Israelische Armee meldet Umzingelung von Gaza-Stadt
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben Gaza-Stadt umzingelt. "Unsere Soldaten haben die Umzingelung der Stadt Gaza, des Zentrums der Terrororganisation Hamas, abgeschlossen", sagte am Donnerstagabend Militärsprecher Daniel Hagari. Die radikalislamische Hamas drohte ihrerseits, dass die israelischen Soldaten im Gazastreifen "in Leichensäcken" nach Hause zurückkehren würden. Derweil konnten erneut mehrere hundert Ausländer das Palästinensergebiet Richtung Ägypten verlassen.
Israel hatte in den vergangenen Tagen seine Angriffe auf den Gazastreifen verstärkt und seit einer Woche auch immer mehr Bodentruppen in das von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Palästinensergebiet eindringen lassen. Am Donnerstag wurden dabei nach Angaben des israelischen Militärs "dutzende" feindliche Kämpfer getötet.
Die israelischen Soldaten hätten sich in der Region um Gaza-Stadt "direkte Gefechte mit Hamas-Terroristen" geliefert, sagte Hagari zunächst. Die Soldaten hätten "die Terroristen mit Hilfe von Artilleriefeuer und Panzern" bekämpft, auch ein Hubschrauber und ein Marineboot seien im Einsatz gewesen. Am Abend dann verkündete die israelische Armee die Umzingelung von Gaza-Stadt.
Der militärische Arm der Hamas drohte nahezu zeitgleich, dass der Einmarsch in den Gazastreifen sich für die israelischen Truppen zum "Fluch" entwickeln werde. "Noch mehr ihrer Soldaten werden in Leichensäcken nach Hause kehren", erklärte ein Sprecher der Essedin-al-Kassam-Brigaden.
Nach Angaben der Hamas wurden bei einem der israelischen Angriffe im Flüchtlingslager Dschabalia im Norden von Gaza-Stadt nahe einer UN-Schule am Donnerstag mindestens 27 Menschen getötet. Zudem gebe es eine "große Anzahl" an Verletzten, erklärte das von der Hamas geleitete Gesundheitsministerium. Die Zahlenangaben ließen sich zunächst nicht unabhängig verifizieren. AFP-Aufnahmen von dem Vorfall zeigten aber mehrere Verletzte und hinzueilende Rettungskräfte.
Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Israel wirft der Hamas vor, Flüchtlingslager sowie UN-Schulen und Krankenhäuser als Verstecke und Waffenlager zu missbrauchen. Die Hamas weist dies zurück.
Israel hatte das Flüchtlingslager Dschabalia bereits zuvor in dieser Woche angegriffen und sein Vorgehen mit einem darunterliegenden Tunnelsystem der Hamas begründet. Nach israelischen Angaben wurden bei den Bombardierungen unter anderem einer der Drahtzieher des Hamas-Großangriffs auf Israel am 7. Oktober sowie zahlreiche weitere Kämpfer der radikalislamischen Palästinenserorganisation getötet. Die Hamas erklärte, dass bei den Angriffen auf Dschabalia am Dienstag und Mittwoch 195 Menschen getötet worden seien.
Die im Gazastreifen herrschende Hamas hatte am 7. Oktober einen großangelegten Angriff auf Israel begonnen, bei dem nach israelischen Angaben rund 1400 Menschen getötet wurden, darunter überwiegend Zivilisten. Mehr als 240 Menschen wurden demnach zudem aus Israel von Hamas-Kämpfern in den Gazastreifen verschleppt. Durch Israels Gegenangriffe im Gazastreifen wurden nach nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas bisher mehr als 9000 Menschen getötet.
Im Gazastreifen herrscht nach UN-Angaben inzwischen eine "humanitäre Katastrophe". Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisierte am Donnerstag die unzähligen Hindernisse für Hilfslieferungen in das Gebiet. Es müsse "eine humanitäre Pause, idealerweise eine Waffenruhe" geben, forderte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Angesichts des Elends wollen viele Menschen den Gazastreifen verlassen, dies ist seit Mittwoch zumindest ersten Verletzten und Ausländern möglich. Am Donnerstag seien über den Grenzübergang Rafah 21 verletzte Palästinenser nach Ägypten gekommen, erklärte das Gesundheitsministerium in Kairo. Zudem hätten "344 Ausländer, darunter 72 Kinder" den Grenzübergang überquert. Die ägyptische Regierung kündigte an, sie wolle "etwa 7000" Menschen mit ausländischer oder doppelter Staatsbürgerschaft das Verlassen des Gazastreifens ermöglichen.
Abseits des Gazastreifen lieferten sich am Donnerstag die israelische Armee und die libanesische Hisbollah heftige Gefechte: Israel meldete einen "breiten Angriff" auf Stellungen der Schiitenmiliz im Nachbarland, die Hisbollah attackierte nach eigenen Angaben "zeitgleich 19 israelische Stellungen". Es gibt Befürchtungen, dass die Hisbollah eine neue Front zur Unterstützung der Hamas eröffnen und so Libanon in den Krieg hineinziehen könnte.
jes/dja