Spiegel-TV-Reportage: "In Deutschland undenkbar, in Bulgarien machbar."

Peter und Kitty Fromm auf ihrem Grundstück in Bulgarien – hier soll in einem Jahr spätestens ihr neues Wohnhaus stehen. Foto: Screenshot Spiegel TV
Peter und Kitty Fromm auf ihrem Grundstück in Bulgarien – hier soll in einem Jahr spätestens ihr neues Wohnhaus stehen. Foto: Screenshot Spiegel TV

Es sind traurige Geschichten, die in der Spiegel-TV-Reportage “Neue Heimat Bulgarien – Flucht vor der Altersarmut” erzählt werden – über Menschen, die sich mit ihrer Rente eine Wohnung in Deutschland oder Österreich nicht mehr leisten können. Viele suchen den Ausweg in Bulgarien. Das Land gehört zur EU, liegt am Schwarzen Meer und ist vor allem eins: billig.

Peter und Kitty Fromm sind über 80 Jahre alt. Ihr Vermieter hat nun Eigenbedarf für die Tochter mit Kind angemeldet. Sie müssen raus aus ihrer Wohnung in Breisach am Rhein. Umziehen im hohen Rentenalter, das ist nicht nur unschön, sondern auch sehr traurig. Denn die Fromms wollen nach Bulgarien ziehen – in eine betreute Wohnanlage mit Schwimmhalle und Speisesaal.

Eigentlich hat Peter Fromm während seiner Arbeit als Schiffsbauer gutes Geld verdient und viel davon angelegt. In Lehman Brothers Papieren. Alles futsch nach der großen Bankenkrise 2008. Jetzt sehen er und seine Frau die einzige Lösung für einen schönen Lebensabend in einer Auswanderung nach Bulgarien – wie 50.000 andere Deutsche, die schon dort leben. Denn was in Deutschland an Luxus mit wenig Geld undenkbar sei, sei in Bulgarien machbar, sagt der Sprecher.

Aus acht Monaten werden schnell sechs Jahre

Der Umzug ist natürlich höchst stressig für die beiden, der Abschied von Nachbarn und Freunden traurig. Als Zuschauer fragt man sich immer wieder: Ist das wirklich die einzige Lösung? Breisach am Rhein ist keine sehr teure Gegend von Deutschland, der Quadratmeter liegt bei etwas über sieben Euro. Wenn sich die Fromms hier keine Wohnung leisten können, dann wird es auch im Rest von Deutschland schwierig, das stimmt schon. Aber noch gibt es ein paar Fleckchen, die bezahlbarer sind, zum Beispiel im Osten Deutschlands in Chemnitz. Hier kostet der Quadratmeter nur um die fünf Euro. Chemnitz ist von Breisach über 600 Kilometer entfernt, aber Bulgarien etwa 2000. Chemnitz ist nicht die schönste Stadt Deutschlands, hat aber Infrastruktur, Gas, Wasser, Internet, Einkaufsläden, gleiche Sprache. Leider setzt die Reportage nicht im Entscheidungsprozess der Fromms ein, sondern erst zu einem Zeitpunkt, als sie bereits beschlossen haben: “Wir gehen!”

Gern hätte man ihnen andere Optionen aufgezeigt, die weniger Nerven kosten. Nun haben sie sich für das Wohnprojekt vom deutschen Unternehmer Ingo Holke entschieden. Der hat ein Stück Land in Bulgarien gekauft, seit zwei Jahren soll dort die Wohnanlage entstehen, bisher ist dort nichts als grüne Wiese und ein kleiner Rohbau. “In acht Monaten ist das hier alles fertig, maximal ein Jahr”, sagt er. Da können die befragten Bulgaren nur lachen. “Allein für das Haupthaus benötigt er fünf bis sechs Jahre”, sagen sie. Fünf bis sechs Jahre – eine Zeit, die die Fromms vielleicht nicht mehr haben. Und dann mit 90 nochmal umziehen? Das Projekt Bulgarien ist höchst problematisch.

Trotzdem packen die Fromms ihre Siebensachen und ziehen los. Ihr Geduldsfaden ist kurz, der Weg ist lang. Mit vielen Stunden Verspätung treffen sie in Bulgarien ein, ihr Übergangshaus liegt auf einem steilen Hügel. Der Spediteur sagt: “Viel Spaß, wenn Sie hier im Winter mit dem Pkw hochmüssen.” Dann geht Peter Fromm mit seiner Kitty zum Notar, lässt seine deutschen Unterlagen beglaubigen, später zum Ausländeramt. Es fehlen Papiere, wieder zurück zum Notar, wieder zum Ausländeramt. “Die Bürokratie ist hier sehr stark”, meint Peter Fromm.

Offenes Ende, großes Unheil?

Die Spiegel-TV-Reportage endet an einem Punkt, der offener nicht sein könnte. Die Fromms besuchen das Grundstück, auf dem in einem Jahr ihr Häusle stehen soll. Peter Fromm deutet auf die grüne Wiese und sagt zu seiner Frau: “Guck mal und hier kommt dein Schlafzimmer hin.” Es scheint, als wolle er seiner Kitty Mut machen – und sich selbst. Der Sprecher sagt: “Hoffentlich wird das kein Luftschloss.” Und Ende.

Gern hätte man erfahren, wie es mit den beiden weitergeht. Großes Unheil fürchtet man am bulgarischen Himmel aufziehen. Doch was weiter passiert ist, wird man wohl nie erfahren. Ein interessanter Beitrag, der aufmerksam macht auf ein wichtiges Thema in Deutschland. Eine Reportage, die ans Herz geht, aber ohne aufklärenden Anfang und erhellendes Ende ein wenig in der Luft hängen bleibt.