Spitze der Grünen Jugend will Partei verlassen
Berlin (dpa) - Es ist ein beispielloser Schritt: Aus Protest gegen den Kurs der Grünen will der Bundesvorstand der Grünen Jugend geschlossen aus der Partei austreten und einen neuen linken Jugendverband gründen. Das geht aus einem Brief an die Partei- und Fraktionsführung hervor, den die Vorsitzenden Svenja Appuhn und Katharina Stolla zusammen mit den acht anderen Vorstandsmitgliedern unterzeichnet haben. Darin heißt es, die Entscheidung sei bereits vor der Bekanntgabe des Rücktritts des Parteivorstands getroffen worden.
«Wir merken, dass unsere inhaltlichen, aber auch strategischen Vorstellungen von Politik immer weiter auseinander gehen - und glauben, dass es mittelfristig keine Mehrheiten in der Partei für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt», heißt es in dem Schreiben, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Auf Dauer sei es nicht möglich, Teil einer Partei zu sein und gleichzeitig für eine grundsätzlich andere Politik zu werben als sie die eigene Partei umsetze.
Neuer «dezidiert linker» Jugendverband geplant
Der Vorstand werde seine Amtsgeschäfte bis zum Bundeskongress der Grünen Jugend vom 18. bis 20. Oktober in Leipzig gewissenhaft zu Ende führen, die Wahl des neuen Bundesvorstands ermöglichen und danach auch aus der Grünen Jugend austreten. «Wir werden uns danach aufmachen, einen neuen, dezidiert linken Jugendverband zu gründen», kündigten die zehn Vorstandsmitglieder an.
Erst am Mittwoch hatte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für Mitte November angekündigt. Dann soll auf dem Bundesparteitag in Wiesbaden ein neuer Vorstand gewählt werden, der die Grünen in den Bundestagswahlkampf führen soll. Die Parteispitze zieht damit die Konsequenz aus den Misserfolgen der Grünen bei den jüngsten Wahlen. «Es braucht einen Neustart», sagte Nouripour in Berlin.
Habeck sieht Entscheidung über Kanzlerkandidatur bei Parteitag
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geht davon aus, dass auf dem Parteitag auch die Entscheidung über eine Kanzlerkandidatur fällt. Wenn es nach ihm gehe, werde man dort eine sehr ehrliche Debatte darüber führen, «wer wir sein wollen, was wir in den Regierungsjahren gemacht haben, was wir geleistet haben und welche Personen - und ob ich eine der Personen sein kann, die diese Partei dann in den nächsten Jahren nach vorne führt», sagte Habeck am Abend im ZDF.
Der Parteitag in Wiesbaden werde kein «Show-Parteitag». Es werde eine ehrliche Aussprache und ehrliche Debatte geben, sagte Habeck. «Das ist alles jetzt auf dem Tisch. Wir reden jetzt darüber, wie die Partei diese Chance, die uns Ricarda Lang und Omid Nouripour geschenkt haben, am besten nutzt.» Am Ende gelte: «Jeder Kandidat, auch ich, wenn ich Kanzler- oder Spitzenkandidat werden sollte, muss sich einer geheimen Abstimmung stellen, so dass wir ein ehrliches Votum bekommen.»
Baerbock: Habeck ist «auf jeden Fall» der Richtige
Habeck hatte bisher zwar Interesse an einer Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl im September 2025 erkennen lassen, sich aber öffentlich nicht eindeutig festgelegt. Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich am Abend für ihn als Kanzlerkandidaten aus. Auf die Frage, ob Habeck der Richtige für die Rolle sei, antwortete sie in der ARD-Sendung «Maischberger»: «Auf jeden Fall.» Es gehe um Vertrauen und Verlässlichkeit. Habeck habe als Wirtschaftsminister «in einer der schwierigsten Zeiten» deutlich gemacht, dass er das Land in der Krise führen konnte.
Bei der Bundestagswahl 2021 war Baerbock selbst als Kanzlerkandidatin angetreten, die Grünen erreichten damals 14,8 Prozent der Stimmen und zogen in die Bundesregierung ein. Für die Bundestagswahl 2025 hat Baerbock eine neuerliche Kandidatur ausgeschlossen.