Spott nach Trennung - Bei Baerbock „verrohen“ die Menschen – Psychologin erklärt, warum

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).<span class="copyright">Sina Schuldt/dpa</span>
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).Sina Schuldt/dpa

Annalena Baerbock muss nach ihrem Ehe-Aus Spott und Häme über sich ergehen lassen. Psychologin Martina Lackner analysiert, warum die Außenministerin und andere Grüne zur Zielscheibe werden - und warum bei ihnen so viele Menschen verrohen.

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Das Privatleben von Politikern: Wenn Grenzen verschwimmen

Das Privatleben von Politikern ist politisch geworden. Die Trennung zwischen privatem und öffentlichem Leben existiert kaum noch. Soziale Medien haben ermöglicht, dass jeder über jeden Bescheid zu wissen glaubt und sich zu allem eine Meinung bilden müsste.

Diese Plattformen haben Grenzen verschoben oder vollständig aufgehoben: Jeder darf alles äußern, Meinungen oder die Steigerung davon, Hasskommentare, dominieren die sozialen Medien. Normen und Verhaltensregeln sind durch den kollektiven Meinungsstrom ersetzt worden.

Da es kaum strafrechtliche Konsequenzen gibt, scheint ein nahezu rechtsfreier Raum zu entstehen. Menschen agieren ungefiltert und ohne Reflexion, moralisch-ethische Prinzipien treten in der vermeintlichen Anonymität in den Hintergrund. So verschwimmt die Grenze zwischen sachlicher Kritik und Angriffen auf das Privatleben.

Diese Dynamik führt dazu, dass Inhalte und Persönliches immer stärker vermischt werden. Psychologisch betrachtet „entarten“ Menschen in ihren Verhaltensweisen, wenn ihnen keine Grenzen gesetzt werden oder keine wirklichen Sanktionen drohen. Manche Menschen ohne verinnerlichtes Wertesystem verrohen ohne äußere Grenzen. Sie werden zunehmend unkontrollierbar und steuerbar. Zutage treten gewalttätige, aggressive Kommunikationsmuster, die sie unter normenhaften und regelgesteuerten Bedingungen nicht zeigen würden.

 

Frauen in der Politik: Zwischen Erfolg und Vorurteilen

Deutschland ist in vielerlei Hinsicht frauenfeindlicher, als es sich selbst eingestehen möchte. Während nach außen ein modernes Bild vermittelt wird – etwa durch Quotenregelungen oder Diversity-Kampagnen –, sieht die Realität anders aus. Frauen stoßen immer noch auf Vorurteile und Widerstände, besonders in Führungspositionen.

Frauen in Machtpositionen bedrohen unbewusst männliche Selbstbilder. Deutsche Männer kämpfen oft mit einem schlechten Selbstwertgefühl und haben Angst, von kompetenten Frauen überholt zu werden. Diese Dynamik zeigt sich in der Abwertung von Frauen, sei es durch sexistische Kommentare oder gezielte Kritik an ihrem Familienleben. Frauen stehen zudem in einem Double-Bind: Karriere wird als egoistisch, Familienorientierung als rückständig betrachtet.

Die Lösung? Frauen sollten sich weniger von gesellschaftlichen Erwartungen oder männlichen Urteilen beeinflussen lassen und konsequent ihren eigenen Weg gehen. Sie können es ohnehin nie allen recht machen, also sollten sie sich vom Anpassungsdruck lösen.

 

Der Fokus auf das Äußere: Baerbock im Kreuzfeuer

In Deutschland herrscht eine Mentalität des Neides. Der Erfolg anderer – besonders von Frauen – wird oft als Provokation empfunden. Wenn eine Politikerin wie Baerbock hohe Ausgaben für Styling tätigt, während Teile der Gesellschaft mit Armut kämpfen, wirkt dies wie ein Affront.

Die Debatte um ihr Äußeres zeigt noch eine andere gesellschaftliche Schieflage: Während von Frauen Perfektion erwartet wird, wird jede Investition in ihr Erscheinungsbild gleichzeitig kritisiert. Baerbocks Ehe-Aus zog zusätzlich gehässige Kommentare nach sich , die sich auf das vermeintliche Scheitern ihres Lebensmodells bezogen: eine Frau, die Karriere und Familie verbinden wollte. Dies wird in einer konservativ geprägten Gesellschaft oft als unrealistischer Anspruch abgewertet. Vereinbarkeit von Familie und Karriere geht halt doch nicht, ist die Denke von Männern, aber auch Frauen.

Lehren aus dem Umgang mit erfolgreichen Frauen

Der Fall Baerbock zeigt , wie tief misogynes Denken in der Gesellschaft verwurzelt ist. Frauen werden nicht nur für ihre Politik, sondern auch für ihr Privatleben, ihr Aussehen und ihre Entscheidungen angegriffen. Dahinter stecken Ängste, Machtverlust und der Wunsch, am Alten festzuhalten .

Die Lösung liegt in einem gesellschaftlichen Wandel: Solange mehrheitlich Männer glauben, nur durch Macht respektive den Job oder dem Karrierelevel seien sie jemand, solange werden sie nicht bereit sein, Macht abzugeben.

Was wir brauchen, ist ein neues Bild von Erfolg. Habeck hat versucht, einen neuen Wirtschaftsduktus einzuführen. Erfolg kann auch sein, sich nicht von Diktatoren und Autokraten abhängig zu machen, indem wir billiges Gas beziehen. Erfolg kann sein, wenn wir es schaffen, gesund zu altern.

Erfolg aus der Sicht des deutschen Mannes ist bisher fast ausschließlich definiert durch Führungsjobs, Dienstwägen deutscher Autohersteller, Boni und Partnerinnen, die ihnen den Rücken freihalten. Daher wird jede erfolgreiche Frau als Bedrohung empfunden. Wir müssen lernen - mit wir meine ich die gesamte Gesellschaft -, dass Erfolg mehr ist, als (berufliche) Macht.

Die Grünen als Projektionsfläche für Frust und Ängste

Annalena Baerbock steht für ein progressives, diverses und modernes Gesellschaftsbild: Klimaschutz, Atomausstieg, feministische Außenpolitik – Themen, die viele als Bedrohung empfinden. Die Grünen brechen mit gesellschaftlichen Tabus und setzen auf eine ideologiebasierte Agenda, die den traditionellen Werten und der konservativen Weltanschauung entgegensteht.

Das Programm der Grünen stellt eine Abkehr von der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität dar, die 16 Jahre unter der CDU und Angela Merkel geprägt wurde. Menschen fürchten steigende Energiekosten, den Verlust von Arbeitsplätzen und die Deindustrialisierung Deutschlands durch hohe Strom- und Gaspreise. Baerbocks Position als Frau, Außenministerin und Vertreterin feministischer Außenpolitik polarisiert zusätzlich, ebenso wie Themen wie Fleischverzicht und Klimaneutralität.

Die Grünen werden als Hauptverantwortliche für wirtschaftliche Probleme und den wahrgenommenen Verlust des Lebensstandards gesehen. Sie sind für viele eine Projektionsfläche für den Frust über Veränderungen, die den Status quo infrage stellen.

Hier zeigt sich, dass Menschen gerne den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Es ist viel leichter, die Verantwortung für den wirtschaftlichen Stillstand auf eine Partei abzuschieben, als über sich selbst zu reflektieren, was der Eigenanteil an einer frustrierenden Lebenssituation ist.

Das Thema Selbstverantwortung steht vor allem in Krisenzeiten selten an oberster Stelle von Maßnahmen, die Menschen ergreifen. Der deutsche Staat hat in seiner Fürsorge „vergessen“, das Thema Eigenverantwortung einzufordern. Dazu gibt es auch wenige Vorbilder auf politischer oder Unternehmensebene. Irgendeinen Rettungsschirm muss es geben, ehe die Bank oder die Autoindustrie den Bach hinuntergeht. Niemand will hier gerne die Frage stellen, warum Unternehmen an diesen Punkt geraten sind.

Vielleicht gab es ja vor den hohen Strompreisen noch ein Thema, das den Stein ins Rollen gebracht hat? Wie etwa das Verschlafen von neuen Technologien? Schuld sind immer die anderen, die Verantwortung liegt damit beim anderen und Rettung muss auch vom anderen kommen. In der Psychologie würde man dazu sagen: das ist Blame-Shifting.

 

Wie die Grünen auf die Polarisierung reagieren sollten

Eine Gesellschaft, die konservative Werte hochhält und Schwierigkeiten mit Veränderungen wie Gleichstellung, Klimaschutz oder erneuerbaren Energien hat, wird zwangsläufig auf progressive Ideen mit Gegenwind reagieren. Der Fehler der Grünen lag in der schnellen Umsetzung ihrer Konzepte. Die Menschen wurden nicht ausreichend „mitgenommen“, und die wirtschaftlichen Aspekte wurden oft vernachlässigt.

Zudem wird den Grünen – insbesondere Robert Habeck – mangelnde Wirtschaftskompetenz vorgeworfen. Hier könnte allerdings ein Perspektivwechsel angebracht sein: Vielleicht geht es in Zukunft weniger um Gewinnmaximierung als um Werte wie Unabhängigkeit von autoritären Regimen und ökologische Nachhaltigkeit. Doch dieser Wertewandel erfordert ein Umdenken, das vielen schwerfällt – insbesondere in einer Wohlstandsgesellschaft wie Deutschland, die ihren Lebensstandard halten möchte.

Die Grünen sollten stärker auf pragmatische Kommunikation setzen, den wirtschaftlichen Nutzen ihrer Konzepte betonen und ein Gefühl der Beteiligung und Gemeinschaft fördern, anstatt die Moralkeule zu schwingen.