Stichtag 22. September - „Starke Nerven, Euer CL“: Interne Nachricht von Lindner offenbart Exit-Kalkül der FDP

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FDP-Chef Lindner.Michael Kappeler/dpa

Abgesehen von Wolfgang Kubicki halten sich die Liberalen nach den Ost-Wahlen mit Äußerungen zum Ampel-Aus auffällig zurück. Nun liegt FOCUS online eine interne Nachricht von Christian Lindner an hohe Parteifreunde vor. Sie zeigt, wann die Liberalen mit dem Ampel-Aus ernstmachen könnten.

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen – sie sind ein absolutes Debakel für die Liberalen. Die FDP wurde pulverisiert und wird in keinem der beiden Landtage vertreten sein. Ihr Abschneiden war so schlecht (0,9 Prozent in Sachsen, 1,1 Prozent in Thüringen), dass sie in den Hochrechnungen gar nicht mehr aufgeführt wurde.

Am Tag danach rechnete ein angefasster Christian Lindner vor allem mit einem Thema ab: der Migrationspolitik der Ampel und ihrer Vorgängerregierung. Die „klare Botschaft“ der doppelten Ost-Wahl sei: „Die Leute haben die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl nach Deutschland.“ Wenn nicht so schnell wie möglich eine Migrationswende vollzogen würde, suchten sich die Bürger „ein anderes System“.

Deutschland brauche eine „grundlegende Neuordnung der Einwanderungs- und Asylpolitik nach Deutschland“. Es müsse jetzt gehandelt werden. Denkverbote seien fehl am Platz. Die FDP sei offen, auch über Änderungen der europäischen Gesetze oder auch des Grundgesetzes zu sprechen.

Kein Wort zum Ampel-Aus von Lindner

Mit weiteren Drohgebärden und Ausstiegs-Andeutungen in Richtung der Ampel-Partner SPD und Grüne hielt sich Lindner jedoch auffällig zurück. Verabredete Beschlüsse müssten jetzt „rasch gemeinsam“ umgesetzt werden. Das gelte für Steuersenkungen genauso wie für eine Reform des Bürgergelds. Kein Wort verlor der FDP-Chef darüber, die Ampel-Regierung nach dem Desaster von Thüringen und Sachsen vorzeitig aufzukündigen.

Diese Forderung blieb bei den Liberalen mal wieder nur einem vorbehalten: Es war Wolfgang Kubicki, der auf X, vormals Twitter, das Signal sendete: Wir müssen raus aus der Ampel! Der FDP-Vize schrieb: „Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren. Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land. Und sie schadet definitiv der Freien Demokratischen Partei.“

Ampel-Klartext von Kubicki, getreu dem berühmten Satz: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Mit dieser Aussage hatte Lindner nach der vorletzten Bundestagswahl eine mögliche Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in Berlin scheitern lassen.

Weitere Forderungen aus der FDP, sich selbst und auch Deutschland vom Ampel-Albtraum zu befreien – sie blieben, für manche Beobachter verblüffend, erst einmal aus.

Interne Nachricht an FDPler: kein weiteres Öl ins Feuer gießen

Nach FOCUS-online-Informationen hat das auch mit einer internen Nachricht zu tun, die Lindner am Sonntagnachmittag allen wichtigen Funktionsträgern in der Partei – zumindest also Bundesvorstand und Präsidium – zukommen ließ. Der Wortlaut dieser Botschaft liegt FOCUS online vor.

„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die heutigen Wahlergebnisse werden in vielerlei Hinsicht eine Prüfung. Nicht nur, aber auch für uns“ , schreibt Lindner an den Kreis seiner Partei-Vertrauten.

Und weiter: „Ich möchte daher schon jetzt daran erinnern, dass Zyon Braun und die Parteifreundinnen und Parteifreunde in Brandenburg noch weiter im Wahlkampf stehen. Wir sollten ihnen in jedem Fall ermöglichen, dessen Schlussphase mit Motivation, Würde und Respekt gestalten zu können. Meine Bitte ist daher, dass wir bei öffentlichen und internen Einordnungen Rücksicht nehmen.“

Die klare Botschaft Lindners ist also: Ruhe bewahren, keine voreiligen Wortmeldungen zum Ampel-Aus, erst einmal kein weiteres Öl ins Feuer gießen.

Lindners Plan: die Brandenburg-Wahlen noch abwarten

Und dann kommt der entscheidende Satz:

„Entscheidungen zur weiteren Strategie mit Blick auf 2025 stehen erst nach Brandenburg an.“

Zum Schluss seiner kurzen Nachricht, die im Anschluss parteiintern vielfach über WhatsApp geteilt wurde, wünscht Lindner noch allen „ Starke Nerven! Ihr/Euer CL“ .

Damit ist der Kurs, den Lindner verfolgt, klar: Die Wahlen in Brandenburg am 22. September werden noch abgewartet. Danach wird man in der FDP über personelle Konsequenzen und einen möglichen Rückzug aus der Ampel sprechen.

Der Ampel-Exit könnte nach dem 22. September auf die Agenda rücken

Die letzten Umfragen für Brandenburg sehen für die Liberalen erneut düster aus: Auch hier taumelt die FDP an der 2-Prozent-Marke. Bei der Landtagswahl 2019 hatten die Liberalen 4,1 Prozent der Stimmen erreicht und sich deutlich zu 2015 gesteigert, den Einzug in den Landtag allerdings erneut verfehlt. Am Sonntag in zwei Wochen droht das gleiche Schicksal.

Setzt sich der miserable Trend für die FDP in Brandenburg fort, könnte es nach FOCUS-online-Informationen zunächst eine Debatte um die mögliche Ablösung des FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai geben. Der übrigens sieht im schlechten Abschneiden seiner Partei in Sachsen und Thüringen keinen Grund zur Resignation. „So bitter auch der Abend ist, es gibt keinen Grund hier depressiv oder wütend zu sein“, sagte er in der Berliner Parteizentrale.

Nach Brandenburg könnte in drei Wochen alles ganz anders aussehen und das Ende der Ampel eingeläutet werden. Verliert der amtierende SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke die Macht und triumphiert auch in Potsdam die AfD, wird man in der FDP-Spitze auf jeden Fall den Ampel-Exit durchspielen.

Nur so lässt sich die Botschaft Lindners an seine engsten politischen Weggefährten lesen.