Der Bessermacher

Es hat nicht lange gedauert, bis Vincent Kompany in die Spur gefunden hat. Gerade einmal vier Monate nach seiner Vorstellung als neuer Trainer des FC Bayern steht der Verein sportlich blendend da. Ohne Niederlage führte der Belgier sein Team durch die bisherige Saison. Sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League steht man glänzend da.

Klub und Trainer befinden sich eindeutig in einer Honeymoon-Phase, denn Kompany ist es vor allem gelungen, die Spieler auf seine Seite zu bringen. Ein Unterfangen, das gerade in München sehr zur Jobsicherheit beiträgt.

Ein „Menschenfänger“ solle der Coach sein, kein „Lehrer von oben herab“ - so der Wunsch von Sportvorstand Max Eberl bei der Vorstellung des neuen Trainers. Und Kompany liefert.

Der Belgier hat einen Weg eingeschlagen, der sich gerade in der öffentlichen Darstellung komplett von dem seines Vorgängers unterscheidet. Während Thomas Tuchel an den Mikrofonen gerne deutliche Worte wählte und Interviews auch dazu nutzte, um seinen Spieler die Leviten zu lesen, beschränkt sich Kompany darauf, deutliche Ansagen ausschließlich intern zu tätigen. Selbst lobende Worte für einzelne Spieler sind dem Belgier nur selten zu entlocken.

Kompany will Fehler vermeiden

Als er am Vorabend der Champions-League-Partie der Bayern bei Aston Villa (ab 21 Uhr im LIVETICKER) nach den Stärken von Serge Gnabry gefragt wurde, antwortete Kompany: „Serge ist einer dieser Spieler, die zur Spitze gehören. Wir haben aber auch Glück mit Michael Olise, Leroy Sané und Kingsley Coman. Auch Mathys Tel, klar. Aber jetzt müsste ich fast alle 24 Leute im Kader nennen.“ So klingt jemand, der den „Menschenfänger“-Auftrag der Klubführung ernstnimmt.

Der Bayern-Trainer will sich keinesfalls in die Gefahr begeben, einen Spieler absichtlich oder unabsichtlich ins Abseits zu stellen. Auch daran war Tuchel an der Säbener Straße gescheitert. Der attestierte seinem Personal regelmäßig Defizite, indem er beispielsweise Leon Goretzka „Luft nach oben“ bescheinigte, Neuverpflichtungen forderte oder bezüglich Joshua Kimmichs Führungsqualitäten feststellte: „Ich dachte, wir wären schon weiter…“. Mächtige Fürsprecher schuf sich der damalige Coach des Rekordmeisters damit nicht.

Tuchels Marschroute in Sachen Menschenführung war ohnehin von Schwankungen geprägt. Während er sich nach der 0:3-Niederlage bei Manchester City im Frühjahr 2023 noch schützend vor seine Mannschaft gestellt hatte und davon sprach, „schockverliebt“ zu sein, wandelte er sich in der Folge schnell zum strafenden Vater seiner Schützlinge. Bei Kompany gilt eine solche Richtungsänderung als ausgeschlossen.

Kompany mag Vergleich nicht

Dass direkt aufeinanderfolgende Trainer miteinander verglichen werden, liegt in der Natur der Sache. Selbst ein Star-Coach wie Carlo Ancelotti musste sich 2017 von seinem Nachfolger Jupp Heynckes nachträglich anhören, was beim FC Bayern nun alles viel besser laufe.

Doch Kompany will sich daran nicht beteiligen – offenbar auch aus Respekt vor seinem Vorgänger. „Wir dürfen nicht vergleichen, das macht keinen Sinn. Das habe ich nicht eine Sekunde lang in meinen Gedanken. Es geht um die jetzige Mannschaft und darum, wie ich die Mannschaft erreichen kann. In der Vergangenheit haben wir alle Fehler gemacht.“

Dass er die Stars mit seinem zwischenmenschlichen Umgang tatsächlich erreicht, zeigt sich derzeit besonders bei Kimmich, Dayot Upamecano und Minjae Kim. Deren positive Entwicklung ist eindeutig dem Trainer zuzuschreiben. Der koreanische Innenverteidiger bekannte jüngst sogar, dass er nun viel mehr Anweisungen bekomme. „Der Trainer erklärt allen Spielern viel, viel konkreter, was er sich wünscht“, sagte Kim nach der Partie gegen Leverkusen. Kompany, der Bessermacher.

Wie reagiert Kompany auf Niederlagen?

Interessant dürfte werden, wie der Bayern-Trainer darauf reagiert, sollte der Erfolg einmal ausbleiben. Tuchel wirkte nach Niederlagen oft ratlos und bekannte offen, dass er sich die Fehler seines Teams nicht erklären könne. Das ist Kompany bislang erspart geblieben.

Aus seiner Zeit beim FC Burnley gingen bekanntermaßen Videos viral, in den der Belgier mit seinen Spielern hart ins Gericht geht und deutliche Worte findet. Öffentlich hielt sich Kompany aber mit Kritik meist zurück. Ein Weg, der angesichts der feinen Antennen der zahlreichen Stars in München der richtige sein dürfte. Die Honeymoon-Phase soll schließlich noch lange andauern.