Starke Muskeln im Alter - Experte erklärt Studie: Ein Jahr Krafttraining hält bis zu vier Jahre
Mit einem Jahr intensivem Training lassen sich Muskelfunktionen bis zu vier Jahre lang erhalten, wie eine Studie andeutet. Longevity-Spezialist Nils Behrens ordnet die Ergebnisse ein und sagt, warum Muskelkraft im Alter abnimmt und wie gezieltes Krafttraining diesen Prozess bremsen kann.
Mit zunehmendem Alter sinkt die Muskelmasse, und damit auch die Kraft. Viele erleben diesen Rückgang bereits ab 30, doch besonders im Rentenalter kann der Verlust an Muskelkraft drastische Folgen haben. Die alltägliche Mobilität wird eingeschränkt, Stürze häufen sich, und das Selbstvertrauen sinkt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie im BMJ Open Sport Exerc Med untersuchte, wie effektiv schweres Krafttraining diesen Abbau verzögern kann. Die Ergebnisse sind erstaunlich – schon ein Jahr gezieltes Training reicht aus, um die Muskelkraft über mehrere Jahre zu erhalten.
Die Studie: Ein Jahr trainieren, vier Jahre profitieren
Im Rahmen der LISA-Studie (Live active Successful Ageing) wurden 451 ältere Erwachsene in Dänemark untersucht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rentenalter wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe absolvierte ein Jahr lang schweres Krafttraining (Heavy Resistance Training, HRT), die zweite Gruppe ein moderates Training, während die dritte Gruppe als Kontrollgruppe keine aktive Teilnahme am Training hatte. Nach einem Jahr hörten alle auf, aktiv an dem Programm teilzunehmen – doch die Ergebnisse dieser einjährigen Phase wurden über vier Jahre hinweg gemessen.
Und das Ergebnis? Die Gruppe, die das intensive Krafttraining durchgeführt hatte, zeigte selbst nach vier Jahren deutlich bessere Ergebnisse in Bezug auf ihre Muskelkraft als die anderen Gruppen. Der Unterschied war so signifikant, dass die Forschenden von einem „lang anhaltenden Trainingseffekt“ sprechen.
Was macht das Training so effektiv?
Es stellt sich die Frage: Warum reicht ein einziges Jahr HRT aus, um die Muskelfunktion für vier Jahre zu bewahren? Der Schlüssel liegt in der Intensität des Trainings. Schwere Widerstandstrainings setzen den Muskel intensiv unter Spannung, was langfristige Anpassungsprozesse im Muskelgewebe anstößt. Muskelfasern werden dicker und kräftiger, und selbst wenn das Training pausiert wird, bleibt ein Teil dieser Kraft erhalten.
Einer der führenden Wissenschaftler der Studie, betont: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ältere Erwachsene von einem intensiven Krafttraining maßgeblich profitieren und damit ihre Unabhängigkeit im Alltag länger bewahren können.“
Die Wissenschaft hinter dem Muskelaufbau im Alter
Mit zunehmendem Alter werden Muskeln durch den Verlust von Muskelmasse und -kraft anfälliger. Der Prozess, den Fachleute als Sarkopenie bezeichnen, betrifft nahezu jeden älteren Erwachsenen. HRT hingegen aktiviert besonders die schnellen Muskelfasern, die für schnelle und kräftige Bewegungen verantwortlich sind. Diese Muskelfasern neigen dazu, ohne regelmäßiges Training zuerst zu verschwinden – daher ist es besonders wertvoll, gerade diese Fasern regelmäßig zu fordern.
In der LISA-Studie wurde die Kraft der Teilnehmer anhand der isometrischen Quadrizeps-Torque-Messung getestet, die die Stärke der Oberschenkelmuskulatur misst. Interessanterweise konnten die Forscher nach vier Jahren feststellen, dass diejenigen in der HRT-Gruppe ihre ursprüngliche Kraft fast vollständig erhalten hatten, während in den beiden anderen Gruppen ein deutlicher Abfall festzustellen war.
Welche Übungen sind geeignet?
Die LISA-Studie hat gezeigt, dass sich das Rentenalter keineswegs als „zu spät“ für den Einstieg ins Krafttraining herausgestellt hat. Das Training sollte jedoch von Fachleuten angeleitet werden, besonders bei Anfängern oder Personen, die längere Zeit inaktiv waren. Grundsätzlich haben sich klassische Übungen wie Kniebeugen, Beinpressen und Deadlifts als besonders effektiv erwiesen. Wichtig dabei: Die Gewichte sollten individuell angepasst und schrittweise gesteigert werden.
Falls Sie den Gedanken an schwere Gewichte beunruhigt, gibt es gute Nachrichten: Selbst mit einem moderaten Einstieg und einer allmählichen Steigerung profitieren ältere Erwachsene langfristig. Dennoch war der Effekt bei den intensiven Trainierenden in dieser Studie klar am höchsten.
Bewegung als Schlüssel zur Altersgesundheit
Körperliche Aktivität ist eine der wichtigsten Säulen eines gesunden Lebensstils, insbesondere im Alter. Die Ergebnisse der LISA-Studie untermauern die zahlreichen Vorteile, die mit Bewegung verbunden sind – körperlich wie auch geistig. Muskelkraft unterstützt nicht nur Mobilität und Unabhängigkeit, sondern hat auch nachgewiesene Effekte auf die Lebensqualität und das Selbstbewusstsein. Zudem verbessert regelmäßige Bewegung den Stoffwechsel und fördert die Knochengesundheit.
Ein besonderer Punkt der Studie: Muskelkraft ist im Alter tatsächlich ein zentraler Gesundheitsfaktor. Sie schützt vor Stürzen, stabilisiert die Körperhaltung und verbessert das allgemeine Wohlbefinden. Besonders beeindruckend: Selbst vier Jahre nach Abschluss des intensiven Trainings hatten die Teilnehmer der HRT-Gruppe diese Vorteile noch immer.
Fazit: Ein Jahr, das Ihr Leben verändern kann
Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass es sich lohnt, auch im Alter noch an der eigenen Muskelkraft zu arbeiten. Ein Jahr intensives Krafttraining, das unter Anleitung absolviert wird, kann den Grundstein für eine selbstbestimmte und vitale Rente legen. Für alle, die vielleicht bislang skeptisch waren, ist dies ein klares Signal: Es ist nie zu spät für einen Neustart. Bewegung und insbesondere Widerstandstraining zahlen sich langfristig aus.
Das Ergebnis der LISA-Studie liefert starke Argumente für die Einführung gezielter Krafttrainingsprogramme für ältere Erwachsene. Die Vorteile sind offensichtlich – weniger Muskelabbau, mehr Beweglichkeit und eine deutlich bessere Lebensqualität. Egal, ob Sie mit dem Gedanken spielen, ins Fitnessstudio zu gehen, oder lieber zu Hause trainieren möchten, diese Forschung liefert die nötige Motivation: Ein Jahr gezieltes Training könnte Ihre körperliche Verfassung für die nächsten Jahre stabil halten.