Stimmen zur Brandenburg-Wahl - „Den Stecker ziehen“: Bayerischer FDP-Chef fordert Ampel-Aus
Die SPD liegt in den ersten Hochrechnung zur Brandenburg-Wahl vorne, mit knappem Vorsprung vor der AfD. CDU-Generalsekretär Linnemann sieht seine Partei als Verlierer des Abends - und lobt SPD-Ministerpräsident Woidke. Die Stimmen zur Wahl.
„Den Stecker ziehen“: Bayerischer FDP-Chef fordert Ampel-Aus
Der bayerische FDP-Landeschef Martin Hagen dringt nach der Wahl in Brandenburg auf eine Entscheidung des Bundesvorstands, die Ampel-Koalition mit SPD und Grünen aufzukündigen. „Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen“, sagte Hagen der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagausgabe). „Wir müssen im Bundesvorstand Tacheles reden“, kündigte der Liberale für die Sitzung am (heutigen) Montag an.
„Seit drei Jahren wird die FDP bei jeder Landtagswahl abgestraft – und das liegt nicht an der Arbeit vor Ort“, sagte Hagen. Die FDP landete bei den jüngsten Wahlen im Osten unter den „Sonstigen“ und erzielte in Brandenburg weniger als ein Prozent der Wählerstimmen. „Die Bürger lehnen die Ampel ab und machen uns das unmissverständlich deutlich“, erklärte Bayerns FDP-Chef. „Deutschland braucht eine wirtschafts- und migrationspolitische Wende, die mit dieser Koalition nicht möglich erscheint“, sagte Hagen. „So geht's nicht weiter“, betonte er.
Kubicki stellt der Ampel ein Ultimatum: „Oder es macht für die FDP keinen Sinn mehr“
FDP-Vize Wolfgang Kubicki gibt dem Regierungsbündnis mit SPD und Grünen nur noch wenige Wochen für Lösung grundlegender Probleme in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. „Völlig unterschiedliche Auffassungen liegen vor, wie man die Wirtschaft wieder flott machen kann und Wettbewerbsfähigkeit wieder erstellen kann. Und entweder, es gelingt uns in den nächsten 14 Tagen, drei Wochen, hier tatsächlich einen vernünftigen gemeinsamen Nenner zu finden oder es macht für die Freien Demokraten keinen Sinn mehr, an dieser Koalition weiter mitzuwirken“, sagte Kubicki am Sonntag in „Welt TV“.
An den Ergebnissen der FDP bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und nun in Brandenburg gebe es nichts schönzureden. Dreimal in Folge um ein Prozent bedeute, „dass die Freien Demokraten marginalisiert sind“. Er verwies aber auch auf das Abschneiden der Grünen und sagte: „Die Menschen sind mit der Ampel fertig.“
Im Video: Kühnert wird zweimal nach Scholz gefragt - in seiner Antwort kommt er nicht ein Mal vor
CDU-Generalsekretär feiert SPD-Mann Woidke: „So sieht Glaubwürdigkeit aus“
CDU-Chef Carsten Linnemann gratuliert der SPD zum Sieg und sieht die Entscheidung zwischen Woidke und der AfD als entscheidenden Faktor. „Es gab eine klare Polarisierung zwischen AfD und Herrn Woidke. Und an dieser Stelle muss man auch mal als Verlierer des Abends sagen: Herzlichen Glückwunsch. Das war sehr mutig von Herrn Woidke, so sieht Glaubwürdigkeit aus. Er hat gesagt alles auf eine Karte, entweder ihr wählt mich oder ich bin raus. So wie es im Moment aussieht - man muss jetzt natürlich noch Mal schauen, was der Abend so bringt - ist er vorne und von daher herzlichen Glückwunsch an die Brandenburgische SPD.“
Für Linnemann ist diese Zuspitzung auch der Grund für den Verlust der CDU. „Es gab wirklich eine Polarisierung. Es war ein Zuspitzung: Wollt ihr jemanden aus der Mitte des Parlaments? Und das ist ein amtierender, sehr beliebter Ministerpräsident, Dietmar Woidke. Oder wollt ihr die AfD, eine Protestpartei, die sehr stark von Protesten profitiert. Und die Menschen haben gesagt wir wollen die Stabilität aus der Mitte heraus und das war glaube ich die Entscheidung.“ Dabei hätten sich CDU-Wähler auch bewusst dafür entschieden, Woidke zu wählen, anstatt die CDU zu unterstützen.
Auf Bundesebene sieht der CDU-Generalsekretär seine Partei aber weiter auf einem guten Weg. „Man muss sagen im Bund haben wir die besten Umfragewerte seit dreieinhalb Jahren. Insgesamt profitieren wir sehr stark. Die Ampel hier in Berlin, verdoppelt ja die AfD, wenn sie die verdoppelt, können wir sie nicht halbieren. Das muss man ganz klar trennen. Es ist also eine ganz klare Niederlage heute in Brandenburg, da will ich auch gar nicht drum herum reden und Glückwunsch an die SPD.“
CDU-Mann Spahn: „Die SPD kann dann noch Wahlen gewinnen, wenn sie Olaf Scholz versteckt“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn will das Profil seiner Partei wieder stärker schärfen. „Indem wir klar in der Position sind. Das sind wir ja auch seit einigen Wochen auch, geeint und gemeinsam. Wir sind bei einem Thema [der Migrationspolitik, Anm. d. Red.], bei dem wir seit 2015 auch in gemeinsamer Verantwortung waren und bei dem Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen, bei dem wir Kontrolle wollen - das sieht man übrigens auch bei der Kompetenzzuweisung. Wir gewinnen Schritt für Schritt in der Frage der Sicherheit Kompetenz zurück.“
Auch Spahn zeigt vom Wahlsieg der SPD in Brandenburg beeindruckt. „Gleichwohl muss man heute Abend auch sagen: Dietmar Woidke hat die Wahl gewonnen in Brandenburg. Er hat eine richtige Aufholjagd gemacht, alles auf eine Karte gesetzt. Er hat gesagt, ich werde stärkste Kraft oder ich gehe. Ich habe gedacht: Wow, das ist mutig und man muss sagen große Anerkennung, er hat damit gewonnen.“
Den Skandal um die Trunkenheitsfahrt des CDU-Spizenkandidaten in Brandenburg sieht der Ex-Minister nicht als entscheidenden Faktor. „Ich bin mir sehr sicher, ich war auch in Brandenburg unterwegs, das Thema E-Scooter hatte da jetzt überhaupt keinen Einfluss auf das Wahlergebnis. Als wir aus der Sommerpause rauskamen, standen ja CDU und SPD beide genau bei 20 Prozent und das zeigt ja, was Herrn Woidke gelungen ist.
Als einen Erfolgsfaktor sieht Spahn auch, dass Woidke Bundeskanzler Scholz aus der Wahl in Brandenburg herausgehalten hat. “Bei der Europawahl noch im Mai hatte die SPD noch 13 Prozent in Brandenburg, die CDU 18 Prozent und man sieht eben, das war eine Brandenburg-Wahl. Das hat Herr Woidke ja auch gesagt: Ich möchte einen Wahlkampf ohne Olaf Scholz. Das zeigt: Die SPD kann dann noch Wahlen gewinnen, wenn sie Olaf Scholz versteckt. Ich bin gespannt, was uns das für nächstes Jahr sagt."
Grünen-Chefin Lang sieht drei Hauptgründe für Absturz ihrer Partei
Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang schließt einen Rückzug ihrer Partei aus der Bundesregierung aus. „Nein, heute geht es erstmal darum, was in Brandenburg passiert. Und da muss man sehen, dass in den vergangenen Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Dietmar Woidke und der AfD gegeben hat und dass viele Wählerinnen und Wähler auch taktisch gewählt haben, um einen Wahlsieg der AfD zu verhindern.“
Gleichzeitig gesteht Lang ein, dass ihre Partei ein enttäuschendes Ergebnis eingefahren hat - und sieht dafür mehrere Gründe. „Man muss aber auch ehrlich sagen, dass wir dabei ziemlich unter die Räder gekommen sind und uns natürlich als gesamte Grüne Partei fragen müssen: Wie konnte so etwas passieren. Aus meiner Sicht gibt es dafür drei Gründe: Das erste ist, dass wenn nur noch taktisch wählen im Vordergrund steht - also wer ist eigentlich das kleinere Übel neben der AfD - wird das zum Problem für alle demokratischen Parteien. Das zweite ist, dass sich viele Menschen nicht gehört fühlen und wir im Bund und im Land näher an die Probleme der Menschen vor Ort ran müssen. Und das dritte - das kann man nicht verschweigen - ist, dass es gerade einen negativen Trend gibt und wir werden uns jetzt in den nächsten Wochen darauf fokussieren, uns da gemeinsam wieder rauszukämpfen.“
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai kündigt „Herbst der Entscheidungen“ an
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kündigt nach der Prognose zur Landtagswahl in Brandenburg angekündigt. „Es muss und es wird einen Herbst der Entscheidungen geben“, sagte Djir-Sarai am Wahlsonntag in Berlin. Das Ergebnis für seine Partei sei „bitter“ und „enttäuschend“, auch wenn es absehbar gewesen sei. Die FDP werde das Ergebnis in ihren Gremien in den kommenden Tagen intensiv beraten, kündigte Djir-Sarai an. Nähere Details zu möglichen Konsequenzen nannte er zunächst nicht.
AfD-Chefin Weidel: „Der Osten ist blau“
Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sieht ihre Partei durch die Landtagswahl in Brandenburg weiter gestärkt. Als Grund für das Abschneiden der SPD nannte sie in der ARD die Unterstützung aus der CDU für Ministerpräsident Dietmar Woidke.
„Wir sind der Sieger des Abends und wir haben gesehen, dass hier lediglich taktisch abgestimmt wurde. Nicht umsonst hat sich ein Ministerpräsident (Michael) Kretschmer von der CDU hier auf den Weg gemacht, aus Sachsen nach Brandenburg zu reisen und die SPD zu unterstützen“, sagte sie.
Weidel sagte weiter, die AfD sei „extrem zufrieden mit dem Ergebnis“, jedoch sei taktisch abgestimmt worden und Stimmen seien auf Woidke gegangen. Das müsse „man einfach so akzeptieren“. Weidel sagte: „Es ist lediglich eine Etappe. Der Osten ist blau. Wir sind stärkste Kraft im Osten.“
SPD-Generalsekretär Kühnert tritt auf die Euphoriebremse
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnt vor verfrühter Euphorie: „Für Erleichtertung ist es ehrlich gesagt noch etwas zu früh, das sind ja bislang Prognosen und noch keine Hochrechnungen für die sehr wichtige Frage, wer am Ende des Abends auf Platz eins liegt. Da wird es sicherlich noch einige Stunden dauern, von daher sehen Sie mich noch mit einer gewissen Zurückhaltung.“
Der Bundestagsabgeordnete sieht Ministerpräsident Woidke aber als Sieger des Abends: „Aber eines, das kann jetzt schon festgehalten werden: Dietmar Woidke und seiner Brandenburger SPD ist in den letzten Wochen eine furiose Aufholjagd gelungen. Von Umfragewerten von unter 20 Prozent geht es jetzt wohl über die 30 hinaus. Das hat mit einer guten Leistungsbilanz, einem ganz gestandenen Ministerpräsidenten und auch dem persönlichen Zutrauen in ihn zu tun. Und diesen Erfolg nimmt der Brandenburger SPD jetzt schon keiner mehr an diesem Abend und darüber freuen wir uns hier im Willy-Brand-Haus aufrichtig mit.“
Kühnert räumt ein, dass die Bundespolitik den Wahlkampf erschwert hat. „Der bundespolitische Wind ist ein schwieriger, das war auch bei den vergangenen Landtagswahlen so. Wir waren viel Ort, um auch die Fragen zur Bundespolitik zu beantworten, denn uns geht es darum, dass bei Landtagswahlen wirklich landespolitische Entscheidungen getroffen werden und deswegen braucht es eine kommunizierende Bundespolitik, die Rede und Antwort steht, bei dem, was die Leute zu Krieg und Frieden und anderem umtreibt.“