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Netanjahu lehnt US-Forderung nach einer humanitären Feuerpause im Gazastreifen ab

US-Außenminister Antony Blinken hat sich bei einem Israel-Besuch vergeblich für eine Feuerpause im Gazastreifen eingesetzt. Ohne eine Freilassung der Hamas-Geiseln lehne sein Land eine Waffenruhe ab, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. (FADEL SENNA)
US-Außenminister Antony Blinken hat sich bei einem Israel-Besuch vergeblich für eine Feuerpause im Gazastreifen eingesetzt. Ohne eine Freilassung der Hamas-Geiseln lehne sein Land eine Waffenruhe ab, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. (FADEL SENNA)

Bei seinem zweiten Israel-Besuch seit Beginn des Nahost-Krieges hat sich US-Außenminister Antony Blinken vergeblich für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen eingesetzt. Ohne eine Freilassung der von der radikalislamischen Hamas verschleppten Geiseln lehne sein Land eine "vorübergehende Feuerpause" ab, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Freitag nach Gesprächen mit Blinken. Unterdessen konnten mehr als 30 Deutsche nach Angaben des Auswärtigen Amtes den Gazastreifen in Richtung Ägypten verlassen.

Eine humanitäre Feuerpause mache es möglich, Vorkehrungen zur Erhöhung der Sicherheit der Zivilisten im Gazastreifen zu treffen, und erleichtere Hilfslieferungen, sagte Blinken. Zudem betonte er, der einzige Weg, um dauerhafte Sicherheit in Israel gewährleisten zu können, sei eine Zweistaatenlösung. Diese sieht die Gründung eines palästinensischen Staates vor, der friedlich mit Israel koexistiert.

Netanjahu sagte dagegen, Israel lehne eine vorübergehende Feuerpause ab, "die nicht eine Freilassung unserer Geiseln beinhaltet". Israelischen Angaben zufolge befinden sich aktuell 241 Geiseln in den Händen der Hamas.

Sowohl Israel als auch die USA schließen eine generelle Waffenruhe im Gazastreifen aus, da diese es nach ihrer Ansicht der dort herrschenden Hamas ermöglichen würde, sich neu zu organisieren. US-Präsident Joe Biden hatte jedoch für "vorübergehende und lokal begrenzte" Feuerpause plädiert.

Unterdessen setzte Israel seine Angriffe im Gazastreifen fort. Die israelische Armee bestätigte einen Luftangriff auf einen Krankenwagen am Eingang des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt, der von einer "Terrorzelle" der Hamas genutzt worden sei. Das von der Hamas geleitete Gesundheitsministerium im Gazastreifen hatte hingegen zuvor mitgeteilt, dass in dem Krankenwagen Verwundete aus Gaza-Stadt in Krankenhäuser im Süden des Küstenstreifens transportiert werden sollten.

Laut dem Hamas-Ministerium wurden durch den israelischen Angriff "dutzende Zivilisten" getötet und verletzt. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP vor Ort sah mehrere Leichen neben einem beschädigten Krankenwagen. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, zeigte sich angesichts des Vorfalls "zutiefst erschüttert". Im Onlinedienst X (vormals Twitter) schrieb er: "Wir wiederholen: Patienten, medizinisches Personal, Einrichtungen und Krankenwagen müssen jederzeit geschützt werden."

Die Hamas erklärte zudem, dass bei einem weiteren mutmaßlichen israelischen Angriff 14 Menschen auf der Flucht in den Süden des Palästinensergebiets getötet worden seien. Zu diesem Vorfall machte das israelische Militär keine Angaben. Israel hat die Zivilbevölkerung im Norden des Gazastreifens wiederholt dazu aufgefordert, im Süden des Territoriums Zuflucht zu suchen.

Nach der Öffnung des Grenzübergangs Rafah verließen am Freitag nach Angaben der Bundesregierung mehr als 30 Deutsche den Gazastreifen in Richtung Ägypten, darunter Familien mit Kindern. Das Ministerium arbeite "intensiv daran, dass weitere Deutsche ausreisen können", erklärte das Auswärtige Amt auf X.

Der Grenzübergang Rafah war am Mittwoch erstmals seit Beginn des Kriegs für Ausländer und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft sowie Verletzte geöffnet worden. Hunderte Menschen konnten seitdem das umkämpfte Gebiet verlassen.

Gleichzeitig begann Israel damit, tausende palästinensische Arbeiter in den Gazastreifen zurückzuschicken. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zeigte sich "zutiefst besorgt" über diesen Schritt.

Erstmals seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas meldete sich der Chef der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, offiziell zu Wort. In einer Fernsehansprache warnte er Israel vor Angriffen auf sein Land und erklärte, an der libanesischen Front seien "alle Optionen offen". Zudem warf er den USA vor, für den Krieg im Gazastreifen verantwortlich zu sein und eine Waffenruhe und das Ende der Aggressionen zu behindern.

Die US-Regierung warnte die vom Iran unterstützte Hisbollah davor, den Krieg für sich auszunutzen. Die Hisbollah und andere Akteure "sollten nicht versuchen, aus dem laufenden Konflikt einen Vorteil zu ziehen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre.

Seit dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober gibt es beinahe täglich militärische Auseinandersetzungen an der israelisch-libanesischen Grenze. Es gibt Befürchtungen, dass die Hisbollah eine neue Front zur Unterstützung der Hamas eröffnen und so Libanon in den Krieg hineinziehen könnte.

Bei dem beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel waren israelischen Angaben zufolge rund 1400 Menschen getötet. Zudem verschleppten die Islamisten mehr als 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Als Reaktion startete Israel seine Angriffe in dem dichtbesiedelten Palästinensergebiet. Dabei wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 9200 Menschen getötet.

lt/dja