Wie verwandelt
45 Gegentore in 34 Liga-Spielen, so viele wie seit über 14 Jahren nicht. Tabellendritter in der Bundesliga. Aus im DFB-Pokal gegen einen Drittligisten. Seit zwölf Jahren wieder eine titellose Saison. Die zurückliegende Spielzeit des FC Bayern glich einem Seuchenjahr.
Als Sinnbild dieser Krise mussten dabei vor allem Dayot Upamecano und Minjae Kim herhalten. Der Südkoreaner war im Sommer mit vielen Vorschusslorbeeren vom italienischen Meister SSC Neapel zu den Münchner gewechselt, konnte an seine starken Leistungen aus der Serie A jedoch nicht anknüpfen.
Und auch Upamecanos Auftritte waren oft enttäuschend, so wirkte der Franzose zunehmend unsicher. Beispiele gefällig? Upamecano handelte sich in zwei aufeinanderfolgenden Spielen einen Platzverweis ein - beide Spiele (0:1 bei Lazio Rom und 2:3 beim VfL Bochum) verloren die Münchner.
Auch Kim hatte folgenschwere Patzer im Repertoire: Beim blamablen Pokal-Aus gegen Saarbrücken kam ein Zuspiel des Innenverteidigers nicht beim Mitspieler an - der Außenseiter traf zum zwischenzeitlichen Ausgleich.
Unvergessen ebenso: Seine beiden Aussetzer im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid, die den Rekordmeister mutmaßlich das Finale kosteten.
Upamecano und Kim steigern sich
Auch im ersten Saisonspiel der aktuellen Saison offenbarten beide Abwehrspieler wieder Probleme. Beim 3:2-Erfolg in Wolfsburg zeigte sich vor allem Kim noch nicht in Form, fiel immer wieder durch unsicheres Passspiel auf. Sein Fehler vor dem zwischenzeitlichen Führungstreffer der Wolfsburger nutze Patrick Wimmer eiskalt, um zum 2:1 einzunetzen.
Nicht wenige befürchteten, die Patzer würden sich erneut über die ganze Saison ziehen. Doch seitdem wusste sich der Südkoreaner kontinuierlich zu steigern. Und auch Upamecano zeigte sich stark verbessert, was auch ein Blick auf die Statistik beweist.
Seit dem Wolfsburg-Spiel am ersten Spieltag kassierten die Münchner in der Bundesliga nur ein einziges weiteres Gegentor: beim 6:1-Kantersieg in Kiel. Nach vier Spielen rangieren sie mit drei Gegentoren auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle, nur RB Leipzig und Union Berlin haben weniger kassiert (zwei Gegentore).
Beim 9:2-Kantersieg in der Champions League gegen Dinamo Zagreb wackelten die Münchner zu Beginn der zweiten Halbzeit kurz, doch dies war eher ein kollektives Mannschaftsversagen als individuelle Fehler der Verteidigung.
In Bremen zeigte der Rekordmeister im Defensivverhalten dann seine ganze Klasse, ließ über 90 Minuten keinen einzigen Torschuss zu - auch ein Verdienst des Innenverteidiger-Duos.
Kompanys Spielidee hilft
Doch wie hat es Kompany geschafft, die Abwehr zu stabilisieren und speziell Upamecano sowie Kim neues Selbstvertrauen einzuflößen? Ein datenbasierter Vergleich der beiden Verteidiger mit der vergangenen Bundesliga-Saison von Sportec Solutions gibt Aufschluss.
Seit Tag eins fällt auf, wie hoch Bayerns letzte Verteidigungslinie unter Kompany steht. An den ersten vier Spieltagen betrug der durchschnittliche Abstand des letzten Bayern-Verteidigers zur eigenen Torauslinie 41,9 Meter - und damit mehr als zwei Meter weiter vom eigenen Tor entfernt als noch in der vergangenen Spielzeit (39,6).
Die Münchner verteidigen kompakter und geschlossener, der Ball soll durch hohes Mann-gegen-Mann-Pressing schnell wiedergewonnen werden, was die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen verkürzt und dem Gegner weniger Lücken bietet. Dies hilft auch der Abwehr, noch dazu ist jeder Spieler dazu angehalten, beim Verteidigen mitzuhelfen.
Schnelligkeit als Trumpf
Ein riskanter, weil sehr offensiver Spielstil, der schnelle Verteidiger wie den Franzosen und den Südkoreaner unabdingbar macht und ihren Fähigkeiten entgegenkommt - im Gegensatz zu Matthijs Ligt, der gegenüber seinen ehemaligen Mannschaftskollegen das Nachsehen hatte.
Sowohl Kim (34,8 km/h) als auch Upamecano (35 km/h) waren in der vergangenen Saison deutlich schneller als der Niederländer (32,8 km/h) und somit besser geeignet für den Kompany-Fußball.
Das spiegelt sich auch in den statistischen Werten des Duos wider. So konnte Kim seine Zweikampfquote von 63 Prozent in der vergangenen Saison auf 67 Prozent in dieser Spielzeit steigern und hat damit den Bestwert aller Bayern-Akteure. Mit 68 abgefangenen Zuspielen der Gegner liegt er aktuell sogar ligaweit auf Platz eins.
Der 27-Jährige profitiert zudem, dass Kompany ihn wieder auf der linken Innenverteidigerposition spielen lässt. Dort hatte er schon bei der SSC Neapel zu überzeugen gewusst und wurde als bester Abwehrspieler der Serie A ausgezeichnet.
Verbesserte Werte für Kim und Upamecano
Auch Upamecano konnte sich in nahezu allen relevanten Kategorien verbessern. Besonders seine Passsicherheit ist hier hervorzuheben, mit 96 Prozent hat er den Top-Wert im Bayern-Team.
Zudem bestritt er in dieser Saison auch mehr Zweikämpfe - im Schnitt 19 pro 90 Minuten - als im Vorjahr (16) und gewann 64 Prozent davon. Vergangene Saison entschied er lediglich 59 Prozent seiner Zweikämpfe für sich. Das aggressivere Nach-vorne-Verteidigen macht sich also bemerkbar.
Was Kim und Upamecano außerdem zugutekommt: Das Duo erhält nun klare Anweisungen des Trainers, wann sie sich in die Offensive einschalten und wann sie die Defensive absichern sollen. Das hilft dabei, Abstimmungsproblemen vorzubeugen und Fehler zu minimieren.
Die Bayern-Wochen der Wahrheit
Nach sechs Pflichtspielen stehen die Bayern mit fünf Gegentoren da - unter Thomas Tuchel waren es zur gleichen Zeit doppelt so viele. Doch zur Wahrheit gehört auch: Die wirklichen Herausforderungen kommen noch.
Mit Leverkusen wartet am Samstag der erste richtige Härtetest. Es folgen mit Aston Villa (A), Eintracht Frankfurt (A), dem VfB Stuttgart (H) und dem FC Barcelona (A) weitere nationale und europäische Hochkaräter.
Spätestens dann wird sich zeigen, wie sicher die Defensive der Münchner - und speziell Kim und Upamecano - wirklich stehen. Bisher ging der Plan von Kompany jedoch voll auf.