Die krassesten 35 Sekunden der NBA-Geschichte
Am 9. Dezember 2004 läuft in der NBA die Schlussminute im Spiel zwischen den Houston Rockets und den San Antonio Spurs. Alles spricht gegen einen Sieg der Gastgeber. Die Spurs liegen mit acht Punkten in Führung, ein beruhigender Vorsprung, der normalerweise zum Sieg reichen sollte.
Normalerweise. Denn Tracy McGrady hat noch nicht aufgegeben und andere Pläne. Was folgt, sind die krassesten 35 Sekunden der NBA-Geschichte. Doch der Reihe nach.
NBA: Rockets mit acht Punkten Rückstand
Mit zwei Freiwürfen stellt Spurs-Guard Devin Brown den vermeintlich vorentscheidenden 76:68-Zwischenstand her – 44,2 Sekunden sind zu diesem Zeitpunkt noch zu spielen.
Nach dem folgenden Einwurf dribbelt McGrady nach vorne, steigt zum Dreier hoch und verwandelt ihn über Verteidiger Malik Rose hinweg. Die Uhr zeigt 35,0 Sekunden an, als der Ball zum 71:76 durchs Netz fliegt.
Teamkollege Bob Sura begeht anschließend ein schnelles Foul an Brown, der sich an der Linie erneut nervenstark zeigt. 71:78 aus Sicht der Rockets.
Wieder schnappt sich McGrady den Ball. Er nutzt einen Block von Yao Ming und lässt Tim Duncan mit einem Wurf-Fake abheben. Dreier mit Foul, auch der anschließende Freiwurf sitzt. Plötzlich beträgt der Rückstand bei 75:78 nur noch drei Punkte.
Doch auch Duncan, der anschließend an die Linie geschickt wird, gibt sich keine Blöße und verwandelt beide Versuche, sodass der Sieg für die Spurs beim 80:75 weiterhin zum Greifen nahe ist. Im Anschluss wird es endgültig wild.
McGrady lässt Kommentator ausrasten
Beim Einwurf begeht Rockets-Profi Andre Barrett beim Versuch, McGrady zu erreichen, beinahe einen Fünf-Sekunden-Verstoß, ehe er seinem Teamkollegen im letzten Moment doch noch erfolgreich den Ball serviert. Eng verteidigt von Defensivspezialist Bruce Bowen, sucht „T-Mac“ erneut den Weg zur Dreierlinie und feuert einen wilden Wurf ab. Wieder drin.
„YEEEEEES! YES“, schreit Kommentator Kevin Harlan ins Mikrofon, während der heutige Warriors-Coach und damalige TV-Experte Steve Kerr beinahe sprachlos nur ein „OH“ herausbekommt.
Allerdings liegen die Spurs 11,2 Sekunden vor dem Ende immer noch mit zwei Punkten vorne. Und bisher haben sie keinerlei Nerven gezeigt. Doch der Wahnsinn hat eine letzte Episode.
„T-Mac“ mit Gamewinner
Brent Barry findet mit seinem Einwurf zwar erneut Brown. Doch das schnelle Foul kommt diesmal nicht. Stattdessen dreht sich Brown mit Ball in Richtung Grundlinie – und rutscht aus!
McGrady schnappt sich den Ball und sprintet das Feld herunter. Die Uhr tickt herunter. 8 Sekunden, 7, 6, 5. Bei noch 3,9 Sekunden verbleibender Spielzeit erreicht der heißgelaufene Rockets-Star die Dreierlinie und drückt ab. “McGrady for the win…YEEEEEES.“
Ein letzter Verzweiflungsversuch von Tony Parker ist nicht von Erfolg gekrönt. Houston gewinnt mit 81:80.
0,39 Punkte pro Sekunde
34,8 Sekunden liegen zwischen dem Moment, als der erste Crunchtime-Dreier McGradys Hand verlässt und dem, als der Gamewinner durchs Netz fliegt.
„So etwas habe ich noch nie erlebt. Es hat sich angefühlt, als ob alles, was ich werfe, reingeht. Der Ring hat sich wirklich sehr, sehr groß angefühlt“, erklärt der Matchwinner, der sich eine kleine Stichelei nicht verkneifen kann: „An all diejenigen, die früher gegangen sind … ihr habt ein großartiges Spiel verpasst.“
Selbst Spurs-Coach Gregg Popovich, der nur schwer aus der Fassung zu bringen ist, muss anerkennen: „Das war unglaublich.“
Noch eine kleine Spielerei gefällig? McGrady erzielt bei seiner Heldentat 0,39 Punkte pro Sekunde. Würde man das auf 48 Minuten hochrechnen, hätte McGrady in einem Spiel 1134 Zähler markiert.
Doch 13 Punkte in 35 Sekunden sind ebenfalls mehr als bemerkenswert – und auch 20 Jahre später noch legendär.