Der womöglich größte Olympia-Held der Geschichte

Der womöglich größte Olympia-Held der Geschichte
Der womöglich größte Olympia-Held der Geschichte

Sie nannten ihn den „Mann mit dem goldenen Arm“ - einem Arm, der Amerikas Leichtathletik so viele Erfolge einbrachte wie kaum ein anderer.

Al Oerter war in den fünfziger und sechziger Jahren der beste Diskuswerfer der Welt, zwischen 1956 und 1968 gewann er bei vier Olympischen Spielen vier Mal Gold. Eine damals einzigartige Serie, wie sie in der Leichtathletik später nur noch Carl Lewis im Weitsprung erreichte. (Carl Lewis: Der spät enthüllte Makel der Legende)

Vor 17 Jahren starb die olympische Ikone, die ihren Sport jahrelang auf beispiellose Weise beherrschte.

Al Oerter: Ein frühes Mentalitätsmonster

Alfred Adolf Oerter Jr., wie der Nachfahre deutscher Auswanderer eigentlich hieß, war legendär für seine mentale Stärke.

„Er hat sie alle mit dem Kopf beherrscht“, sagte einst Mac Wilkins, der Olympiasieger von 1976 nach einer längeren Unterredung mit seinem Landsmann, in dem er dessen Siegeraura noch zu spüren schien.

Der 1,93 Meter große und zu aktiven Zeiten 127 Kilogramm schwere Koloss aus New York war ein Eigenbrötler, hatte keinen Trainer und schaffte es mit seinen oft unkonventionellen Vorbereitungsmethoden immer wieder, auf den Punkt in Hochform zu kommen.

Vor keinem seiner Olympia-Triumphe hatte er den Weltrekord inne, im entscheidenden Moment war er dennoch immer besser als seine Konkurrenten. „Wenn es Mann gegen Mann geht, sind Weltrekorde keinen Penny wert. Sie hat ohnehin der Wind gemacht“, befand Oerter einmal.

Viermal Olympia-Gold - trotz vieler Widrigkeiten

Oerter überstand auf dem Weg zu seiner historischen Siegesserie auch viele Widrigkeiten: Beim ersten Olympia-Triumph in Melbourne verpasste er als krasser Außenseiter fast das Finale, wuchs dort dann aber mit dem bis dato besten Wurf seiner Karriere über sich hinaus.

1957 starb er fast bei einem Autounfall und bangte um seine Karriere, drei Jahre später stand er in Rom wieder oben auf dem Treppchen. 1964 in Tokio konnte er das große Duell gegen seinen damaligen Hauptkonkurrenten Ludvik Danek aus der Tschechoslowakei wegen einer schmerzhaften Rippenverletzung nicht beenden - der Gold-Wurf gelang ihm rechtzeitig vorher.

„Ich glaubte damals bei jedem Wurf, jemand reißt mir die Rippen aus dem Leib. Aber das sind die Olympischen Spiele - du stirbst für sie“, sagte Oerter.

1968 in Mexiko City hielten viele die Zeit des Giganten für abgelaufen, da Teamkollege Jay Silvester regelmäßig bessere Weiten ablieferten – nicht jedoch bei Olympia, als mal wieder Oerters Stunde schlug. Der größte Mythos der Leichtathletik blieb intakt.

Sensationelles Comeback mit über 40

Ein Jahr nach dem vierten Gold-Coup trat der zweifache Familienvater zurück und begann ein neues berufliches Leben in der jungen Computer-Branche und verwirklichte sich nebenbei mit abstrakter Malerei. Die Scheidung seiner ersten Ehe beförderte Comeback-Gedanken.

Einen ersten Versuch brach er 1976 ab, weil der Muskelaufbau mit Steroiden - kurz vor deren Verbot - gesundheitliche Probleme verursachte. Oerter wurde danach ein scharfer Doping-Kritiker und -Mahner.

Mit Blick auf Olympia 1980 griff Oerter nochmal an, mit Hilfe eines Biomechanik-Spezialisten aus Israel gelang ihm Sensationelles: Er warf die Scheibe mit 43 Jahren nochmal 4,68 m weiter (69,46 m) als zu seinen Olympiasieger-Zeiten.

Bei den Trials für das US-Team verpasste Oerter dennoch den erhofften Kaderplatz im US-Team. Der Boykott der Spiele in Moskau wegen des Afghanistan-Kriegs machte dann ohnehin alles hinfällig - Oerter wurde Zweiter bei den Gegenspielen in Philadelphia.

Oerter versuchte als letzte große Mission, es zu den Spielen in Los Angeles 1984 zu schaffen - vergeblich. Verletzungsprobleme zwangen ihn zum Abbruch des waghalsigen Projekts, 1986 hörte er mit 50 Jahren endgültig auf.

Viele gesundheitliche Probleme

So erfolgreich Oerter als Sportler war: Seine Gesundheit machte dem Hünen lange Probleme. Schon in seiner Jugend hatte er Bluthochdruck, später litt er lange unter Herzproblemen.

Im Jahr 2003 war Oerter nach Komplikationen wegen einer Medikamenten-Umstellung schon klinisch tot, Ärzte rieten ihm später zu einer Herz-Transplantation, die er ablehnte: „Ich hatte ein interessantes Leben und ich gehe jetzt mit dem, was ich habe.“

Am 1. Oktober 2007 starb der große Al Oerter mit 71 Jahren an Herzversagen. „Al war ein sanfter Gigant, größer als das Leben“, verabschiedete sich seine Witwe Cathy.