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Steinmeier: «Judenfeindlichkeit darf keinen Platz haben»

Worms/Mainz (dpa) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an die Bürger appelliert, im Erinnern an den Holocaust niemals nachzulassen. «Jüdisches Leben in Deutschland ist immer noch bedroht, sogar wieder stärker bedroht», sagte der Bundespräsident bei einem Festakt zur Übergabe der Unesco-Welterbe-Urkunde für die sogenannten Schum-Stätten in Rheinland-Pfalz. «Jüdinnen und Juden werden diffamiert, beleidigt, bedroht, sogar angegriffen.»

Dies sei unendlich schmerzhaft, unerträglich und nicht hinnehmbar, betonte Steinmeier in der Neuen Synagoge in Mainz vor rund 150 Gästen. «Judenfeindlichkeit darf keinen Platz haben in unserem Land.»

Unesco-Welterbestätte

Die Bezeichnung Schum steht für die rheinland-pfälzischen Städte Speyer, Worms und Mainz, die im Mittelalter Zentren jüdischer Gelehrsamkeit waren. Der Judenhof in Speyer, der Wormser Synagogenbezirk mit dem Friedhof und der Alte jüdische Friedhof Mainz waren bereits im Juli 2021 zur 50. Unesco-Welterbestätte in Deutschland erklärt worden. Wegen der Pandemie übergab Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay die Urkunde aber erst jetzt gemeinsam mit Steinmeier an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Steinmeier betonte, der Rechtsstaat müsse antisemitische Straftaten mit aller Härte ahnden. Er appellierte an die Bürger, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegen zu stehen. «Wir alle in Staat, Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Jüdinnen und Juden sich in Deutschland vollkommen zu Hause fühlen können», forderte Steinmeier. «Unsere Verantwortung kennt keinen Schlussstrich.» Dies sei «die Lehre aus unserer Geschichte». Steinmeier hatte vor dem Festakt den jüdischen Friedhof «Heiliger Sand» in Worms sowie den Synagogenbezirk und das Raschi-Haus mit einem Gewölbekeller aus dem 12./13. Jahrhundert besucht.

Erinnerung darf nicht verblassen

«Um jüdisches Leben in Gegenwart und Zukunft zu schützen, müssen wir die Erinnerung an seine Geschichte wachhalten», sagte Steinmeier. Dabei müssten Brüche und Widersprüche sowie helle und dunkle Seiten in den Blick genommen werden. «Im Erinnern an die Shoah dürfen wir niemals nachlassen», betonte Steinmeier. «Wir brauchen lebendige Orte des Gedenkens, um vor allem jungen Menschen verständlich zu machen, was damals geschah und wie es geschehen konnte.»

Es brauche auch Orte der Bildung und der Aufklärung, an denen die Geschichte jüdischen Lebens erlebbar gemacht werde. «Orte, an denen Wissen und Wertschätzung, Toleranz und Respekt wachsen können.» Solche Orte seien die Schum-Stätten. «Auch deshalb ist es ein großes Glück, dass es sie gibt.» Und auch deshalb sei es so wichtig, dass sie inzwischen Welterbe seien. «Die Auszeichnung wirft ein helles Licht auf die jüdischen Monumente und Grabsteine, sie macht sie weit über Speyer, Worms und Mainz hinaus sichtbar.»

Baudenkmäler wie in Worms erinnerten an die reiche jüdische Geschichte in Deutschland, an eine Zeit, in der das Judentum in Deutschland blühte und in denen Christen, Juden und Andersgläubige nicht nebeneinander, sondern miteinander gelebt hätten.

Aber sie erinnerten auch an die «dunklen Seiten der deutschen Geschichte», sagte Steinmeier weiter. «Zeiten, in denen Jüdinnen und Juden diskriminiert, verfolgt und getötet wurden bis hin zum nationalsozialistischen Rassenwahn nach 1933», als Millionen Juden und Jüdinnen ermordet worden seien und fast vollständig jüdisches Leben in Europa ausgelöscht worden sei.