Lagebericht von Bundesamt: IT-Sicherheitslage in Deutschland weiter angespannt
Die IT-Sicherheitslage bleibt in Deutschland angespannt. "Die Bedrohungslage im Cyberraum ist besorgniserregend", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung des Lageberichts 2023 des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die größte Gefahr geht diesem Bericht zufolge derzeit von Angriffen mit sogenannter Ransomware aus. Union und Grüne fordern weitergehende Maßnahmen zur IT-Sicherheit, der Branchenverband Bitkom sieht dabei Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefordert.
Das BSI registrierte im Berichtszeitraum Juni 2022 bis Juni 2023 insgesamt 27 Ransomware-Angriffe auf kommunale Verwaltungen und Betriebe sowie 23 auf Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Demnach werden durchschnittlich zwei solche Angriffe auf Kommunalverwaltungen oder -betriebe pro Monat bekannt. Dabei werden Daten verschlüsselt und eine Entschlüsselung erst gegen Lösegeldzahlung - englisch "Ransom" - in Aussicht gestellt.
Die Wirtschaft bleibt vor Ransomware ebenfalls nicht verschont: Dem Bericht zufolge wurden 68 erfolgreiche Angriffe damit auf Unternehmen bekannt, davon richteten sich 15 gegen IT-Dienstleister. Ransom sei "immer noch das dringendste Problem", betonte BSI-Präsidentin Claudia Plattner. "Hier geht es um sehr, sehr viel Geld."
An zweiter Stelle stehe der Datendiebstahl. Davon waren im Berichtszeitraum vor allem Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen, Organisationen aber ebenfalls.
Ein weiteres vom BSI erfasstes Problem ist die Destabilisierung und Desinformation durch Künstliche Intelligenz. Eine Zunahme von Desinformation und Deepfakes sei vor allem in Folge des russischen Angriffskriegs zu beobachten, sagte Faeser. "Der Krieg zwingt uns zu großer Wachsamkeit."
Laut BSI kommt bei den Cyberattacken eine wachsende Professionalisierung auf Täterseite hinzu, der gleichzeitig eine steigende Anzahl von Sicherheitslücken gegenübersteht. So registrierte das Bundesamt im Berichtszeitraum täglich rund 250.000 neue Varianten von Schadprogrammen und 21.000 mit Schadsoftware infizierte Systeme. Hinzu kommen durchschnittlich 70 neue Sicherheitslücken pro Tag - eine Steigerung von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Jede zweite davon wird als hoch oder kritisch eingestuft.
Faeser mahnte eine Stärkung der Resilienz von Opfern von Cyberangriffen sowie behördlichen Verwaltungen an. "Die Bedrohungslage im Cyberraum wird weiter wachsen", betonte sie.
Die BSI-Präsidentin hob hervor, dass durch Cyberkriminalität hierzulande ein Schaden von 206 Milliarden Euro pro Jahr entsteht, was 43 Prozent des Bundeshaushalts entspreche. "Es reicht nicht, was wir heute tun", sagte Plattner. Es brauche eine große Lösung: "Deutschland muss sich als Cybernation verstehen und diesem Selbstverständnis auch Taten folgen lassen."
Der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Ralf Wintergerst, sieht hier "Politik und Unternehmen gleichermaßen" gefordert. Es brauche eine höhere Präsenz von Polizei und Strafverfolgungsbehörden im Cyberraum. Diese wiederum bräuchten dazu Know-how, Personal und technische Ausstattung. Alle Unternehmen, Ämter und Behörden müssten zudem entsprechende Schutzmaßnahmen treffen, dazu gehörten ausreichende Investitionen in die technische Sicherheit.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht hingegen vor allem die Länder und Kommunen in der Pflicht. Diese müssten "endlich die Cyberresilienz der öffentlichen Verwaltung stärken", forderte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Unternehmen seien auf eine funktionierende öffentliche Verwaltung angewiesen, führte sie als Begründung an. "Die Industrie werde dabei "weiterhin ihren Beitrag zur Stärkung der Cyberresilienz des Standorts leisten".
Sowohl die Union als auch die Grünen forderten weitergehende Maßnahmen gegen Cyberkriminalität. IT-Sicherheitspolitik müsse "endlich als immanenter Bestandteil einer modernen Sicherheitspolitik verstanden werden", erklärten die Grünen-Abgeordneten Misbah Khan und Konstantin von Notz. Die beiden halten "echte politische Handlungen" für überfällig. Die im Koalitionsvertrag verankerten Vorhaben zur Erhöhung der IT-Sicherheit müssten politisch priorisiert und sehr entschlossen umgesetzt werden, mahnten Khan und von Notz.
Die Union forderte Faeser auf, "schleunigst ins Handeln zu kommen". Nach einer angekündigten Weiterentwicklung der Cybersicherheitsstrategie müsse sie hier "endlich etwas vorlegen", kritisierte der digitalpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Reinhard Brandl (CSU).
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