Stöhnen, Seufzen, Schreien - Viel zu laut! – Wenn Sex zur Belästigung wird

Von Kommunikation über Lustverstärkung bis hin zur emotionalen Nähe kann Stöhnen lust-wirksame Effekte haben.<span class="copyright">Getty Images/Westend61</span>
Von Kommunikation über Lustverstärkung bis hin zur emotionalen Nähe kann Stöhnen lust-wirksame Effekte haben.Getty Images/Westend61

Für die einen ist lauter Sex ein Ausdruck der Lust, für die anderen die Ursache einer schlaflosen Nacht. Ist lauter Sex automatisch besserer Sex? Sexualberaterin Regina Heckert erläutert die psychologischen Hintergründe des Stöhnens vom zarten Seufzen bis zum animalischen Brüllen.

Leidenschaftlicher Sex – ein Fest der Sinne! Doch was tun, wenn das akustische Spektakel dabei so laut wird, dass die Nachbarn ungewollt mitswingen? Für die einen ist lauter Sex ein Ausdruck der Lust, für die anderen die Ursache einer schlaflosen Nacht. Was ein Paar zutiefst beglückt, kann für die Nachbarn schnell zur Nervenprobe werden – besonders, wenn mitten in der Nacht Lustschreie durch die dünnen Wände hallen.

„Für die Lustschreie meiner Hausmitbewohnerin habe ich mich fremdgeschämt. Ich hörte sie jedes Mal lautstark, wenn sie Sex mit ihrem Freund hatte. Mich selbst törnte das an, und so manches Mal habe ich in meinem Zimmer einfach mitgemacht und mich selbst befriedigt. Als mich jedoch das neunjährige Nachbarmädchen fragte, warum Eva jede Nacht bei offenem Fenster so laut schreit, dass ihre Eltern nicht schlafen können, war es mir echt peinlich.“ (Rosi)

Durch lautes Stöhnen werden unbeteiligte Mithörer unfreiwillig Zeugen des Geschehens. Hier stellt sich die Frage: Was tun, wenn ein Nachbar das eigene Schlafzimmer gezwungenermaßen in einen Erotikfilm verwandeln will? Ruhestörung oder doch einfach nur ein Fall von „Das gönne ich denen jetzt nicht“? Und ja, meistens sind es tatsächlich ältere Frauen, die sich beschweren, während Männer offenbar toleranter mit dem Klangpegel der Lust umgehen – oder es schlichtweg überhören.

Doch bevor man zur Polizei rennt oder einen bösen Zettel an die Tür heftet, wie wäre es mit einer kreativeren Lösung? Vielleicht die Ohrenstöpsel bereitlegen oder – wenn der Mut da ist – das Ganze sportlich nehmen? Denn wer weiß, ob man sich nicht selbst mal in einer ähnlichen Situation wiederfindet. Die ideale Vorstellung wäre natürlich, dass man sich während des Sex keine Gedanken darüber machen müsste, wen man gerade mit seinen Launen stört.

Die vielen Töne der Lust: Ist lauter Sex automatisch besserer Sex?

Die Bandbreite an Geräuschen, die beim Sex aus uns herausbrechen können, ist verblüffend vielfältig – vom zarten Seufzen bis zum animalischen Brüllen. Ob wir dabei laut oder leise sind, spielt eigentlich keine Rolle, solange das innere Erleben seinen Weg nach draußen findet. Denn wer seine Lust nur im Inneren festhält, verpasst die Chance auf die volle emotionale und körperliche Befriedigung.

Stöhnen gehört zum Sex wie Salz zur Suppe – egal, ob es sanft vor sich hinschnurrt oder das ganze Haus zum Beben bringt. Manche mögen es lieber dezent, während andere den Ruf der Wildnis in sich spüren und loslassen, als würden sie auf einer einsamen Insel im Dschungel leben.

„Meine erste sexuelle Vereinigung erlebte ich mit einer erfahrenen Frau. Sie schrie ihren Orgasmus förmlich heraus. Leider lag mein Ohr in der Nähe ihres Mundes und so befürchtete ich die ganze Zeit, dass mir das Trommelfell platzen würde. Beim nächsten Mal positionierte ich mich diesbezüglich günstiger.“ (Gerd)

Bleibt die Frage: Ist lauter Sex automatisch besserer Sex? Nicht unbedingt. Am Ende geht es nicht um die Lautstärke, sondern um Authentizität. Ob man beim Sex schnurrt, ruft oder einfach nur atmet – wichtig ist, dass es sich echt anfühlt. Denn nichts bringt mehr Spannung ins Schlafzimmer als die ehrliche, geräuschvolle Hingabe.

7 psychologische Gründe, warum Stöhnen mehr ist als nur Geräuschkulisse

Von Kommunikation über Lustverstärkung bis hin zur emotionalen Nähe kann Stöhnen lust-wirksame Effekte haben.

1. Sexuelle Kommunikation – Wenn Worte fehl am Platze sind

Beim Sex übernehmen Lustlaute nonverbal die Rolle der Kommunikation. Ein erregtes Stöhnen vermittelt deinem Partner genau, wo du auf der „Orgasmusleiter“ gerade stehst. Die Stimme ist das stärkste Ausdrucksmittel, um Lust zu zeigen.

2. Sich selbst in Stimmung bringen

Stöhnen ist nicht nur für den anderen da, es kann auch der stöhnenden Person selbst einen Kick geben. Die Vibrationen der eigenen Stimme erzeugen im Körper angenehme Schwingungen, die die Erregung steigern können. Das eigene Stöhnen kann zudem störende Gedanken im Kopfkino vertreiben und damit helfen, die Kontrolle loszulassen.

3. Den Partner anheizen – „Du machst das richtig!“

Stöhnen ist der geheime Lobgesang im Schlafzimmer. Es suggeriert deinem Partner, dass er ein guter Liebhaber ist, und stärkt ganz nebenbei sein Selbstbewusstsein. Diese kleine akustische Bestätigung sorgt für ordentliches Feuer im Bett.

4. Eine gute Geliebte sein wollen 

Ein weiteres Stöhnsignal: „Du machst alles richtig, ich habe Spaß!“ Besonders Frauen nutzen Stöhnen manchmal, um ihrem Partner zu zeigen, dass sie eine gute Geliebte sind. Ob immer authentisch oder nicht – der Effekt ist klar: Der Mann fühlt sich als Held im Bett.

5. Sex wird intensiver – Hörbarer Lustverstärker

Wenn die Lust nicht nur spürbar, sondern auch hörbar wird, steigt das Sex- Erlebnis auf ein neues Level. Stöhnen gibt dem Sex mehr Pfiff. Beide Partner profitieren davon, denn hörbare Erregung ist ansteckend.

6. Mehr Nähe – Stöhnen öffnet Herzen

Authentisches Stöhnen ist mehr als nur ein Zeichen der Lust – es kann emotionale Nähe schaffen. Wer sich stöhnend zeigt, gibt sich verletzlicher und offener, was den Partner tief berühren kann. Töne und Stimme sind direkte Wege zu unseren Gefühlen, und das macht den Austausch noch intimer.

7. Achtung: Stöhnen kann auch Schmerz bedeuten 

Nicht jedes Stöhnen ist ein Lustschrei – manchmal steckt auch Schmerz dahinter. Davon betroffen sind Frauen, die bei heftigem, schnellem Sex oft Schmerzen haben, aber nichts sagen.

Warum Männer beim Sex eher schweigen – und Frauen stöhnen müssen

Es ist eine dieser Fragen, die kaum jemand offen stellt, aber viele im Hinterkopf haben: Warum sind viele Frauen im Bett laut, während Männer oft verstummen? Schauen wir uns die gesellschaftlichen Erwartungen an, und schnell wird klar: Frauen müssen anscheinend beim Sex stöhnen – das lernen sie aus Erotikfilmen. Ganze 92 Prozent der Frauen geben zu, beim Sex zu stöhnen – sei es aus Lust oder um den Vorstellungen zu entsprechen. Doch wie sieht es bei den Männern aus?

„Ich kann meinen Orgasmus nur genießen, wenn ich dabei nicht meine Lautstärke kontrollieren muss. Einmal hat mir ein Lover seine Hand vor den Mund gehalten und damit nicht nur mich fast erstickt, sondern auch meine Lustgefühle. Er hatte Angst, dass mich die Nachbarn hören könnten." (Verena)

Während Männer im Fußballstadion laut brüllen und im Fitnessstudio stöhnen und ächzen, herrscht im Bett oft Funkstille. Ein paar kurze Gluckser beim Höhepunkt – das war’s. Das Ergebnis? Frauen bleiben verunsichert zurück, weil sie kein Feedback bekommen. Warum hört man so wenig von der männlichen Erregung? Ist es Scham, Unsicherheit oder einfach Gewohnheit?

Ein Blick in die Vergangenheit könnte Licht ins Dunkel bringen: Viele Männer haben sich als Teenager angewöhnt, beim Masturbieren unsichtbar und vor allem unhörbar zu sein. Dieser tief verwurzelte Mechanismus der Selbstkontrolle verfolgt sie oft bis ins Erwachsenenalter. Stöhnen? Lieber nicht – es könnte peinlich sein.

Dabei gibt es gute Gründe, warum Männer ruhig öfter mal loslassen sollten: Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen steigert das Stöhnen des Partners die Erregung der Frauen und auch die eigene. Es ist also nicht nur ein Zeichen der Lust, sondern auch eine Art nonverbales Feedback, das die Verbindung zwischen den Partnern verstärkt.

Trotzdem gibt es auch jene Männer und Frauen, die zu den stillen Genießern gehören. Sie erleben Sex intensiv, ohne es laut zu zeigen. Die Hauptsache ist, dass beide Partner ihre Lust auf ihre eigene, authentische Weise ausdrücken können – ob nun lautstark oder still.

Fake-Stöhnen: Wenn die Lust nur gespielt ist

Tatsächlich können Lustlaute auch waschechte Lügen sein, und das nicht nur bei Frauen. Während es allgemein bekannt ist, dass viele Frauen beim Sex vortäuschen können, holen auch die Männer inzwischen auf, wenn es ums Performen im Bett geht. Vielleicht, um Druck zu nehmen oder die Situation schneller zu beenden. Aber was bringt das wirklich?

Was man aus Sexfilmen kennt, ist oft reine Show – und genau das kann zu Missverständnissen führen. Denn sobald wir anfangen, im Bett vorzutäuschen, landen wir auf der Schiene fehlgeleiteter Kommunikation. Frauen sind Meisterinnen im Spiel mit den Lustlauten: Sobald sie stöhnen, wird das in der Regel als untrügliches Zeichen der Erregung gedeutet. Doch in vielen Fällen ist das Stöhnen eher ein „So-Tun-als-ob“, um mangelnde Lust oder einen ausbleibenden Orgasmus zu kaschieren.

Die Regel lautet also: Nur dort stöhnen, wo es wirklich angebracht ist! Männer lernen viel aus dem sexuellen Ausdruck ihrer Partnerin – also sollen sie nicht auf falsche Fährten geführt werden. Echtes Feedback ist der Schlüssel zu besserem Sex. Denn nur wer authentisch bleibt, kann seine Lust beglückend ausleben.

Authentisches Stöhnen kann erlernt werden

In unserer Gesellschaft wird es eher als unangenehm erlebt, Äußerungen der Lust von anderen Menschen zu hören, und den meisten ist es peinlich, dabei selbst laut zu werden. Sich durch Stöhnen beim Sex zu zeigen, bedeutet, sich verletzlich zu machen. Dabei ist das Lust-Tönen ein Schlüssel zu einem freieren und erfüllenderen Sexleben. Für alle, die bisher zu gehemmt waren, lautet die gute Nachricht: Authentisches Stöhnen kann erlernt werden.

Der Schlüssel liegt darin, die Stimme wie ein Instrument zu behandeln – mit dem man durch regelmäßige Übung wunderbare Musik hervorzaubert. Wer laut sprechen oder singen kann, öffnet auch beim Sex leichter die Kehle. Doch wer traut sich schon, aus voller Brust ein Lied zu schmettern und dabei von anderen gehört zu werden? Genau, oft hält uns die angezogene Handbremse der Peinlichkeit zurück. Doch regelmäßiges Singen, ob in der Dusche oder im Auto, hilft, Spannungen in der Kehle abzubauen und die Stimme für den erotischen Ausdruck fit zu machen.

Eine Möglichkeit, die eigenen Hemmungen zu überwinden, ist es, erst einmal für sich selbst „fake“ zu stöhnen. Das klingt paradox, aber es hilft, die Mauer des Stöhn-Tabus zu durchbrechen. Indem die Stimme beim Masturbieren ausprobiert wird – vielleicht sogar einmal aufgenommen (dank Handy ist das heute einfach) – kann das Gespür dafür entwickelt werden, wie sich Töne und Erregung aufeinander abstimmen lassen. Wie klingt die Lust? Was ist authentisch? Wo übertreibe ich, wo halte ich mich zurück? Durch Ausprobieren kann das perfekte Maß zwischen Lust und Lautstärke gefunden und der authentische Selbstausdruck entwickelt werden.

Fortgeschrittene können sich und den Partner beim Liebesspiel aufnehmen und die Aufnahmen später gemeinsam anhören. Ja, das kann erstmal peinlich sein, aber es hilft, die eigene Wahrnehmung von innen und außen abzugleichen.

Fazit: Wer sich traut, seine Stimme freizulassen, führt nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Partner zu einem intensiveren, lustvolleren Erleben.