Kampfansage! Der Königsklassen-Zirkus staunt
Auf großen Erfolg folgen oft Neid und Missgunst. Das bekommt in der Formel 1 nun auch McLaren zu spüren. Nach dem Sieg von Oscar Piastri in Baku versammelten sich die Verschwörungstheoretiker in den sozialen Netzwerken. Besonders auf X kochte die Diskussion hoch. Stein des Anstoßes: der Heckflügel des McLarens, der sich bei hohem Tempo zu verbiegen scheint.
Der Vorwurf der McLaren-Hater: Das britische Traditionsteam würde mit unerlaubten aerodynamischen Hilfsmitteln Max Verstappen und Red Bull die WM klauen. Das Problem: Der Automobilweltverband erstickte das Thema postwendend im Keim. Alle womöglich flexiblen Flügelbewegungen seien innerhalb der im Reglement festgelegten Toleranzen. McLarens Erfolg – er ist ganz legal.
McLarens rasanter Aufstieg
Feststeht: Die Aufholjagd des Papaya-Teams in der WM versetzt die Formel-1-Gemeinde ins Staunen. Die Mannschaft aus Woking gewann allein zwei der drei Rennen nach der Sommerpause und hat in der Konstrukteurs-WM nun 20 Punkte Vorsprung auf Red Bull.
„Wenn man bedenkt, wo wir gestartet sind als ich letztes Jahr zum Team gekommen bin. Da waren wir buchstäblich Letzter und jetzt stehen wir ganz vorne in der WM“, konnte selbst Baku-Sieger Piastri die so positive Wandlung seines fahrbaren Untersatzes kaum glauben. „Ein Riesenkompliment ans ganze Team. Zunächst, dass das Auto so verbessert wurde, aber auch, dass man mir geholfen hat, mich zu verbessern. Niemand hatte gedacht, dass das möglich ist vor zwölf Monaten. Es ist aufregend zu sehen, was die Zukunft in petto hält.“
Norris kommt Verstappen immer näher
Dabei hat er selbst entscheidenden Anteil am Erfolg. Oscar Piastri und Lando Norris avancieren zum besten Duo der Formel 1. Der junge Australier entwickelt sich dabei immer mehr zum neuen Kimi Räikkönen der Rennsportszene. „Druck ist für Reifen“, kommentierte er seine Situation am Wochenende cool.
Sein Teamkollege Norris betrieb in Aserbaidschan derweil Schadensbegrenzung, fuhr von Startplatz 15 vor auf vier und sogar vorbei an seinem WM-Rivalen Verstappen. Der Niederländer kann von Glück reden, dass er in der ersten Saisonhälfte sieben Renn- sowie drei Sprint-Siege einfahren konnte und somit zwischenzeitlich einen großen Vorsprung in der Fahrerwertung hatte. Sieben Grand Prix vor Schluss beträgt Norris‘ Rückstand allerdings nur noch 59 Zähler. Leicht aufzuholen sind die zwar nicht, aber eben auch nicht unmöglich.
Norris verdaut „peinliches“ Ergebnis
„Gegen Max vorne zu sein, die schnellste Runde zu fahren und der Extrapunkt, das war wichtig“, betonte der Brite und räumte ein. „Der Samstag war schwer zu verdauen. Das war mein schlechtestes Qualifying-Ergebnis jemals in der Formel 1, das war schon etwas peinlich.“ Eine gelbe Flagge verhinderte die Zeitenjagd, doch zu einem Titeljäger gehört eben auch das: Rückschläge wegstecken, Mund abwischen und Platz vier einfahren.
Red Bull gelingt das mittlerweile immer schlechter. Dabei scheint das britische Traditionsteam McLaren, das einst Weltmeisterschaften mit Stars wie Niki Lauda, Alain Prost, Ayrton Senna oder Mika Häkkinen gewann längst noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt.
Noch etwas im Köcher
„Wir arbeiten definitiv noch an Upgrades für diese Saison und sind gerade dabei, dies zu finalisieren“, warnte Teamchef Andrea Stella die Konkurrenz. Dass der Italiener, der einst mit Michael Schumacher bei Ferrari zusammengearbeitet hatte, sich bedeckt hielt, sagt viel aus über die Stärke des Teams: „Ich möchte nicht zu viel darüber verraten, was wir ans Auto bringen und wann. Aber wir haben einen Plan, um das Auto schneller zu machen.“
Fakt ist: McLaren ist jetzt schon die neue starke Kraft in der automobilen Königsklasse. Für Max Verstappen und Red Bull wird es ein Rennen gegen die Zeit, gegen das stärkste Fahrerduo, gegen das beste Auto und gegen einen Teamchef, der während der Fahrt bei seinem Fahrer auf der Schulter sitzt.
Reif für den Titel
Hintergrund: Norris‘ Renningenieur wies den Engländer während des Rennens in Aserbaidschan an, so zu fahren, als würde „Andrea“ auf seiner Schulter sitzen. „Andrea liebt es einfach als Teamchef zu verstehen, wie wir das Auto fahren“, erklärte der Brite. „Er will wissen, wie wir fahren und womit wir Probleme haben. Im Herzen ist er ein Rennfahrer. Ich weiß, dass er sich meine Daten anschaut und mir sagt, was ich hätte besser machen können. Er will einfach Perfektion und er will, dass alles gut funktioniert.“
Genau das ist das Holz, aus dem zukünftige Weltmeister geschnitzt sind.