FOCUS Briefing - Bei Mützenich-Satz zu Scholz wird klar: In der SPD brennt jetzt wirklich die Hütte

Laut einer Umfrage will eine große Mehrheit der Bundesbürger, dass Kanzler Scholz (rechts) zugunsten seines Verteidigungsministers Pistorius (links) auf eine erneute Kanzlerkandidatur verzichtet. (Archivbild)<span class="copyright">Christian Charisius/dpa</span>
Laut einer Umfrage will eine große Mehrheit der Bundesbürger, dass Kanzler Scholz (rechts) zugunsten seines Verteidigungsministers Pistorius (links) auf eine erneute Kanzlerkandidatur verzichtet. (Archivbild)Christian Charisius/dpa

Wenn Sie mal hören, dass Kollegen Ihnen „demonstrativ den Rücken stärken“, sollten all Ihre Alarmglocken läuten. Gefährlich ist auch die Formulierung „Wir stehen voll hinter dir“. Entweder sollen Sie demnach für die anderen Deckung im Kugelhagel liefern. Oder man schubst Sie gleich über die Klippe. Olaf Scholz kann sich aktuell kaum noch retten vor Rücken stärken und Hinter-ihm-Stehen.

Niemand glaubt noch ernsthaft daran, dass man mit den charismatischen Fähigkeiten des Noch-Kanzlers die Wahl gewinnen kann. Als Königsmörder will aber auch niemand in die Partei-Annalen eingehen. Es ist ein bisschen wie die Spätphase Joe Bidens, wobei Scholz natürlich total fit ist. Nur ist er halt eher Kassengift als Menschenfänger. Nach seinem Auftritt bei „Caren Miosga“ mussten selbst letzte Scholz-Groupies erkennen: Es! Ist! Schwierig!

Zur Erinnerung: Nach dem Messer-Terror von Solingen hat SPD-Parteichefin Saskia Esken im Fernsehen erklärt, aus dem Blutbad könne man eigentlich nix lernen. Nach Riesenempörung musste sie sich korrigieren. Die SPD-Finanzministerin von Brandenburg, wo zu diesem Zeitpunkt Wahlkampf tobte, schlug mit Blick auf Esken ein TV-Auftrittsverbot vor. Scholz-Auftritte wurde in Brandenburg eh frühzeitig dankend abgelehnt. Die wussten früher als der Westen: Scholz kann's nicht. Aber wer dann?

Mützenich: Es geht ein „Grummeln“ durch die Basis

Das Unterhaltsame an der US-Politik war ja zuletzt: Als Biden schwächelte, wurde immerhin noch Kamala Harris mobilisiert. Die Kamala der deutschen Sozialdemokratie heißt Boris. Boris Pistorius. SPD-Verteidigungsminister. Kantiger Typ. Ehrliche Haut. Vor allem ist er mit Beliebtheitswerten gesegnet, an die nicht mal Barbara Schöneberger mit den beiden Panda-Babys aus dem Berliner Zoo im Arm rankäme. Letzte Ausfahrt also Pistorius?

Es gehe ein „Grummeln“ durch die Basis, gestand SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Und wenn der sowas sagt, brennt wirklich die Hütte. Der Thüringer Genosse Andreas Bausewein, bis vor kurzem Oberbürgermeister von Erfurt, grummelt geradezu aufreizend ehrlich: „Wir leben in einer Zeit, in der Personen Parteien ziehen.“ Wenn die SPD überleben wolle, „heißt unsere beste Chance Boris Pistorius“. Das sei natürlich keine Kritik am Kanzler, nur „nüchterne Abwägung“. Das Dilemma ist greifbar.

Pistorius gilt als rechts

Einerseits gilt Pistorius vielen Mitgliedern quasi als Rechter unter Linken und wird wegen seines Militärjobs misstrauisch beäugt. Andererseits zählen sie in der SPD-Fraktion längst durch, wer auf welchem Listenplatz am 23. Februar mit der Stimmungskanone Scholz zuerst vom Schlitten fallen könnte.

Entweder also in Treue fest mit Scholz untergehen oder sich ein bisschen illoyal am letzten Strohhalm Boris aus dem Elend ziehen. Ich stehe da voll hinter der SPD. Und Sie?