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Steve Wozniak im Interview: "Künstliche Intelligenz wird es nie geben"

Steve Wozniak
Steve Wozniak

Bereits zum zweiten Mal nach 2017 war Apple-Legende Steve Wozniak eingeladen, den MQ! Summit in Ingolstadt mit seiner Keynote Speech zu eröffnen. Der langjährige Wegbegleiter von Steve Jobs präsentierte sich als großer Fan technologischer Neuerungen, aber auch als leiser Kritiker der Begleiterscheinungen.

von Moritz Piehler

Technik-Pionier Steve Wozniak, der noch vor wenigen Jahren gewarnt hatte, Künstliche Intelligenz (AI) könne nur zu dem Schluss kommen, dass Menschen überflüssig seien und infolgedessen die Herrschaft auf der Erde übernehmen, hat seinen Standpunkt mittlerweile etwas überdacht. Schließlich sei schon jetzt unser Leben in weiten Teilen von Computern bestimmt, sagte er in seiner Eröffnungsrede in der prall gefüllten Arena des AUDI Forums.

Dass Maschinen die Menschheit versklaven könnten, sieht er nicht mehr als Gefahr. “Sie werden uns höchstens wie Haustiere behandeln, als Teil der Familie”, glaubt Wozniak. Deshalb gehe er mit seinen eigenen Haustieren auch so gut um und füttere sie täglich mit Steaks und Hühnchenfilets, scherzte der Apple-Mitgründer. In seiner kurzen Rede erinnerte er auch an die Anfänge von Apple und hob als Tipp für junge Erfinder hervor: “Unterschätzt den Faktor Glück nicht! Und bezieht Ingenieure in eure Business-Entscheidungen mit ein. Sie sind es gewöhnt, Probleme zu lösen.” Außerdem müsse man von seinen eigenen Ideen überzeugt sein, damit sie funktionieren: “Wir haben damals exakt den Computer gebaut, den wir selbst gerne haben wollten”, so “Woz”.

Der kleine, aber feine Unterschied

Der zweitägige MQ! Summit bringt Vordenker aus aller Welt zusammen, die sich mit Themen rund um Mobilität auseinandersetzen. Ein Feld, das auch Wozniak in der Zukunft als eines der prägenden einschätzt. Allerdings fügte er an, dass er AI für begrenzt halte: “Google kann schneller 80.000 Hunde erkennen und auseinanderhalten als jeder Mensch. Aber es kann dir immer noch nicht sagen, ob der Hund echt ist, oder auf einem Bild an der Wand hängt.”

Im Interview mit Yahoo sprach der 68-jährige Kalifornier anschließend über seinen Blickwinkel auf neue Technologien und plädierte für eine bessere Schulbildung.

Das große Yahoo-Interview mit dem Apple-Mitbegründer

Steve Wozniak im Interview
Steve Wozniak im Interview

Herr Wozniak, hatten Sie jemals erwartet, dass Sie mit Ihren Erfindungen solch einen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen würden?

Steve Wozniak: Am Anfang natürlich nicht. Wir sind davon ausgegangen, dass Computer völlig anders eingesetzt werden würden und hatten auch nicht mit so etwas wie dem World Wide Web gerechnet. Wir ahnten nicht, dass wir einmal Smartphones haben würden oder mobiles Internet. Viele von den Dingen, die heute selbstverständlich sind, beruhen auf Technologien, die wir damals niemals hätten vorhersehen können. Wir konnten höchstens raten und hoffen.

Und der Erfolg von Apple, war der für Sie absehbar?

Wozniak: Wir spürten, dass unser Unternehmen Erfolg haben würde. Einfach, weil unsere Produkte besser waren als die der Konkurrenz. Unser erstes Produkt, das für uns eine finanzielle Basis schuf, war auch das einzige, mit dem Apple in den ersten zehn Jahren Geld verdiente. Das war der Apple II Computer.

Was konnte danach noch kommen?

Wozniak: Die Erfindung, mit der wir nach einer kleinen Schaffenspause zurückkamen, war der iPod. Ein Gerät, das mit Musik besser umgehen konnte als jedes andere zuvor. Ich bin mit Musik aufgewachsen, sie war immer ein Teil meines Lebens, deshalb war das wichtig für mich. Und das iPhone veränderte dann die menschliche Interaktion auf einem globalen Level. Der Touch-Screen war ein komplett anderer Ansatz, er war der Beginn einer Revolution.

Zu dieser Zeit begann auch das Internet größer und schneller zu werden. Dem iPhone fehlte es noch an Leistung, aber das änderte sich rasch. Rascher als selbst ich als Ingenieur es vorhersehen konnte. Hatten wir damals den richtigen Weitblick auf die Entwicklungen der anstehenden fünf Jahre? Ich würde sagen: Nein. Selbst als ich noch bei Apple arbeitete, konnte ich höchstens das nächste Jahr vorausahnen. Es ist unglaublich schwer, fünf Jahre in die Zukunft zu blicken. Wer behauptet, bestimmte Entwicklungen vor zehn Jahren schon vorhergesehen zu haben, hatte einfach Glück.

Foto von “Woz” und Steve Jobs in den Anfängen (Getty Images) gezeigt auf einer Apple-Convention
Foto von “Woz” und Steve Jobs in den Anfängen (Getty Images) gezeigt auf einer Apple-Convention

Werden wir in der Mobilität eine ähnlich bahnbrechende Entwicklung erleben?

Wozniak: Ja! In puncto Mobilität werden einige, heutzutage noch völlig futuristisch anmutende Träume Realität werden, zum Beispiel eben autonome Autos. Ich denke, das die Entwicklung noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber bei der Mobilität geht es nicht nur um das Endprodukt, sondern auch um die Systeme, die auf dem Weg dorthin entwickelt werden.

Ich weiß nicht, ob es schon ein Auto mit einem vollständigen Autopiloten gibt. Bei vielen Modellen wird derzeit an der Formen-Erkennung gearbeitet. Die Fahrzeuge bekommen dadurch nach und nach ein “menschliches Gehirn”. Ich fürchte, so lange die Entwickler auf diesem Feld nicht weiter vorankommen, werden sich die Unfallzahlen nicht verringern. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Bei Elektro-Autos bin ich mir aber schon jetzt sehr sicher. Sie haben so viele Vorteile – von der geringen Lautstärke bis hin zur Umweltfreundlichkeit. Das Problem sind nur noch die Ladesäulen. Bisher ist es nur Tesla gelungen, das zu lösen.

Viele Menschen stehen technologischen Neuerungen skeptisch gegenüber. Wie nimmt man diesen Menschen die Angst?

Wozniak: Ein Autohersteller braucht etwa sechs Jahre, um ein Auto zu entwickeln. Für den Kunden kommt Neuerung dann relativ überraschend und ein altes Produkt von vor einem Jahr wird obsolet. Zum Glück kommt jede Technologie an ihre Endpunkte. Wenn man sich das Auto als Beispiel nimmt und alte Bilder anguckt, dann haben sich alle Ingenieure letztendlich auf vier Räder und einen Motor verständigt. Und daran hat sich im Grunde seit 150 Jahren nicht sonderlich viel geändert. Ich glaube, das wird auch für viele der Technologien zutreffen, die sich momentan so schnell weiterentwickeln. In den letzten zehn Jahren hat sich zum Beispiel mein Smartphone nicht mehr so extrem verändert wie noch zuvor.

Manche Dinge kommen dazu, wie Touch-ID oder die Möglichkeit, mit dem Smartphone bezahlen zu können. Das ist ganz nett. Aber im Wesentlichen nutze ich es weiterhin für dieselben Dinge: Mit Freunden in Kontakt zu bleiben und mich mit Nachrichten versorgen zu lassen. Meine Erfahrung ist, dass ich auch mit einem älteren Smartphone ganz gut leben kann. Es gibt den Begriff der geplanten Obsoleszenz in der Industrie, aber mittlerweile ist es ja schon eine forcierte Obsoleszenz. So läuft leider das Geschäft – ich mag es kein Stück.

Gibt es denn auch Dinge in der Zukunft, die Sie skeptisch betrachten?

Wozniak: Klar gibt es die. Das akademische Schulsystem hat sich zum Beispiel seit Jahrhunderten nicht verändert. Jetzt, wo es Suchmaschinen gibt und jede Information immer verfügbar ist, was ist da noch der Wert von Lernen, von alldem, was wir Intelligenz nennen? Wie bringen wir junge Menschen dazu, eigene Gedanken zu spinnen – und nicht dazu, sich mit den gleichen Antworten zufrieden zu geben wie alle anderen auch.

Warum lernt man nicht einfach das, was einen wirklich interessiert? Wenn beispielsweise Chemie mein Ding ist, könnte ich in zwei Jahren viel chemisches Wissen ansammeln. Dafür bräuchten wir aber smarte Lehrer, vielleicht sogar Computerlehrer. Denn wir können uns ja nicht einen menschlichen Lehrer pro Schüler leisten. Deshalb denke ich, dass Bildung eine eklatante Rolle spielen wird.

Dann kommen wir doch wieder zurück zum Thema Künstliche Intelligenz, wird es sie jemals wirklich geben?

Wozniak: Nein, ich glaube nicht. Das hat etwas mit Singularität zu tun. Singularität ist aber nicht gleich Bewusstsein. Das ist die Fähigkeit, so viele Daten wie das menschliche Gehirn verarbeiten zu können – ohne dass wir bis heute vollständig verstanden haben, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Wenn wir das genau wüssten, könnten wir ja eins nachbauen. AI ist natürlich beeindruckend, weil sie Menschen in Spielen besiegen kann. Aber jedes Werkzeug, dass wir Menschen jemals gebaut haben, digital oder nicht, hat uns bislang geholfen, Dinge effektiver zu machen als vorher.

Es wird nie eine Maschine geben, die sich fragt: Was soll ich denn heute machen? Eine Maschine kann nicht diese Art von Intuition entwickeln, um zu entscheiden, was ein wertvoller Zeitvertreib ist. Und eine Maschine wird niemals nachvollziehen können, was wertvoll für den Menschen ist, denn sie hat keinen Tag an einem sonnigen Strand verbracht, sie konnte nie unser Leben leben.

Audi
Audi

Wenn es nie wirkliche Künstliche Intelligenz geben kann, kann es dann auch kein komplett autonomes Auto geben?

Wozniak: Ein Level-5-Auto? Ich glaube nicht. Ich könnte mich natürlich täuschen. Aber ich glaube, wir können Level 5 auf von Menschen gebauten Straßen nicht erreichen. Vielleicht auf begrenzten Strecken. Auf dem Weg dahin ist Audi einer der Vorreiter. Ich kann es nicht abwarten, bis Autos eine rote Ampel erkennen können. Ich glaube, ein wichtiger Schritt wäre es, weg von einem großen Computer, hin zu vielen kleinen Prozessoren in einem Auto zu kommen.

Schon jetzt übernehmen Maschinen immer mehr Aufgaben, die einst Menschen gemacht haben. Auf diese Veränderungen muss unsere Gesellschaft reagieren, sind Sie zum Beispiel ein Befürworter vom Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens?

Wozniak: Ich bin tatsächlich dafür. Denn wir sind in der westlichen Welt an einem Punkt angekommen, an dem wir als Gesellschaft so produktiv sind, dass wir eigentlich genug haben, um für jeden ein ausreichendes Einkommen zu garantieren. Es wäre schön, wenn dafür gesorgt wäre, dass sich die Menschen weder während ihres Berufslebens noch im Alter finanzielle Sorgen machen müssten. Über die Höhe muss man diskutieren. Aber wir haben vor langer Zeit ja auch entschieden, dass Bildung ein Recht für alle ist. Warum gibt es das nicht auch bei Krankenkassen, da sind die USA wirklich weit hinten dran. Und das gilt ebenso für andere Bereiche. Als ich jung war, wurde die Rentenversicherung eingeführt, eine Entscheidung, für die ich sehr dankbar bin.

Sind Sie zuversichtlich, dass so etwas in naher Zukunft umgesetzt werden könnte?

Wozniak: In den USA? Nein, da bin ich überhaupt nicht optimistisch. Ich würde mir das wünschen, aber wir entfernen uns eher von dem Weg, menschliches Leben wertzuschätzen. Mehr in die Richtung, Menschen mehr zu kontrollieren. Das ist etwas, was ich gar nicht mag. Da ist in Europa vieles besser, zum Beispiel beim Schutz der Privatsphäre. Da geht es auch um Respekt gegenüber dem Individuum. In den USA werden Unternehmen oft mehr respektiert und sie haben das Geld, um Gesetze zu ändern.

Vielen Dank für das Gespräch.

Link zum Event: MQ! The Mobility Quotient 2018

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