Als Deutschland seinen Jahrhundertreiter verlor
Er hatte es noch mal wissen wollen. Mit über 60 Jahren, aber einem klaren Ziel vor Augen. Noch mal zu Olympia, noch mal einen letzten großen Moment bei dem Ereignis, das er wie kein anderer deutscher Sportler für sich eingenommen hatte.
Es sollte nicht sein - aus tragischen Gründen: Am 17. August 1999, heute vor 25 Jahren, starb Dr. Reiner Klimke, der damals noch erfolgreichste deutsche Olympionike, nach einem Herzinfarkt.
Das Vermächtnis des fünfmaligen Gold-Gewinners und über Jahrzehnte größten deutschen Dressurreiters prägt seinen Sport bis heute.
„Wenn Sie dem Pferd verfallen sind ...“
„Wenn Sie dem Pferd verfallen sind, dann sind Sie‘s“, fasste der am 14. August 1936 in Münster geborene Klimke das Thema seines Lebens einst zusammen.
Mit zwölf Jahren begann der Arztsohn an der Westfälischen Reit- und Fahrschule, den Pferdesport zu lernen, und entwickelte sich zum Turnierreiter, zunächst in der Vielseitigkeit, damals noch Military genannt.
Klimke wurde 1959 mit Fortunat Europameister und nahm im Jahr darauf an seinen ersten Olympischen Spielen in Rom teil. Die ganz große Karriere begann, als der Jurist zur Dressur wechselte.
Reiner Klimke: Sechs Goldmedaillen zwischen 1964 und 1988
1964 in Tokio holte Klimke auf Dux erstmals Gold mit der Mannschaft - unter seinen Teamkollegen: Josef Neckermann, im Hauptberuf mit dem nach ihm benannten Versandhandel einer der erfolgreichsten Unternehmer der Nachkriegszeit (und historisch belastet, weil er zur NS-Zeit von der Enteignung jüdischer Unternehmer und Zwangsarbeit profitierte).
Vier Jahre später folgte für Klimke Bronze im Einzel und ein weiteres Mannschaftsgold mit Neckermann und Liselott Linsenhoff, die eineinhalb Wochen vor Klimke starb.
Unterbrochen wurde Klimkes Erfolgsserie dann ausgerechnet beim Heimspiel 1972 in München, bei dem er nicht eingesetzt wurde. 1976 holte Klimke auf Mehmed dann wieder Einzel-Bronze und Mannschafts-Gold, diesmal mit Harry Boldt und der in diesem Jahr verstorbenen Gabriela Grillo.
1984 in Los Angeles: Ahlerichs großer Ritt
1984 in Los Angeles feierte Klimke auf seinem erfolgreichsten Pferd Ahlerich dann seinen größten Triumph.
Der Westfalen-Wallach, neun Jahre zuvor für den stolzen Preis von 42.000 D-Mark ersteigert, trug Klimke diesmal nicht nur zu Team, sondern auch zu Einzel-Gold.
Im Santa Anita Park vor der Bergkulisse der San Gabriel Mountains legte Ahlerich den Ritt seines Lebens hin. „Man kann zwar mit Pferden nicht sprechen, aber ich bilde mir ein: an diesem Tag wusste Ahlerich, worum es ging“, notierte Klimke später.
Vier Jahre später in Seoul, wo Klimke deutscher Fahnenträger war, rundete ein weiteres Mannschaftsgold Klimkes Rekord-Bilanz ab. Und im Hintergrund leistete der alternde Grandseigneur auch einen entscheidenden Beitrag dazu, einen weiteren deutschen Reitsport-Mythos zu schaffen.
Klimke verhinderte Eklat um Rembrandt-Reiterin Uphoff
Hinter den Kulissen drohte vor Beginn der Wettkämpfe ein Eklat um Klimkes Teamkollegin Nicole Uphoff zu eskalieren.
Uphoff stritt sich mit Teamkollegen und Funktionären über die Trainingsmethoden mit Pferd Rembrandt und wurde dann auch noch von einem hochrangigen Verbandsvorstand für ihr Outfit kritisiert. Uphoff war kurz davor, frustriert abzureisen, als Klimke sie überredete, zu bleiben, und versprach, ihr den Rücken freizuhalten.
Die Episode - von ARD-Kommentator Carsten Sostmeier in einem Blogartikel niedergeschrieben - bewahrte Uphoff davor hinzuwerfen. Sie ritt mit Legende Rembrandt zu Gold im Team und im Einzel.
Tochter Ingrid Klimke holte ebenfalls zweimal Olympia-Gold
Nach dem letzten Höhepunkt seiner Reitkarriere - in der Klimke auch elf EM- und sechs WM-Titel holte - ging Klimke in die Politik. Zwischen 1990 und 1995 saß er für die CDU im nordrhein-westfälischen Landtag, war stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses. Karrieren im IOC und beim Reit-Verband DRV wurden Klimke verbaut - er sei vielen zu unbequem gewesen, hieß es.
Der mit vielen Ehrentiteln dekorierte Klimke war lange der erfolgreichste deutsche Sportler, bis Kanutin Birgit Fischer ihn mit insgesamt acht Goldmedaillen überholte. In Paris zog Isabell Werth gleich, die Dressur-Ikone der Generation nach Klimke.
Das Erbe des Jahrhundert-Reiters - der für Sydney 2000 nochmal ein Comeback geplant hatte - wird auch von der Familie gepflegt: Sohn Michael wurde ebenfalls Dressurreiter, Tochter Ingrid Klimke holte 2008 und 2012 zweimal Olympia-Mannschaftsgold in der Vielseitigkeit.
Vater Reiner Klimke, der 63 Jahre alt wurde, liegt beerdigt auf dem Zentralfriedhof seiner Heimat Münster.