Mit seinem Tod verliert nicht nur der Sport einen Riesen
Kobe Bryant erwischte es, Shawn Kemp gleich mehrfach in einer Aktion, und selbst „His Airness“ Michael Jordan prallte an ihm ab.
Dikembe Mutombo nahm es in seinem Revier mit jedem auf in der NBA. Egal ob Frischling oder Superstar - an ihm keiner vorbei. Sein Gebiet war die Zone unter dem eigenen Korb, seine herausragende Fähigkeit der Block.
Auch vor seiner Zeit gehörte es schon zu den schwierigsten Aktionen im Basketball, dem Gegner beim Wurf den Ball praktisch aus den Händen zu schlagen. Doch erst Mutombo erhob den Block zu einer Kunstform. Und nicht zuletzt seine berühmte und oft kopierte Zeigefinger-Geste, mit der er es seinen „Opfern“ unter die Nase rieb, machte ihn zur Weltmarke.
Wie sehr die Basketball-Legende dem gesamten Sport seinen Stempel aufdrückte, wie viel Bewunderung er sich als Sportler und Mensch verdiente, ist nach Mutombos tragisch frühem Tod am Montag nochmal offensichtlich geworden - unter anderem durch eine Würdigung von FC-Bayern-Coach Vincent Kompany.
Dikembe Mutombo: Tod einer Ikone der NBA
Mutombo, am 25. Juni 1966 in Kinshasa im damaligen Zaire geboren, war als Jugendlicher eigentlich zum Studieren nach Washington gekommen. Dort wurde schnell das Basketball-Talent des jungen Mannes entdeckt, der mit vollem Namen Dikembe Mutombo Mpolondo Mukamba Jean-Jacques Wamutombo hieß.
Vier Jahre spielte er für das College-Team der Georgetown University und erregte schon dort nationales Aufsehen: Zusammen mit Alonzo Mourning, später ebenfalls Star-Center in der NBA, bildete er ein kongeniales Duo, eine „große Wand mit Armen“, wie die Los Angeles Times schrieb.
In die NBA wurde Mutombo 1991 von den Denver Nuggets an Position 4 gedraftet - und verbreitete auch dort vor allem als kaum überwindbare Abwehrmacht Angst und Schrecken: Viermal wurde „Mount Mutombo“ als „Defensive Player of the Year“ geehrt und sammelte im Lauf seiner Karriere sagenhafte 3289 Blocks an. Mehr schaffte im Lauf der NBA-Geschichte nur sein Zeitgenosse Hakeem „The Dream“ Olajuwon.
Dass trotzdem eher Mutombo als die Definition eines Defensivbollwerks in Erinnerung blieb, hatte zwei Gründe: Zum einen, dass der zweimalige Meister-Center Olajuwon mehr als Komplettpaket glänzte. Zum anderen war da eben der Finger.
Auch Mats Hummels übernahm Mutombos Geste
Den abwehrenden Zeigefinger zeigte er den geblockten Gegnern so häufig, bis er zu seinem unverkennbaren Markenzeichen wurde und in jeder Highlightshow zu sehen war. Selbst ein Schuh mit Mutombos Geste wurde produziert.
"Die anderen NBA-Spieler mit guten Statistiken hatten ihren Signature Move, nur ich nicht. Also habe ich mir gedacht: Ich brauche auch so etwas", erklärte Mutombo einmal.
Die bedauernswerten Gegner bekamen vom Mann mit der Nummer 55 aber nicht nur was zu sehen, sondern auch zu hören. „Not in my house“, rief er ihnen zu. Auch dieser Spruch ging um die Welt und wird seitdem nicht nur von Basketballern gebraucht. Auch im Fußball haben sich Mutombos Spruch und sein Finger als Stilmittel etabliert, um besonders gelungene Abwehraktionen zu loben - unter anderem zollte Mats Hummels Mutombo schon vor acht Jahren Tribut.
Berühmtester NBA-Moment in den Playoffs 1994
Derjenige, der ihn Mutombos berühmten Spruch am häufigsten zu hören bekam, ist Shawn Kemp, einer der athletischsten Spieler in der Geschichte der NBA. Er war 1994 mit seinen Seattle Supersonics der haushohe Favorit in der ersten Playoff-Runde gegen die Denver Nuggets um Mutombo.
Schließlich traten die Sonics, bei denen damals auch der deutsche Hall of Famer Detlef Schrempf spielte, mit der besten Bilanz im Westen gegen die achtplatzierten Nuggets an. Noch nie war ein Duell in dieser Konstellation an den Außenseiter gegangen. Doch diesmal schlug der Underdog zu.
Mit 3:2-Siegen schmiss Denver den Favoriten raus, und das nach 0:2-Rückstand. Mutombo verzeichnete in den fünf Spielen sagenghafte 31 Blocks - so viele wie kein anderer vor und nach ihm in einer Best-of-five-Serie! Viele davon gegen Kemp. Das Bild von Mutombo, wie er nach Spiel fünf auf dem Boden liegt und den Ball geradezu liebevoll umarmt, ging in die Geschichte der NBA ein.
„Als ich den letzten Rebound geholt hatte, sank ich nicht sofort auf den Boden. Als ich es dann aber tat, war ich überwältigt von den Emotionen, den großen Favoriten auf den Titel geschlagen zu haben“, erinnerte sich Mutombo 20 Jahre danach bei Bleacher Report an seinen wohl größten Moment.
Hall-of-Fame-Einzug 2015
Schon in der nächsten Runde aber war gegen die Utah Jazz mit dem legendären Duo Karl Malone und John Stockton nach sieben Spielen Endstation. Zum ganz großen Wurf, der Meisterschaft in der NBA, reichte es für Mutombo auch später mit anderen Klubs nicht mehr.
Nicht bei den Atlanta Hawks und auch nicht bei den Philadelphia 76ers, mit denen er 2001 in den Finals den Los Angeles Lakers mit 1:4 unterlag. Zwei Jahre später bekam er mit den New Jersey Nets noch einmal die Chance auf den Titel, scheiterte aber wiederum in den Finals: 2:4 gegen die San Antonio Spurs.
Über die New York Knicks ging es 2004 zu den Houston Rockets, wo er zumindest phasenweise noch seine alten Qualitäten zeigen konnte. Nachdem er sich in einem Playoff-Spiel gegen Portland schwer am Knie verletzt hatte, beendete er mit 42 Jahren seine Karriere.
Seine Nummer 55 wird sowohl bei den Nuggets als auch bei den Hawks nicht mehr vergeben, 2015 zog er in die Hall of Fame ein.
Mutombo machte auch den US-Präsidenten stolz
Nicht nur für sein sportliches Lebenswerk, auch für sein enorm umfangreiches und vielfältiges Engagement für soziale Zwecke erntete Mutombo viel Anerkennung: Schon während seiner Karriere gründete er die Dikembe-Mutombo-Stiftung, um die Lebensbedingungen in seiner kongolesischen Heimat zu verbessern.
Unter anderem errichte die Stiftung ein Krankenhaus nahe Kinshasa und trieb die Bekämpfung der Kinderlähmung durch Projekte für Impfung und bessere Behandlungsmöglichkeiten. Auch für Gleichberechtigung und Inklusion setzte sich Mutombo zeit seines Lebens ein, etwa durch ein langjähriges Engagement für die Special Olympics.
Ex-Präsident George W. Bush lud ihn 2007 zu seiner Rede zur Lage der Nation ein und zeigte sich „stolz, dass dieser Mann inzwischen ein Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika ist“.
Auch Mutombos Privatleben war ausgefüllt: Er war sechsfacher Familienvater, zwei seiner Neffen folgen ihm in den Profi-Basketball - Mfiondu Kabengele spielte in der NBA für die L.A. Clippers, die Cleveland Cavaliers und die Boston Celtics und in Italien für Reyer Venezia.
Im Jahr 2022 wurde bekannt, dass der große Sportler und Mensch Dikembe Mutombo an einem Gehirntumor erkrankt war. Am Montag starb er im Alter von 58 Jahren im Kreise seiner Familie in Atlanta.