SPD-Vorstoß zur Wirtschaftspolitik spaltet Ampel-Koalition
Lob von den Grünen, Kritik von der FDP: Mit ihren wirtschaftspolitischen Vorschlägen hat die SPD bei ihren Koalitionspartnern gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte die Forderungen der SPD für den bevorstehenden Wahlkampf am Montag rundweg als "falsch", weil sie Menschen und Unternehmen weiter belasten würden. Grünen-Chef Omid Nouripour hingegen sah viel Übereinstimmung mit den Positionen seiner Partei. Die CDU wies die Vorstellungen der SPD zurück.
Djir-Sarai warnte davor, dass die SPD-Vorschläge den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter schwächen könnten. Er sagte: "Aus unserer Sicht ist es falsch, nur auf Verteilungspolitik zu setzen, die Schuldenbremse infrage zu stellen, auf Planwirtschaft zu setzen und auf noch mehr Belastungen für die Menschen und Betriebe in Deutschland zu setzen."
Die Grünen reagierten grundsätzlich positiv auf die SPD-Forderungen für den Bundestagswahlkampf. "Ich glaube, dass es viele gute Vorschläge sind", sagte der Grünen-Vorsitzende Nouripour den Sendern RTL und ntv. Er nannte konkret die Forderungen nach einer Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro sowie einer stärkeren Förderung der Elektromobilität.
Auch das SPD-Vorhaben, die meisten Bürgerinnen und Bürger bei der Steuer zu entlasten, Spitzenverdienende hingegen zu belasten, unterstützte Nouripour. Er äußerte sich allerdings skeptisch, was die Umsetzbarkeit dieser Anliegen in der aktuellen Ampel-Koalition angeht. Hier sei man "bisher in vielen dieser Fragen nicht zwingend vorangekommen", sagte der Grünen-Politiker. Dabei gehe es auch um die Frage, "wo das Geld herkommt".
Laut dem am Sonntag vom SPD-Vorstand beschlossenen Wirtschaftspapier soll die Einkommenssteuer für die Höchstverdiener - etwa ein Prozent der Bevölkerung - steigen, um 95 Prozent der Steuerzahler mit weniger Einkommen zu entlasten. FDP-Chef Christian Lindner hatte diese Entlastung am Sonntag begrüßt - allerdings "nicht auf Kosten von Fachkräften und Mittelstand". Er forderte eine Gegenfinanzierung "durch eine weitere Bürgergeldreform und die Unterbindung irregulärer Einwanderung in den Sozialstaat".
SPD-Chefin Saskia Esken lehnte Lindners Finanzierungsvorschlag am Montag ab. Die SPD wolle höhere Steuern für das am besten verdienende ein Prozent der Bevölkerung - und dies sei mit Lindner "wohl nicht zu machen", sagte sie.
Die CDU äußerte ähnliche Bedenken wie die FDP. "In dem Papier stehen Punkte drin, die den Mittelstand belasten", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in Berlin. "Gerade in der heutigen Situation dürfen wir nicht den Mittelstand belasten, sei es durch Bürokratie oder höhere Steuern."
Nach Angaben von Parteichefin Esken will die SPD mit dem Forderungskatalog ihr sozialpolitisches Profil im Wahlkampf schärfen. "Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung mit der Merz-CDU", sagte sie. "Das wird eine Richtungswahl." Von den Vorschlägen solle die Botschaft ausgehen: "Die SPD arbeitet an einem Aufschwung für alle und nicht nur für wenige."
Der scheidende Linken-Chef Martin Schirdewan warf der SPD vor, sich nur aus wahlkampftaktischem Kalkül nach links zu bewegen. Die SPD habe vor Bundestagswahlen "traditionell linke Monate", sagte Schirdewan. "Wir wissen, dass es nach der Bundestagswahl bei der SPD dann anders aussehen wird."
pw/hol