Spezialistin für Biodiversität erklärt - Wald schlägt Industrieanlage: Keiner bindet besser Kohlenstoff
Menschen in Industrienationen lieben technische Lösungen – wir Deutschen ganz besonders. Geld für technische Kohlenstoffbindung zusammen zu kriegen ist daher im Moment auch kein großes Problem. Das Techniklabor Natur hat aber laut Frauke Fischer einen ordentlichen Vorsprung.
Bäume gibt es seit etwa 400 Millionen Jahren. Im Vergleich zu technischer „Carbon-Sequestration“ (Kohlenstoffbindung) haben sie also eine viel längere Entwicklungszeit hinter sich - und das sollten wir nutzen, wenn wir dem Klimawandel paroli bieten wollen.
Etwa 73.000 Arten von Bäumen gibt es weltweit. Viele von ihnen stehen in Wäldern, die durch ihre Leistungen für uns Menschen beeindrucken. In den Wäldern der Welt sind 861 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Davon 42 Prozent in lebender Biomasse, 8 Prozent in Totholz, 5 Prozent in der Laubstreu. Die restlichen 44 Prozent befinden sich im obersten Meter Boden unter dem Wald. Im Jahr 2021 gab es weltweit 135 technische Anlagen zur Kohlenstoffbindung, die knapp 10.000 Tonnen Kohlenstoff gespeichert hatten. Die Prognose der Branche liegt bei einem möglichen Potenzial von 1,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die im Jahr 2050 technisch gebunden werden könnten.
Multitalent in Sachen Klimaschutz und Arbeitsmarkt
Wälder binden aber nicht nur Kohlenstoff, sie liefern noch so manchen „Co-Benefit“. So sind sie Luft-, Partikel- und Schadstofffilter (SO2, NO2, CO, Ozon), gigantische Wasserspeicher und -Verteiler, bereiten Trinkwasser auf und sind Lebensraum für 80 Prozent aller Amphibienarten, 75 Prozent aller Vogelarten, 68 Prozent aller Säugetierarten weltweit. Weitere Ökosystemleistungen sind die Bereitstellung von Bauholz, Medikamenten, Fasern, Lebensmitteln, die Erholungs- und Kühlfunktion und der Schutz von physischen Katastrophen (wie Erdrutschen, Überschwemmungen, Tsunamis…). Co-Benefits Technische Kohlenstoffbindung gibt es dagegen keine.
Wälder schaffen 86 Millionen Jobs weltweit. Etwa 1,6 Milliarden Menschen sind für ihren Lebensunterhalt sogar hauptsächlich von Wäldern abhängig, ohne dass sie einen bezahlten Job haben. Im Vergleich bringt es eine technische Anlage auf etwa 20 Jobs. In den im Jahr 2021 operativen Anlagen haben dementsprechend 270 Menschen Arbeit gefunden. Insgesamt sind im Moment einige Tausend Menschen beim Bau der Anlagen beschäftigt. Bis 2050 rechnet die Industrie mit 30.000 – 40.000 Jobs für den Bau der Anlagen und die Schaffung von 20.000 dauerhaften Arbeitsplätzen für ihren Betrieb.
Apropos Potenzial: Vermiedene Entwaldung bindet etwa eine Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr. Die Wiederaufforstung von 350 Millionen Hektar zu naturnahen Wäldern bis zum Jahr 2030 könnte einen Nettonutzen in Höhe von 170 Milliarden Dollar pro Jahr aus dem Schutz von Wassereinzugsgebieten, verbesserten Ernteerträgen und Forstprodukten sowie aus der Abschwächung des Klimawandels durch die Bindung von mehr als 5 Milliarden Tonnen CO pro Jahr bringen.
Das Potenzial der Technische Kohlenstoffbindung liegt bei einem möglichen Beitrag von bis zu 15 Prozent zu den globalen Emissionsreduzierungen bis zum Jahr 2050. In diesem Szenario muss die installierte Kapazität der Anlagen bis 2050 allerdings um das Hundertfache erhöht werden.
Wälder bieten preiswerten und effektiven Klimaschutz
Und was kostet das alles? Waldschutz und Renaturierung kosten sehr unterschiedlich. Wenn wir uns aber ansehen, was es kosten würde, nicht nur Wälder zu schützen, sondern alle Ziele der Konvention über die Biologische Vielfalt zu erreichen, wären dafür weniger als eine Billion Euro pro Jahr (etwa 0,8 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts) nötig.
Der Kapitalbedarf, um das Ziel der technische Kohlenstoffbindung im Jahr 2050 zu erreichen, läge zwischen 650 Milliarden und 1,3 Billionen US-Dollar, je nachdem, wie schnell die Kosten des Anlagenbaus sinken. Alleine eine ökonomische Betrachtung dieser Zahlen zeigt, wir sollten in Wälder investieren, denn keiner bindet besser (und billiger).