UNO: Mehrzahl der Todesopfer in Libyen hätte vermieden werden können
Die Mehrzahl der Todesopfer bei den Überschwemmungen in Libyen hätte nach Ansicht der Vereinten Nationen vermieden werden können. Dafür wären ein funktionierendes Warnsystem vor der drohenden Katastrophe sowie ein besseres Krisenmanagement notwendig gewesen, erklärte am Donnerstag die UN-Weltwetterorganisation (WMO). International lief derweil die Hilfe für die Überlebenden der Katastrophe an, bei der nach offiziellen Angaben mindestens 4000 Menschen getötet wurden.
Die exakte Opferzahl war auch am Donnerstag noch nicht bekannt. Dass so viele Menschen ihr Leben verloren, hätte nach Ansicht der WMO aber verhindert werden können. Wenn es in dem von jahrelangem Bürgerkrieg zerrütteten Land eine bessere Koordination gegeben hätte, dann hätten Warnungen ausgegeben und die Bevölkerung evakuiert werden können, sagte Organisationsvertreter Petteri Taalas in Genf. "Und wir hätten die meisten der menschlichen Opfer vermeiden können."
Taalas verwies unter anderem darauf, dass durch den Bürgerkrieg in Libyen "große Teile des Wetterbeobachtungssystems zerstört wurden". Weil die nötigen Warnungen ausblieben, habe es keine Evakuierungen gegeben. Zudem habe in mehreren Städten im Osten des Landes, darunter die besonders betroffene Küstenstadt Darna, eine Ausgangssperre gegolten - die Menschen mussten also in ihren Häusern bleiben.
Ein Sturmtief hatte am Sonntag den Osten Libyens heimgesucht und zu heftigen Überschwemmungen geführt. Vor allem die Küstenstadt Darna wurde schwer getroffen, weil zwei Flussdämme brachen. Die Helfer kämpfen mit äußerst schwierigen Bedingungen durch zerstörte, blockierte und überschwemmte Straßen.
In Darna beispielsweise ist auch die Brücke über den Fluss eingestürzt, die den Ost- mit dem Westteil der 100.000-Einwohner-Stadt verbindet. Ganze Stadtviertel entlang der Mittelmeerküste sind völlig überflutet. Verstörte und verzweifelte Menschen suchten auch am Donnerstag nach ihren Angehörigen. Entlang der Straßen der Küstenstadt lagen in Säcke gehüllte Leichen, die noch nicht beigesetzt werden konnten.
Neben den vielen Toten gibt es auch tausende Verletzte und zehntausende Obdachlose. Die Hilfe für die Betroffenen lief zunächst nur langsam an, inzwischen kommt sie vor allem aus dem Ausland aber in Schwung. Noch am Donnerstag wurde beispielsweise ein italienisches Marineschiff zur logistischen und medizinischen Unterstützung vor der libyschen Küste erwartet. Militärtransportflugzeuge aus Ländern des Nahen Ostens und Europas flogen Nothilfe in das nordafrikanische Land.
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch mitgeteilt, erste Hilfsgüter aus Deutschland, Rumänien und Finnland in die Überschwemmungsgebiete gesendet zu haben. Frankreich schickte rund 40 Rettungskräfte und mehrere Tonnen medizinisches Material. Großbritannien kündigte am Mittwoch ein "erstes Paket" mit Hilfsgeldern in Höhe von bis zu einer Million Pfund (rund 1,2 Millionen Euro) für Libyen an.
Die Türkei war eines der ersten Länder gewesen, die auf die Katastrophe reagierten. Ankara erklärte am Mittwoch, per Schiff weitere Hilfe ins Land zu senden, so etwa zwei Feldlazarette. Auch Algerien, Katar und Tunesien sagten Unterstützung zu. Die Vereinigten Arabischen Emirate schickten zwei Flugzeuge mit 150 Tonnen Hilfsgütern. Aus Kuwait startete am Mittwoch ein Flieger mit weiteren 40 Tonnen Material. Die UNO hat zehn Millionen Dollar (etwa 9,3 Millionen Euro) Hilfsgelder für die Überlebenden der Überflutungen zugesagt.
jes/cp