Eine Jahrhundert-Figur mit unwürdigem Abgang
Wer noch nie tiefer eingetaucht ist in die Historie der NFL, kennt seinen Mythos vielleicht dennoch, zum Beispiel aus der Zeichentrickwelt.
Aus der Kultserie „King of the Hill“ etwa, in der Tom Landry das abgöttisch verehrte Idol der Hauptfigur Hank Hill ist. Oder aus „You Only Move Twice“, einer der besten Episoden der Simpsons, in der Homer einen neuen Job im Atomkraftwerk von Hank Scorpio antritt - ein freundlicher, umsichtiger, moderner Chef und Superschurke, der nach der Weltherrschaft strebt.
Homer, von Scorpio inspiriert, seine eigenen Führungsqualitäten zu entdecken, kauft sich in der Episode ein besonderes Accessoire, um sein neues Selbstbewusstsein zu unterstreichen: einen der berühmten Fedora-Hüte, die Landrys Markenzeichen waren.
Tom Landry, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, war einer der größten Trainer in der Geschichte der NFL- und steht für ein Vermächtnis, das in vielerlei Hinsicht unerreicht ist.
Ein „Dream Team“ in New York
Thomas Wade Landry, geboren am 11. September 1924 als Sohn eines Automechanikers in der Stadt Mission in Texas, kämpfte in jungen Jahren als Bomber-Pilot im 2. Weltkrieg - inspiriert von Bruder Robert, der sich nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor bei der Armee einschrieb und bei einem Transport-Flug über den Atlantik ums Leben kam.
Als aktiver Spieler war Landry ein erfolgreicher Defensive Back, Punter und Kick Returner für die New York Giants, wo er auch seine Trainer-Karriere begann.
Zwischen 1954 und 1959 war er Defensiv-Koordinator, mehrere Jahre lang in einem Dream Team mit Vince Lombardi als Mann für die Offensive - Lombardi führte später die Green Bay Packers zu den Triumphen in den ersten beiden Super Bowl und wurde nach seinem frühen Krebstod 1970 zum Namensgeber des Meisterpokals.
Tom Landrys Ideen revolutionierten die NFL
Schon bei den Giants begründete Landry seinen Ruf als „Great Innovator“, er hob die 4-3-Defensive aus der Taufe, die bis heute das übliche Abwehrsystem in der NFL ist. Als er Chefcoach der Dallas Cowboys wurde, entwickelte er die Idee der „Flex Defense“, in der jedem Verteidiger ein bestimmter Teilbereich des Feldes zugewiesen wurde - eine Revolution, vergleichbar mit der Umstellung von Mann- auf Raumdeckung im Fußball.
Nicht erdacht, aber neu popularisiert wurde von Landry auch die „Shotgun Offense“, die Passformation, bei der der Quarterback ein Stück hinter der Offensive Line platziert wird und so mehr Zeit bekommt, vor seiner Aktion die gegnerischen Abwehrbewegungen zu lesen.
Der Erfindergeist Landrys drückte sich auch darin aus, dass er für einzelne Positionen Athleten aus anderen Sportarten scoutete - die Fußballer Efren Herrera und Rafael Septién als Kicker, 100-Meter-Olympiasieger Bob Hayes als Wide Receiver.
Er formte die Dallas Cowboys zu „America‘s Team“
Landry, der die Spiele stets mit Hut und Anzug und meist stoischer Miene begleitete, begründete in Dallas eine Ära, worin keinerlei Übertreibung steckt: Er trainierte die Cowboys von 1960 bis 1988 - 29 Jahre lang!
Nicht nur Landrys Amtszeit ist bis heute die längste der NFL-Geschichte, Rekord ist auch seine Bilanz von 20 aufeinander folgenden Saisons mit mehr Siegen als Niederlagen.
In den Jahren 1972 und 1978 führte Landry die Cowboys mit Quarterback „Captain America“ Roger Staubach zum Gewinn des Super Bowls. Die Ära Landry begründete die Legende der Cowboys als „America‘s Team“ - das Landry nicht mochte, weil es eine Motivationsspritze für die Gegner war.
Die große Karriere endete unwürdig
Landrys einzigartige NFL-Karriere nahm 1988 ein unwürdiges Ende: Jerry Jones, der neue Boss der Cowboys, feuerte die Legende einen Tag, nachdem er die Franchise kaufte - er sah Landry, dessen Bilanz am Ende schwächer geworden war, als Altlast, die er für den Neuanfang loswerden musste. Er installierte Jimmy Johnson, der in den Neunzigern die neue Cowboys-Generation mit Troy Aikman, Emmitt Smith und Michael Irvin zu zwei Super.-Bowl-Siegen führte.
Das Verhältnis zwischen Landry und Jones - dem das Team bis heute gehört - blieb jahrelang belastet. Landry übernahm keinen Job mehr in der NFL, erlebte aber noch mit, wie sein Vermächtnis gebührend gewürdigt wurde: Er zog in die Hall of Fame und den „Ring of Honor“ der Cowboys ein, wurde von der Stadt Dallas mit Ehrungen überhäuft.
„Eine Inspiration für alle, die je Football gespielt oder gesehen haben“, nannte ihn der damalige US-Präsident George H.W. Bush.
Landrys Vermächtnis ist in Texas omnipräsent
Landry übernahm nie wieder einen Trainerjob, der dreifache Familienvater und gläubige Christ starb am 12. Februar 2000 an Leukämie.
Nach seinem Tod bauten die Cowboys Landry ein bronzenes Denkmal, in Texas wurden Stadien, eine Grundschule, eine Universitätssaal und sogar ein Autobahn-Highway nach der Football-Ikone benannt.
Landry und seine 2021 verstorbene Frau Alicia liegen begraben auf dem Texas State Cemetery, auf dem Grab ist der Stern der Cowboys eingraviert, dazu ein Bibelzitat, das Landrys Selbstbild ausdrückt (“Recht so, du bist ein guter und treuer Diener“ - Matthäus 25, 21) - und Landrys Fedora-Hut.