Marokko nimmt nach Erdbeben Hilfsangebote von vier Ländern an
In einem immer verzweifelteren Wettlauf gegen die Zeit haben Rettungsteams in Marokko am Montag ihre Suche nach Überlebenden des verheerenden Erdbebens fortgesetzt. Die Aussicht, drei Tage nach dem Beben mit knapp 2500 Toten noch Verschüttete lebend zu finden, schwindet zusehends. Rabat lässt derzeit nur Such- und Rettungsteams aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Land.
Viele andere Länder, darunter Deutschland, Frankreich und die USA, hatten Marokko zunächst vergeblich ihre Hilfe angeboten. Das Innenministerium in Rabat bedankte sich am Sonntag für die Angebote, betonte aber, dass Marokko den Entsendungen aus den vier Ländern erst zugestimmt habe, "nachdem es eine sorgfältige Bewertung des Bedarfs vor Ort vorgenommen" und eine gut Koordination sichergestellt hätte.
Marokko werde auf weitere Hilfsangebote zurückkommen, "wenn sich der Bedarf ändern sollte", fügte das Innenministerium hinzu.
Das schwere Erdbeben hatte das nordafrikanische Land in der Nacht zum Samstag erschüttert. Das Epizentrum lag rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch in der Provinz Al-Haouz. Am Montagmittag meldete das Innenministerium 2497 Tote und 2476 Verletzte.
Luftaufnahmen zeigten Dörfer am Fuße des Hohen Atlas, die dem Erdboden gleichgemacht wurden. Helfer suchten in den Trümmern eingestürzter Häuser fieberhaft nach Überlebenden, teilweise mit bloßen Händen.
Spanien entsandte zwei Flugzeuge mit 86 Rettungshelfern und Spürhunden nach Marokko. Katar schickte nach Angaben eines AFP-Journalisten am Sonntagabend ein Flugzeug mit Rettungsfahrzeugen und anderen Hilfsgütern.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, sein Land sei zur Hilfe bereit, sobald Marokko darum bitte. Außenministerin Catherine Colonna wies Spekulationen über diplomatische Spannungen mit Rabat zurück. "Marokko hat keine Hilfsangebote ausgeschlagen", sagte Colonna dem Sender BFM. "Das Land kann nur allein bestimmen, welche Hilfe und in welchem Zeitraum es sie braucht".
Die Ministerin kündigte eine Finanzhilfe in Höhe von fünf Millionen Euro an. Sie soll die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen unterstützen, die bereits vor Ort im Einsatz seien.
Auch die Bundesregierung will ihr Hilfsangebot für die Erdbebengebiete in Marokko aufrecht erhalten. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wollte sich nicht zu den Gründen für das Zögern der marokkanischen Regierung äußern: "Darüber lohnt es sich von unserer Seite aus nicht zu spekulieren", sagte er.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte: "Politische Gründe kann man hier ausschließen." Möglicherweise gebe es dafür organisatorische oder logistische Gründe auf marokkanischer Seite. "Ich bin sicher, dass man sich sehr genau Gedanken gemacht hat, welche Einsatzkräfte man wo einsetzen kann." Der Stand der diplomatischen Beziehungen zu Marokko sei "gut".
Aus Kreisen deutscher Helfer verlautete, grundsätzlich sei es "vollkommen normal, dass ein Land selbst entscheidet, welche Hilfe es annimmt". Die Einsätze im Katastrophengebiet müssten "zentral geplant und koordiniert werden", sonst breche "Chaos" aus.
Unterdessen begannen die marokkanischen Behörden mit der Errichtung von Notunterkünften. Entlang der Straße zu dem fast völlig zerstörten Dorf Tikht wurden Zelte aufgestellt, Mitglieder des staatlichen Katastrophenschutzes trugen Feldbetten von einem Militärlastwagen zu den Zelten. Auch Vertreter gemeinnütziger Gruppen waren vor Ort, um den Bedarf zu ermitteln.
Die Hilfsbereitschaft in Marokko war enorm: In den Krankenhäusern von Marrakesch und vielen anderen Orten meldeten sich viele Menschen, um Blut zu spenden. Unter den Spendern war auch die marokkanische Fußballnationalmannschaft.
Nach Klagen über die langsame Reaktion der Behörden organisierten andere Freiwillige Lebensmittel und andere lebenswichtige Güter für die Erdbebenopfer. "Jeder muss sich engagieren", sagte der freiwillige Helfer Mohamed Belkaid. "Das gilt auch für die Behörden, aber die scheinen nicht da zu sein", fügte der 65-Jährige hinzu.
ans/ma