Zwei Wunder machten Manchester City groß
Selten stand so viel auf dem Spiel wie diesen Sonntag, wenn es im Manchester zum Derby kommt. United, unter Trainer Ralf Rangnick auf Platz vier geklettert, hat Arsenal, West Ham und Tottenham im Nacken und braucht unbedingt einen Sieg im Kampf um die Champions-League-Plätze. Tabellenführer City wiederum spürt plötzlich den heißen Atem vom FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp.
Bedeutend ist das Derby, von dem Maradona sagte, es sei „größer und wichtiger“ als El Classico in Spanien, aber aus ganz anderen Gründen. Und das hat mit Emporkömmlingen, Tradition, Hass, Neid und Milliarden von Euro zu tun.
Für United-Fans ist es schon eine einzige Demütigung, überhaupt zum zwei Kilometer entfernten Etihad-Stadion fahren zu müssen. Und dort auch noch als Außenseiter zu gelten. Denn es war doch mal alles anders. Und City so lächerlich. (DATEN: Die Tabelle der Premier League)
Als Manchester City eine Lachnummer war
Ein Jahrhundert lang herrschte United unumstritten in der Stadt. Und ManCity: war eine einzige Lachnummer. Oder, wie es Trainerlegende Alex Ferguson ausdrückte: nichts weiter als ein „noisy neighbor“, ein lästiger, lauter Nachbar.
Bis 2008 hatte City sogar eine Art HSV-Image: Man sorgte stets für Gelächter. Aber eben nicht ein paar Jährchen lang wie der Zweitligist aus Hamburg, nein: jahrzehntelang. Die Citizens, die im 21. Jahrhundert nur zwei mal englischer Meister und dafür siebenmal Zweitliga-Meister wurden, standen für stümperhafte Niederlagen und kuriose Rückschläge.
Beispiele gefällig? 1938 stieg die Mannschaft nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft sofort wieder ab - und das, obwohl sie in der Saison mehr Tore (80) geschossen hatte als alle anderen 21 Teams. ManCity war auch die einzige Mannschaft, die es je schaffte, in einer Saison 104 Tore zu schießen und – jetzt kommt‘s: gleichzeitig 100 Gegentore zu kassieren. Klingt unglaublich, passierte aber 1957/58. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Premier League)
In den 80er Jahren stieg City zweimal aus der ersten Liga ab. Stets kommentierte man in England jede Art von neuer Blamage mit dem Spruch: „Typisch City“. Und während United Ende 90er Jahre zur Weltmacht des Fußballs aufstieg, wurde City Fahrstuhlmannschaft.
Und das war‘s nicht, es ging immer weiter bergab. 1998 stieg man als erstes britisches Team der Geschichte, das einen Europapokal im Regal stehen hatte (1970, unter anderem nach einem Halbfinalerfolg über Schalke 04), in die dritte Liga ab. Typisch City eben.
Stadion und Scheich als Wendepunkte
Aber dann geschahen zwei Wunder.
Das erste: Die Stadt Manchester holte die Commonwealth-Spiele 2002 und baute dafür (mit Steuergeldern) ein nagelneues Stadion. Weil United schon Old Trafford hatte, bekam 2003 City den Zuschlag zur weiteren Nutzung für lächerliche 20 Millionen Pfund – plus: einen 250-Jahr-Mietvertrag. Ein echter Glücksfall, wenn man bedenkt, wie man sich als Traditionsklub (siehe TSV 1860 München/Allianz-Arena) an einem Neubau verheben kann.
ManCity hatte jetzt also ein eigenes Stadion, und 2008 passierte das zweite Wunder: Der Scheich kam.
Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan gab 200 Millionen Pfund, um einen Klub zu erwerben, über den alle lachten, der finanziell am Ende war und ständig Kredite aufnehmen musste – City-Manager Gary Cook formulierte den Zustand des Klubs damals lapidar: „Ein finanzielles schwarzes Loch.“
Scheich Mansour war das egal, er brauchte gute PR für die Emirate und steckte bis heute einen zehnstelligen (!) Betrag für Spieler in den Klub. Also doch ein bisschen mehr als der Hamburger „Scheich“ Klaus-Michael Kühne – und auch mit mehr Erfolg.
Einer der ersten Neuzugänge in der neuen Zeitrechnung des Emporkömmlings Manchester City war lustigerweise Vincent Kompany – er kam 2008 vom HSV. Der Belgier ist nicht der Erste, der erst NACH seiner Zeit in Hamburg aufblühte. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Premier League)
Zwei Fakten sprechen gegen Manchester City
Der Rest ist bekannt – 13 Titel gewann City in den vergangenen elf Jahren.
Deshalb ist die Mannschaft um Trainer Pep Guardiola mit ihren Superstars De Bruyne, Gündogan, Sterling & Co. haushoher Favorit gegen Rangnicks United, das immerhin Spieler wie Ronaldo, Fernandes, Pogba und Sancho aufbieten kann, aber diese Saison unter Rangnick-Vorgänger Ole Gunnar Solskjaer einen kapitalen Fehlstart hinlegte.
Zwei Statistiken sprechen immerhin gegen die Citizens – sie entschieden nur 30 Prozent aller Derbys für sich: 56 Siege und 77 Niederlagen gab‘s in 186 Spielen. Und einen zweiten Europacup nach 1970 hat man bis heute nicht gewonnen. Scheich hin, Milliarden her.
An irgendetwas müssen sich die United-Fans ja im Falle einer Niederlage am Sonntag festhalten können.