Legendärer Skandal: Das wurde aus Nancy Kerrigan
Nancy Kerrigan und Tonya Harding: Es sind zwei Namen, die als Gegensatzpaar fast so bekannt geworden sind wie Eis und Feuer, Engel und Teufel, Schneewittchen und die böse Königin.
Die Eiskunstläuferin Kerrigan, Gold-Favoritin bei Olympia 1994 in Lillehammer, wurde wenige Wochen zuvor Opfer eines kriminellen Attentats, orchestriert vom persönlichen Umfeld ihrer US-Rivalin Harding.
Das spektakuläre Drama fesselte damals speziell in den USA ein Millionenpublikum, später wurde die furiose Verfilmung „I, Tonya“ mit Margot Robbie als Harding zum oscargekrönten Hollywood-Hit.
Kerrigan, die heute 55 Jahre alt wird, signalisiert dabei aber eigentlich schon lange, dass sie die Geschichte nur noch hinter sich lassen will.
Nancy Kerrigan vs. Tonya Harding: Der Olympia-Aufreger 1994
Zur Erinnerung: Spitzenläuferin Kerrigan wurde am 6. Januar 1994 beim Training zu den US-Meisterschaften in Detroit von einem zunächst Unbekannten mit einer Eisenstange attackiert und am Knie verletzt. Der markerschütternde Schrei „Why me, why me?“ ist stundenlang als „Breaking News“ in allen US-Fernsehhaushalten zu hören. Kerrigan muss ihre Teilnahme an den Meisterschaften absagen, Harding gewinnt.
Tage später wurde Attentäter Shane Stant dingfest gemacht und gestand das Ungeheuerliche: Angeheuert hätten ihn Jeff Gillooly, Ex-Ehemann von Kerrigan-Rivalin Harding, und ihr Bodyguard Shawn Eckhardt.
Der US-Verband sperrte die damals 23-jährige Harding für Lillehammer, doch diese wehrte sich erfolgreich mit juristischen Mitteln und pochte unter Androhung von teuren Schadenersatzklagen erfolgreich auf die Unschuldsvermutung. Das US-Team nimmt Harding doch mit, das Duell der beiden wurde zum weltweit beachteten Spektakel - das für beide nicht das erhoffte Happy End in Gold hatte.
Bei der Kürentscheidung, die allein in den USA 100 Millionen TV-Nutzer verfolgen, holte Kerrigan Silber hinter einer Konkurrentin, an die sportlich an diesem Abend kein Herankommen war: die anmutige Eis-Ballerina Oksana Bajul aus der Ukraine.
Zwei Seiten des amerikanischen Traums
Harding wurde Achte und einige Monate später lebenslang vom US-Verband gesperrt. Sie gab später zu, über die Verschwörung gegen Kerrigan im Bilde gewesen zu sein, behauptete aber, dass ihr Ex-Mann der Drahtzieher gewesen sei und sie selbst unter Gewaltandrohungen ruhig gehalten worden sei.
Die Geschichte von Harding und Kerrigan lebte damals auch von dem persönlichen Kontrast der beiden Protagonistinnen: Hier die als prollig wahrgenommene Harding aus Portland, die auf dem Eis um den Aufstieg aus ihren tief prekären Familienverhältnissen tanzte. Dort die oft als brave Unschuld und „Everybody‘s Darling“ porträtierte Kerrigan, als Arbeitertochter aus der Nähe von Boston zwar auch in einfachen, aber behüteten Verhältnissen emporgekommen - unter anderem auch zu einem millionenteuren Sponsoring-Deal mit Disney.
Harding und Kerrigan verkörperten zwei Seiten des amerikanischen Traums - was auch das Grundmotiv von „I, Tonya“ war, der schwarzen Komödie, in der Superstar Robbie die tief gefallene Harding im Jahr 2017 als rockig coole Anti-Heldin performte, während Kerrigan blasse Nebenfigur blieb.
„Ich lebe mein eigenes Leben“
Anders als Harding verweigerte sich Kerrigan damals und auch sonst stets dem Rummel um die Vermarktung der gemeinsamen Geschichte. „Ich bin vollauf damit beschäftigt, mein eigenes Leben zu leben“, antwortete sie auf Fragen, warum sie sich an der Promotion von „I, Tonya“ nicht beteiligte. Kerrigan versucht seit Jahren, ihre Ruhe vor dem Thema zu haben.
„Was immer Tonya zu ihrer Entschuldigung vorbringt, ich akzeptierte es“, sagte sie 2014 in einem TV-Interview. Sie hätte ihrer Rivalin nie Böses gewollt, es sei für sie wie für Harding „an der Zeit, unser jeweiliges Familienleben in den Fokus zu rücken und nach vorn zu schauen“.
Kerrigan tanzte nach ihrer Wettkampfkarriere in zahlreichen Eisrevues und absolvierte auch diverse Auftritte in Filmen und TV-Shows. 2017 war sie Kandidatin bei „Dancing with the Stars“, der US-Version von „Let‘s Dance“ und enthüllte im Lauf der Show auch ein anderes persönliches Drama: Die dreifache Mutter hat in ihrer 1995 geschlossenen Ehe mit ihrem Agenten Jerry Solomon insgesamt sechs Fehlgeburten erlitten.
Die einstige Gegenspielerin Tonya Hardings lebt heute mit ihrer Familie im Nobelvorort Lynnfield in Massachusetts, zu ihren Beschäftigungen gehört auch eine Stiftung für Sehbehinderte - Kerrigan ist sensibilisiert durch das Schicksal ihrer blinden Mutter.