, der als Musikproduzent unter anderem die Girlgroup „Tic Tac Toe” („Ich find dich Scheiße”, „Verpiss dich”) und den Sänger Peter Maffay („Du”) förderte.

Über welche Themen wurde diskutiert?

Thema Nummer eins: Die neuen Minister der CDU

Dass Merkel Jens Spahn in die Regierung holt, ist clever. Tatsächlich dürfte es Spahn deutlich mehr Mühe machen, das komplexe Gesundheitssystem mit seinen unzähligen gesetzlichen und privaten Krankenkassen, den Ärzteverbänden, Pharmaunternehmen, Apothekern, Krankenhauskonzernen und Patientenwünschen zu reformieren, als etwa – sagen wir – ein Burkaverbot zu fordern.

So sah es auch „Spiegel”-Journalist Feldenkirchen: „Aus Merkels Sicht ist das ein machttaktisch genialer Schachzug.” Feldenkirchen verriet auch, Spahns angeblichen Plan, den die Kanzlerin nun durchkreuzt habe. Spahn und seine Freunde hätten in den letzten Wochen überlegt, im Herbst den Merkel-Vertrauten Volker Kauder von seinem Posten als Fraktionschef zu verdrängen oder gleich direkt gegen Merkel um den CDU-Vorsitz zu kandidieren. Beides sei nun obsolet, sagte Feldenkirchen.

Spahn-Freund Paul Ziemiak beteuerte gestern: Spahn werde Gesundheitsminister, weil er sich in diesem Bereich auskenne. Tatsächlich war Spahn mal gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Ziemiak, bislang ebenfalls Merkel-Kritiker, gab sich bei „Hart aber Fair” versöhnlich. „Das war ein starkes Zeichen heute”, sagte er.

Thema Nummer zwei: Die SPD-Mitgliederbefragung

Etwa 460.000 Sozialdemokraten stimmen ab, ob ihre Partei mit CDU/CSU erneut eine große Koalition bildet. Ihr Regierungspersonal möchte die SPD allerdings erst nach der Befragung bekanntgeben. Das sorgt für Kritik. SPD-Mann Oppermann begründete die Geheimniskrämerei so: „Es geht erste in erster Linie um Inhalte und wenn wir Personen nennen, treten Inhalte in den Hintergrund.” Nun ist es aber so, dass die programmatische Richtung von Politik auch immer stark von den einzelnen Personen abhängt, die das jeweilige Politikfeld repräsentieren.

Musikmann Stein empörte sich dann auch: „Da schüttelt es mich, weil ich nicht das Gefühl habe, dass sie respektvoll mit dem Wähler umgehen. Die Wähler müssen doch wissen, was auf sie zukommt.” Feldenkirchen fragte: „Warum redet ihr nicht einfach mal Klartext?” Doch Oppermann gab sich weiterhin zugeknöpft.

Wirklich interessant wurde es, als Plasberg fragte: „Was ist, wenn die SPD-Mitglieder gegen eine Groko stimmen?” Oppermann antwortete: „Darauf sind wir nicht vorbereitet, es gibt keinen Plan B.” Meint der Mann das ernst?

Oppermanns Antwort beinhaltet zwei Möglichkeiten: Entweder ist die älteste Partei Deutschlands eine Truppe von unglaublichen Dilettanten, der über Nacht alle Strategen abhanden gekommen sind, die – wie in jeder anderen Partei – vor schwer zu kalkulierenden Abstimmungen jede erdenkliche Variante durchspielen (sehr unwahrscheinlich) oder Oppermann will die SPD-Basis für dumm verkaufen. Motto: Entweder ihr stimmt für die Groko oder ihr seid verantwortlich für den größten sozialdemokratischen Schlamassel aller Zeiten. (nicht völlig unwahrscheinlich). Man könnte es auch noch schärfer formulieren: Oppermann erpresst die eigenen Anhänger, damit die aus Angst vor innerparteilichem Chaos für eine Regierung mit der Union votieren.

Was sonst noch geschah?

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer beklagte, dass das Thema Digitalisierung im Koalitionsvertrag zu kurz komme. „Stattdessen gibt es ein Heimatministerium”, kritisierte die Politikerin.

CDU-Mann Ziemiak spottete über die vielen Quoten in der Politik: “Frauen, Junge, Alte, Ossis, Migrationshintergrund. Es wird langsam eng mit den vielen Quoten.“

SPD-Urgestein Oppermann prophezeite, dass ein künftiger Gesundheitsminister Spahn vom sozialdemokratischen Gesundheitsexperten Karl Lauterbach kontrolliert würde. Es gehe Richtung Bürgerversicherung behauptete Oppermann.

„Spiegel”-Redakteur Feldenkirchen konstatierte eine inhaltliche Leere bei der SPD, worauf Oppermann der wunderschöne Satz einfiel: „In der Substanz haben wir einen programmatischen Kern.” Erinnert ein wenig an den Klassiker: Das Fundament ist die Grundlage jeder Basis.

Am Ende plädierte der Pop- und Politikexperte Thomas M. Stein für eine Minderheitsregierung. Ob es dazu kommt oder die SPD den Sprung in den Recall schafft und bei den Mottoshows mitmischen darf- in wenigen Tagen wissen wir das.