Netanjahu schließt Waffenruhe mit der Hamas kategorisch aus
Israel macht nach eigenen Angaben bei seiner Militäraktion gegen die Hamas "Fortschritte" - und schließt eine unter anderem von der UNO geforderte Waffenruhe weiter kategorisch aus. Die Armee "kommt Etappe für Etappe voran", sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Montagabend und betonte zugleich: Eine Waffenruhe "wird es nicht geben". Die israelische Armee meldete indes die Befreiung einer von der radikalislamischen Hamas entführten Soldatin im Gazastreifen.
Israel hat seit einigen Tagen seine Luftangriffe auf den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen verstärkt. Innerhalb von 24 Stunden seien mehr als 600 Ziele im Gazastreifen von Kampfjets, Drohnen und Artillerie getroffen und dutzende "Terroristen" getötet worden, "die sich in Gebäuden und Tunneln verbarrikadiert hatten und einen Angriff versuchten", erklärte die Armee am Montag.
Zugleich weitete Israel seine Bodeneinsätze im Gazastreifen aus. Auf von der Armee veröffentlichten Videos waren Kolonnen israelischer Panzer und gepanzerter Bulldozer zu sehen, die sich durch den Sand wühlten. Weiter zeigten diese Aufnahmen israelische Scharfschützen, die Stellung in leerstehenden Wohnhäusern beziehen.
Augenzeugenberichten zufolge rückten kurzzeitig israelische Panzer in ein Viertel am Stadtrand von Gaza-Stadt vor. "Dutzende" Panzer seien in den Bezirk Al-Seitun eingedrungen und hätten wichtige Straße vom Norden in den Süden des Palästinensergebiets abgeschnitten. Autos, welche die Straße befuhren, wurden demnach beschossen. Nach knapp einer Stunde zogen sich die Panzer den Augenzeugen zufolge wieder in Richtung Grenze zurück.
Bei den Bodeneinsätzen konnte die israelische Armee nach eigenen Angaben eine von der Hamas verschleppte Soldatin befreien. Ori Megidish sei bei einem nächtlichen Bodeneinsatz gerettet worden, teilte die Armee. "Die Soldatin wurde medizinisch untersucht, ihr geht es gut, sie hat ihre Familie getroffen."
Die Hamas hatte am 7. Oktober einen beispiellosen Großangriff auf Israel gestartet. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1400 Menschen in Israel getötet. Zudem verschleppte die Hamas laut Armeeangaben mindestens 239 Menschen in den Gazastreifen. Vier der Entführten ließ die radikale Organisation von sich aus inzwischen frei.
Unter den Entführten sind auch mehrere Ausländer, darunter Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Am Montag teilte das israelische Außenministerium mit, dass die von der Hamas verschleppte Deutsche Shani Louk getötet worden sei.
Die Hamas veröffentlichte ihrerseits ein Video, das drei als Geiseln genommene Israelinnen zeigt. In dem auf Hamas-nahen Medien verbreiteten, 76 Sekunden langen Video sind drei auf Plastikstühlen sitzende Frauen zu sehen. Eine von ihnen fordert auf Hebräisch Netanjahu zu einem "Gefangenenaustausch" auf. Der israelische Regierungschef bezeichnete die Bilder wenig später als "grausame Propaganda" der Hamas.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff hatte Israel den Gazastreifen komplett abgeriegelt und mit dessen Bombardierung begonnen. Durch die israelischen Angriffe wurden nach jüngsten, nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas mehr als 8300 Palästinenser getötet. Hunderttausende Menschen sind innerhalb des dicht bevölkerten Gebietes auf der Flucht. Die humanitäre Lage ist katastrophal.
Angesichts der Not der Zivilisten waren zuletzt international die Rufe nach einer Feuerpause lauter geworden. Eine solche wurde unter anderem von UN-Generalsekretär António Guterres gefordert, um die Menschen im Gazastreifen mit dem Nötigsten versorgen zu können.
Netanjahu wies dies entschieden zurück. "Die Aufrufe zu einer Waffenruhe sind Aufrufe an Israel, sich gegenüber der Hamas, gegenüber dem Terrorismus, gegenüber der Barbarei zu ergeben", sagte er am Montagabend bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv. "Dies wird niemals geschehen." Israel werde vielmehr "so lange kämpfen, bis dieser Kampf gewonnen ist". Dabei versuche die Armee alles, um Zivilisten zu schützen, versicherte er.
Zugleich forderte Netanjahu die internationale Gemeinschaft auf, sich mehr für die "sofortige, bedingungslose" Freilassung der Hamas-Geiseln zu engagieren. Andere Länder müssten die israelischen Bemühungen um die Geiseln mehr unterstützen.
Auch im von Israel besetzten Westjordanland eskaliert die Gewalt zunehmend. Nach palästinensischen Angaben wurden in dem von der mit der Hamas rivalisierenden Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas regierten Gebiet am Montag fünf Menschen bei israelischen Armeeeinsätzen getötet. Insgesamt seien seit dem 7. Oktober mehr als 120 Palästinenser im Westjordanland getötet worden - bei Einsätzen der israelischen Armee, aber auch durch jüdische Siedler. Angesichts der Eskalation forderte die Bundesregierung Israel auf, palästinensische Zivilisten vor Übergriffen jüdischer Siedler zu schützen.
jes/cp