Bayerische Opposition macht in Flugblattaffäre um Aiwanger weiter Druck

In der Affäre um Landeswirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält die bayerische Opposition den Druck auf Regierungschef Markus Söder (CSU) aufrecht. FDP-Fraktionschef Martin Hagen bot seine Partei der CSU als Koalitionspartner an. (CHRISTOF STACHE)
In der Affäre um Landeswirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält die bayerische Opposition den Druck auf Regierungschef Markus Söder (CSU) aufrecht. FDP-Fraktionschef Martin Hagen bot seine Partei der CSU als Koalitionspartner an. (CHRISTOF STACHE)

In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus der Schulzeit von Landeswirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält die bayerische Opposition wenige Wochen vor der Landtagswahl den Druck auf Regierungschef Markus Söder (CSU) aufrecht. FDP-Fraktionschef Martin Hagen bot seine Partei am Mittwoch als Koalitionspartner an, während die Grünen Aiwangers Rücktritt forderten. Aiwanger bekräftigte am Mittwoch, er sei "Demokrat" und "kein Antisemit".

"Wenn Markus Söder noch bundespolitische Ambitionen hat, kann er sich keinen Stellvertreter leisten, der braune Flecken in seiner Vita hat und einen ehrlichen, selbstkritischen Umgang damit verweigert", sagte Hagen der Mediengruppe Bayern. "Die CSU wird einen neuen Partner brauchen." Vor diesem Hintergrund sei "ein bürgerliches schwarz-gelbes Bündnis" für Bayern seiner Meinung nach "das Beste", fügte der FDP-Fraktionschef an.

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze erneuerte ihre Kritik am Umgang Söders mit der Affäre und sprach sich für Aiwangers Rücktritt aus. "Hubert Aiwanger ist nicht mehr tragbar", sagte sie den Sendern RTL und ntv. "Ich finde, Markus Söder duckt sich da weg." Die Affäre schade dem Ansehen Bayerns.

Aiwanger stand laut "Süddeutscher Zeitung" in seiner Schulzeit in den 80er Jahren im Verdacht, ein antisemitisches Flugblatt verfasst und verteilt zu haben. Exemplare sollen in seinem Schulranzen gefunden worden sein. Der Parteichef der Freien Wähler erklärte am Wochenende, nicht dessen Urheber gewesen zu sein. Parallel übernahm sein Bruder dafür die Verantwortung.

Söder übergab  Aiwanger bei einer Krisensitzung des Koalitionsausschusses von CSU und Freien Wählern am Dienstag nach eigenen Angaben einen Katalog von 25 Fragen zu dem Flugblatt, die dieser schriftlich beantworten soll. Zugleich hielt er vorerst weiter an seinem Vizeregierungschef fest. Eine Entlassung Aiwangers wäre nach jetzigem Sachstand ein "Übermaß", sagte er.

Der Regierungschef und CSU-Vorsitzende machte zugleich deutlich, dass dies "kein Freispruch" sei und er noch "viele" offene Fragen sehe, die Aiwanger nun vollständig aufklären müsse. Eine Frist nannte Söder aber nicht. Die Opposition warf dem Ministerpräsidenten bereits am Dienstag Schwäche vor und forderte Konsequenzen. SPD, Grüne und FDP beantragten gemeinsam eine Sondersitzung des bayerischen Landtags, in der sich Aiwanger erklären soll.

Aiwanger selbst wies Vorwürfe des Rechtsextremismus und Antisemitismus am Mittwoch zurück. Für "die letzten Jahrzehnte" könne er diesbezüglich "alle Hände ins Feuer legen", sagte er in Donauwörth vor Journalisten mit Blick auf die Berichte zu dem Flugblatt. Er sei "kein Antisemit, kein Extremist".

Was "in Jugendzeiten hier diskutiert wird, wundert mich etwas", fügte der Landes- und Bundeschef der Freien Wähler hinzu. "Aber es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann." Es sei korrekt, dass in seiner Schulzeit eine oder einige wenige "Blätter" in seiner Schultasche gefunden worden seien. Über andere Berichte müsse er jedoch "teilweise den Kopf schütteln".

Zu neuen Berichten, wonach er zu Schulzeiten den verbotenen Hitlergruß im Klassenzimmer gezeigt haben soll, sagte Aiwanger in Donauwörth, dies sei ihm "nicht erinnerlich". Weiter betonte er dort am Rande des Besuchs einer Veranstaltung, er wolle sich nun auf den Landtagswahlkampf konzentrieren. Von "den Menschen" erhalte er dabei überwiegend die Rückmeldung, dass es sich um eine "Schmutzkampagne" handle und er damit "zerstört" werden solle.

In Bayern wird in fünfeinhalb Wochen ein neuer Landtag gewählt. Die CSU regiert derzeit gemeinsam mit den Freien Wählern. Söder will die Koalition nach eigenen Angaben trotz der Affäre fortsetzen. Die Zusammenarbeit laufe "gut", sagte er am Dienstag. Zugleich deutete er an, dass dies auch ohne Aiwanger denkbar sei. Koalitionen hingen "nicht an einer einzigen Person".

Aus der Bundespolitik kamen erneut Forderungen nach einer Aufklärung. Die Vorwürfe seien "sehr bedrückend", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch zum Abschluss der Kabinettsklausur in Meseberg. Es dürfe dabei "nichts vertuscht und verwischt" werden. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bezeichnete den Umgang Aiwangers mit den Berichten als "unaufrichtig".

bro/cfm