Regierung will Wirtschaft steuerlich stärker entlasten als zuvor geplant
Die Bundesregierung will die Wirtschaft steuerlich stärker entlasten als bislang geplant. Das geht aus einem Zehn-Punkte-Papier zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland hervor, das auf der Kabinettsklausur am Dienstag in Meseberg beschlossen wurde. Ein wesentlicher Punkt ist das geplante Wachstumschancengesetz, dessen jährliches Entlastungsvolumen auf 7,035 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2028 aufgestockt werden soll.
Die beschlossenen Maßnahmen sollten "das Wachstum in Deutschland voranbringen, damit wir die Chancen, die wir haben, auch nutzen können", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, die Konjunktur müsse "jetzt möglichst kurzfristig angeheizt werden, weil das Umfeld anspruchsvoll ist". Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) fügte hinzu: "Wir nehmen ernst, dass Deutschland weniger dynamisch wächst als andere."
Ursprünglich war das Entlastungsvolumen des Wachstumschancengesetzes aus Lindners Haus mit rund 6,6 Milliarden Euro beziffert worden. Der Gesetzentwurf soll am Mittwoch in Meseberg formell vom Kabinett beschlossen werden.
Die steuerliche Anrechnung von Verlusten wird dem Papier zufolge noch einmal leicht ausgeweitet. So sollen künftig nicht mehr 60, sondern 80 Prozent der Verluste innerhalb von vier Jahren steuerlich absetzbar sein. Dies sei "in der Wirkung eine direkte Steuersatzsenkung für bestimmte Betriebe", sagte Lindner.
Neu in das Gesetz aufgenommen wurde zudem die befristete Einführung einer degressiven Abschreibung für Wohngebäude. Sie soll für Gebäude gelten, mit deren Bau nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird. Das Gesetz enthält noch zahlreiche weitere Entlastungen im Unternehmensbereich, darunter eine Investitionsprämie "zur Beförderung der Transformation der Wirtschaft in Richtung von insbesondere mehr Klimaschutz".
Ursprünglich war der Kabinettsbeschluss zum Wachstumschancengesetz bereits vor zwei Wochen geplant gewesen. Damals hatte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wegen des Streits mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) über die Finanzierung der Kindergrundsicherung Einspruch eingelegt. Die zweiwöchige Verzögerung sei genutzt worden, um das Gesetz "durch unterschiedliche Justierungen" noch besser zu machen, sagte Lindner nun in Meseberg.
Vizekanzler Habeck verwies darauf, dass die schlechte wirtschaftliche Lage ein Eingreifen der Politik erforderlich mache. Die Lage sei so, "dass man nicht sagen kann: Wirtschaft macht Wirtschaft, und die Politik hält sich raus", sagte Habeck. Mit dem Wachstumspaket sollten "die Signale gesetzt werden, dass es sich lohnt, in diesem Land zu investieren".
Finanzminister Lindner zeigte sich überzeugt, dass Deutschland rasch aus der Flaute komme. "Es gibt in diesem Land ein enormes Turn-around-Potential", sagte er - also ein Potenzial zur Umkehr.
"Eine grundlegende Modernisierung ist der beste Weg, Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich stärker und resilienter zu machen", heißt es in dem Zehn-Punkte-Papier. Neben dem Wachstumschancengesetz wird darin auch auf das bereits beschlossene Zukunftsfinanzierungsgesetz verwiesen, das Bedingungen für Investitionen und Unternehmensgründungen verbessern soll.
Weitere Punkte betreffen den Einsatz des Klima- und Transformationsfonds (KTF) zur Finanzierung des ökologischen Umbaus der Wirtschaft sowie von Gebäudesanierung und klimaneutraler Mobilität, die auf den Weg gebrachte Beschleunigung von Planungsverfahren, Bürokratieabbau und die Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung.
"Insbesondere um die Strompreise schnell zu senken, ist es zentral, die Stromproduktion vor allem aus Sonne und Wind zu beschleunigen und die nötigen Stromleitungen zu verlegen", heißt es in dem Text. Hinzu komme der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.
Zur Debatte um einen Industriestrompreis heißt es, an einer konsistenten Strategie auch für bezahlbare Strompreise werde noch gearbeitet. "Klar ist, dass eine Dauersubvention keine Lösung ist", wird weiter betont.
Angesprochen werden in dem Papier auch die Digitalisierung, Maßnahmen gegen den Mangel an Fach- und Arbeitskräften und die Stärkung der auch beruflichen Bildung. Zudem geht es um eine Handelsagenda der Regierung und die Sicherung der Rohstoffversorgung.
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