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SSW zum ersten Mal nach 60 Jahren wieder im Bundestag: Dafür steht die Partei

Dem neuen Bundestag wird voraussichtlich mit Stefan Seidler auch der Spitzenkandidat des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) aus Schleswig-Holstein angehören. Möglich macht das eine Sonderregelung, welche die Fünf-Prozent-Hürde außer Kraft setzt.

Der Südschleswigsche Wählerverbands (SSW) nahm unter Stefan Seidler zum ersten Mal seit 60 Jahren wieder an der Bundestagswahl teil (Bild: Axel Heimken/dpa)
Der Südschleswigsche Wählerverbands (SSW) nahm unter Stefan Seidler zum ersten Mal seit 60 Jahren wieder an der Bundestagswahl teil (Bild: Axel Heimken/dpa)

Wer nicht im Norden Deutschlands wohnt, könnte bisher wenige bis gar keine Berührungspunkte mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) gehabt haben. 60 Jahre lang war die Partei der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen nicht mehr im Bundestag vertreten und wie es aussieht, wird sich das in der nächsten Legislaturperiode ändern. Zeit, einmal genauer hinzuschauen.

Wer ist der Spitzenkandidat des SSW?

Als fraktionsloser Abgeordneter steht Stefan Seidler bereit, um als Vertreter der dänischen Minderheit in den Bundestag einzuziehen. Hauptberuflich ist der 41-Jährige Dänemark-Koordinator der Landesregierung in Kiel und hat denselben Heimatwahlkreis wie Robert Habeck (Die Grünen). Der sah die Konkurrenz im Vorfeld der Bundestagswahl übrigens als groß genug an, um das Wahlprogramm der Grünen im Norden vorsichtshalber auch auf Dänisch übersetzen zu lassen.

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Sollte Stefan Seidler den SSW künftig tatsächlich in Berlin vertreten, gäbe es für ihn als Einzelabgeordneten allerdings ein paar Einschränkungen: In Ausschüssen hätte er kein Stimmrecht und im Parlament würde er nur in sehr begrenztem Umfang zu Wort kommen.

Wo steht der SSW politisch?

In seinem fast 80-seitigen Wahlprogramm hat der SSW die meisten Parallelen mit der SPD und den Grünen. Unter anderem sollen der Klima- und Umweltschutz schneller vorangetrieben werden, Verkehrsinfrastruktur und Digitalisierung besser ausgebaut und Hartz IV durch ein neues Sozialstaatsmodell ersetzt. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Minderheitenpolitik, wobei damit nicht nur die dänische Minderheit und die rund 10.000 Friesen gemeint sind. Der SSW will explizit auch die Sinti und Roma sowie die sorbische Minderheit stärken.

Warum gilt für den SSW die Fünf-Prozent-Hürde nicht?

Erst im Juli 2021 hat der Bundeswahlausschuss dem SSW den Rechtsstatus einer Partei einer nationalen Minderheit zugesprochen. In der Folge ist für ihn die Fünf-Prozent-Hürde sowohl bei der Bundestags- wie auch bei der Landtagswahl außer Kraft gesetzt.

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Um wirklich einen Sitz im Bundestag zu bekommen, muss der SSW, genau wie bei den Landtagswahlen auch, aber genug Stimmen bekommen, als dass ihm nach dem Berechnungsverfahren auch ein Sitz zusteht. Dafür benötigt er um die 50.000 Stimmen und damit ungefähr so viele, wie er bei vergangenen Landtagswahlen auch bekommen hat. Die Partei, die sich selbst als "Stimme des Nordens" bezeichnet, kann nur in Schleswig-Holstein gewählt werden.

Warum die Bundestagspause von 60 Jahren?

Der SSW wurde 1948 gegründet und nur ein Jahr später zog mit Hermann Clausen der bislang einzige Abgeordnete für eine Legislaturperiode ins Parlament ein. Die anfänglichen Erfolge verdankte der SSW damals vor allem Wünschen nach einem Anschluss Südschleswigs an Dänemark. Diese Forderung war allerdings schnell vom Tisch und die Anziehungskraft der Partei schwand. 1961 beschloss die Parteispitze dann, fortan nicht mehr zu Wahlen für den Bundestag anzutreten.

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung setzte sich der SSW seit den Siebzigerjahren verstärkt für eine "gesellschaftliche Neugestaltung nach skandinavischem Vorbild" ein und entwickelte sich in Richtung einer linksliberal ausgerichteten Programmpartei. Auf Landesebene hatte der SSW von 2012 bis 2017 zusammen mit den Grünen und der SPD in Schleswig-Holstein regiert, bei der Landtagswahl 2017 holte er rund 49.000 Stimmen.

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