Hoeneß? "Sorry, wenn ich widerspreche"
Mehr als zweieinhalb Jahre nach seiner Burn-out-Erkrankung fühlt sich Sportvorstand Max Eberl vom FC Bayern trotz der Rückkehr ins Fußball-Geschäft zu sich selbst gekommen. „Fußball ist mir immer noch sehr wichtig, aber nicht mehr wichtiger als meine Gesundheit und mein privater und seelischer Frieden. In gewisser Weise habe ich ein neues Leben geschenkt bekommen“, sagte Eberl bei 11Freunde (Dienstag-Ausgabe): „Ich lebe heute viel mehr im Moment, bin ganz bei mir, bin einfach: ich. Das habe ich 40 Jahre vorher so nie empfunden.“
„Ich denke, das Zitat ‚Ich maloche, bis es nicht mehr geht‘ passt immer noch, aber heute weiß ich besser, wann der Punkt erreicht ist, an dem man auch mal auf sich achten sollte und muss“, so Eberl weiter. „Dieses Frühwarnsystem gab es bei mir lange nicht. Ich habe seit meinem sechsten Lebensjahr alles auf den Fußball ausgerichtet. War pausenlos durchgetaktet, habe nebenbei die Schule und später ein Studium absolviert. Und darüber irgendwann vergessen, auf mich und meine Gesundheit zu achten.“
Der 51-Jährige war Anfang 2022 bei Münchens Ligakonkurrent Borussia Mönchengladbach nach insgesamt 23 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Rheinländer wegen psychischer Erschöpfung als Sportdirektor zurückgetreten.
„Wer das behauptet, hat keine Ahnung oder lügt!“
Nachdem Eberl dabei sein starkes Bedürfnis nach striktem Abstand zum Fußball offenbart hatte, war sein nur wenige Monate später erfolgtes Comeback mit ähnlichen Aufgaben beim umstrittenen Erstligisten RB Leipzig durchaus auch von kritischen Stimmen begleitet. Im Herbst 2023 trennten sich die Sachsen von dem Ex-Profi, ehe Eberl im vergangenen Herbst bei Rekordmeister München den vakanten Posten des Sportvorstands übernahm.
Den immer wiederkehrenden Vorwurf einer vorsätzlichen Täuschung der Öffentlichkeit bei seinem Abgang in Gladbach weist Eberl weiterhin nachdrücklich zurück. „Wer das behauptet, hat keine Ahnung oder lügt!“
Besondere Verbindung zu Hoeneß
Eberl betonte bei der Bewältigung seiner Erkrankung auch die Wichtigkeit seiner Verbindung zu Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß: „Uli und ich haben seit Langem eine besondere Verbindung. Er ist für mich nicht nur als Manager ein Vorbild, sondern auch eine Art Mentor. Schon als junger Spieler beim FC Bayern hat er sich in einer Verletzungsphase um mich gekümmert, als junger Sportdirektor fragte ich ihn in schwierigen Situationen oft um Rat. Auch in der schwierigen Phase 2022 bin ich ein, zwei Mal bei ihm vorbeigefahren und habe von meinen Problemen erzählt.“
Dass der 72 Jahre alte und immer noch wie unter Strom stehende Hoeneß womöglich gar nicht verstehe, was ein Erschöpfungssyndrom ist, wies Eberl vehement zurück: „Sorry, wenn ich Ihnen widerspreche. Uli Hoeneß hat eine große Menschlichkeit. Er weiß ganz genau, was in Menschen vorgeht, und auch er hat eine schwierige Zeit in seinem Leben hinter sich, die bewirkt, dass er bestimmte Dinge deutlich sensibler sieht, als Sie vielleicht annehmen.“
Eberl wäre, beschrieb der gebürtige Bayer seine damalige Verfassung so anschaulich wie kaum einmal zuvor, „40 Jahre in einer Mühle aus Anforderungen“ gewesen: „Ich war nicht mehr in der Lage, mein Leben in der gewohnten Form weiterzuführen und diesen Job so auszuüben, wie es mir inzwischen wieder möglich ist und Freude macht. Ich erkannte, dass ich mich auf meinem Weg irgendwann verloren hatte, dass ich nur noch einer Rolle entsprach. Ich hatte nicht mehr die Kraft, den Dingen auf den Grund zu gehen, und übertünchte die Probleme mit immer mehr Arbeit - obwohl mein Körper geschrien hat“.
Dass die daraus für viele Beobachter resultierende Schlussfolgerungen einer Depression von Eberl nie als Diagnose öffentlich gemacht wurde, begründete der Routinier so: „Weil ich verstanden habe, dass sich beispielsweise ein Burnout oder ähnliche Themen bei jedem Menschen anders auswirken und auch die Wege, wieder gesund zu werden, sich unterscheiden.“
So entschied sich Eberl für eine Psychotherapie
Eberl räumte ein: „Im Verlauf der Therapie sollte ich aufschreiben, was mich glücklich macht. Ich notierte die üblichen Dinge, die gemeinhin Glück definieren: Gesundheit, Freunde, Erfolg. Erst im Gespräch wurde mir klar, dass ich dabei nur einer diffusen Erwartungshaltung entsprochen hatte und es mit dem, was mich wirklich unmittelbar glücklich macht, nichts zu tun hat. Diese Erkenntnis hat mich regelrecht erschrocken.“
Während eine langen Urlaubsreise vor Therapie-Beginn habe ihn die Rock-Musik von Axel Bosse begleitet: „In dessen Song ,Wir nehmen uns mit‘ beschreibt er genau die Situation, in der ich mich befand. Bosse singt: Ein Ich, ist ein Ich, ist ein Ich/Es ist so leicht, von vorne zu beginnen/Aber so schwer, der Wahrheit wegzurennen/Wir können das Leben ewig ändern, aber tauschen nicht/Wir folgen uns, wir nehmen uns mit. Als ich nach einigen Wochen aus dem Urlaub kam, erkannte ich: Alle Probleme sind noch da! Wie gesagt, ich war 40 Jahre in einer Mühle aus Anforderungen. Jetzt musste ich mir zum ersten Mal Gedanken machen: Wieso stehe ich heute auf? Was ist mein Plan?“
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)