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Spiegel TV Reportage: Spatzen retten mit der Berliner Feuerwehr

Die Feuerwehr Neukölln verabschiedet ein altgedientes Truppenmitglied mit einem Ehrenspalier aus ausgerollten Wasserschläuchen. Foto: Screenshot / Sat.1
Die Feuerwehr Neukölln verabschiedet ein altgedientes Truppenmitglied mit einem Ehrenspalier aus ausgerollten Wasserschläuchen. Foto: Screenshot / Sat.1

Die Feuerwache Neukölln hat einem Kamerateam über Wochen exklusiven Zugang ermöglicht. Die entstandene Reportage zeigt eindrücklich das Spektrum der Aufgaben – pro Schicht fährt die Truppe ganze 27 Mal raus. Vom verletzten Spatzen bis zum brennenden Auto: Für die Retter unter Extrembedingungen ist alles dabei.

Einer der Feuerwehrmänner erklärt den Job so: “Wenn die Kacke am Dampfen ist, dann kommen wir. Und wir gehen auch erst wieder, wenn’s erledigt ist.” Na, dann – auf zum ersten Einsatz. Das Team wird angeführt von Matthias Bleeck, er ist der Brandoberinspektor der Feuerwache Neukölln und kommandiert 26 Feuerwehrmänner. Schrillt der Alarm durch seine Wache, der in Wirklichkeit sachte von einer Computerstimme – dazu höchst emotionslos – vorgetragen wird, muss das Einsatzteam in 90 Sekunden im Fahrzeug sitzen.

Gewusst? Der Freiwilligen Feuerwehr fehlen immer mehr Fahrer

Ein Verkehrsunfall auf der Sonnenallee, mitten im Kiez, eröffnet die Schicht. Ein Motorrad ist auf einen PKW geprallt, die Situation vor Ort – unübersichtlich. Bleeck scheucht die Schaulustigen weg. Denn zusätzlich zur ersten Hilfe, der Rettungswagen ist noch nicht vor Ort, müssen sich die Feuerwehrmänner der Gaffer erwehren. Da gibt es überhaupt kein “Schamgefühl” mehr oder “Distanz” – die Menschentraube drängt sich um den Unfallort, Handykameras im Anschlag.

Schranke verschlossen, Fahrstuhl kaputt, achter Stock

Weil das nicht schlimm genug ist, drängeln noch Verkehrsteilnehmer auf die Kreuzung, also muss Bleeck den Verkehr ordnen. Doch schon bleibt der Krankenwagen stecken – und eine Ahnung steigt hoch, was mit dem Untertitel der Reportage “Retter unter Extrembedingungen” gemeint sein könnte. “Da hätten auch abgetrennte Arme liegen können und der Vater mit seinen beiden Kindern spaziert hier munter dreimal drüber”, sagt einer aus dem Team.

Der nächste Einsatz wird sportlich, ungewollt. Denn auf dem Grundstück eines Wohnblocks, der Notruf kam von einer Patientin mit Atemnot, bleibt die Schranke zur Feuerwehreinfahrt unerbittlich unten. Jemand hat ein Vorhängeschloss angebracht. Also den großen und schweren Rollstuhl bis zur Haustür schieben, um dann aus der Gegensprechanlage zu hören: Achter Stock – Fahrstuhl defekt. Also laufen. Und tragen. Bis zur Patientin brauchen die Retter letztlich 18 Minuten, bis sie die Patientin mit Sauerstoff behandeln, sie transportfähig gemacht und wieder in den Krankenwagen getragen haben: 46 Minuten. “Wenn jemand im Sterben liegt, geht es um Sekunden” – schüttelt ein Feuerwehrmann den Kopf.

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Weiter geht die Schicht – dieses Mal tatsächlich ein Feuer, ein Auto brennt in einer dunklen Gasse. Weniger als zwei Prozent aller Einsätze haben noch etwas mit Löschen zu tun. Für den “Erstangriff” stehen 1.200 Liter Wasser und Schaum aus dem Löschmitteltank des Feuerwehrwagens zur Verfügung. Die ersten Feuerwehrmänner stürmen bei Ankunft, Maske im Gesicht, direkt zum Brand, schützen nebenstehende Fahrzeuge davor, dass die Flammen übergreifen.

Von Spatzen und Hunden – Bagatelle oder Notruf?

Währenddessen suchen die Kollegen vom “Wassertrupp” einen Hydranten, um die Wasserversorgung aufzubauen. Der Maschinist meldet sich: “Halber Wassertank weg.” Da findet der Wassertrupp den Eisendeckel, schraubt das Standrohr rein und das Kommando gellt: “Hydrant-Wasser marsch!” Ab jetzt gibt es unbegrenztes Wasser. Es dauert überraschend lange, bis alle “Glutnester”, wo sich das Feuer besonders hartnäckig hält, gefunden sind. Mit einer Wärmebildkamera gehen die Feuerwehrmänner auf Nummer sicher.

Die nächsten beiden Einsätze zeigen, wieso die Feuerwehr ausrücken muss, denn erst vor Ort unterscheidet sich die Bagatelle vom Notruf – übrigens muss die Truppe in acht Minuten beim Einsatzort sein, so steht es im Vertrag mit der Stadt. Um 1.30 Uhr in der Nacht lautet also der Alarm: Verletzter Wildvogel. Zwei Studenten sitzen am Spreeufer und fragen sich, wieso der Spatz neben ihnen auf der Steintreppe nicht wegfliegen mag. Und ein ganzer Feuerwehrtrupp fragt sich: Wohin mit dem Piepmatz?

Letzte Ehre für den Kameraden

Der zweite Einsatz lautet: Tierbiss. Ein Kind wurde in einer Kleingartenanlage vom Nachbarhund angefallen. Der Sechsjährige hat Bisswunden im Gesicht, um das Auge verteilt. Doch er hat Glück, er wird keine bleibenden Schäden davontragen. Jetzt steht er aber unter Schock, eigens für solche Momente ist der Rettungswagen mit Kuschel-Teddybären ausgestattet – Erste Hilfe mal anders gedacht.

Und so geht die Schicht zu Ende – mit einem Highlight. Ein Teammitglied wird verabschiedet, mit allen Ehren. Der Koch der Truppe, nach 33 Einsatzjahren, wird mit einem Oldtimer-Feuerwehrwagen von zuhause zum letzten Dienst gefahren. Ein roter Teppich aus Löschschläuchen, ein Festkomitee, eine Ehrenformation, ein Spalier aus Suppenlöffeln und Rührbesen. Die Notrufe werden eigens auf die umliegenden Stationen umgeleitet.

“Was wir hier zusammen erleben?” wird einer der Feuerwehrmänner gefragt. “Alles.”

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