Stimmen zu VW: Grimm, Fratzscher, Dudenhöffer - Wirtschaftsweise Grimm: „An Problemen der Autoindustrie ist Ampel nicht schuld“

Veronika Grimm ist seit 2020 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.<span class="copyright">Sachverständigenrat Wirtschaft</span>
Veronika Grimm ist seit 2020 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.Sachverständigenrat Wirtschaft

Mit Volkswagen ist eine der Ikonen der deutschen Wirtschaft ins Straucheln geraten - aber wie geriet der einstige Auto-Titan in die Schieflage? Bei FOCUS online geben renommierte Experten Antworten darauf, und erklären, was sich jetzt ändern muss, damit die Automobilbranche nachhaltig überlebt.

Um zu wissen, dass es bei Volkswagen##chartIcon einfach nicht mehr rund läuft, müsste man gar keine Bilanzen lesen. Man müsste noch nicht mal grob die Absatzzahlen kennen, oder den Betriebsgewinn. Ein Blick auf den Aktienkurs genügt.

Seit Mitte 2021 geht es bergab, und wer die Aktie nach dem Dieselskandal gekauft hat, in der Hoffnung, das renke sich schon wieder ein, steht nun, nach einigem Auf und Ab, wieder bei ungefähr null da.

 

Mittlerweile – oder endlich, je nach Perspektive – hat auch der Vorstand begriffen, dass der Konzern etwas ändern muss. Der Plan der Chefetage: Die Beschäftigungsgarantie kündigen und erstmals in der Firmenhistorie sogar ein Werk in Deutschland dichtmachen.

Gewerkschaft und Betriebsrat laufen Sturm gegen diese Zäsur. Doch was sagen Experten dazu? FOCUS online hat hier die wichtigsten Stimmen gesammelt.

Veronika Grimm – Wirtschaftsweise und Professorin

Auf Anfrage von FOCUS online erklärt die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm, dass die Automobilindustrie schon seit geraumer Zeit in Problemen steckt – man habe den Wechsel zur Elektromobilität „quasi verschlafen“.

Nun sei der Wettbewerb aus dem Ausland bereits stark, bei Batterien, aber auch in der Herstellung generell. „Es geht eben nicht mehr um die traditionelle deutsche Technik, sondern eher um einen fahrenden Computer. Da haben andere Nationen durchaus Vorteile“, sagt Grimm.

Während nun einige Volkswagen-Beschäftigte um ihre Anstellung fürchten, sieht Grimm indes eine insgesamt höhere Arbeitslosigkeit „nicht zwangsläufig“ als Folge des Strukturwandels.

Veronika Grimm ist seit 2020 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.<span class="copyright">Sachverständigenrat Wirtschaft</span>
Veronika Grimm ist seit 2020 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.Sachverständigenrat Wirtschaft

 

„Denn wir kommen in den nun folgenden Jahren eher in eine Phase des Fachkräftemangels aufgrund der demographischen Entwicklung. Deutschland ist ein attraktiver Standort für viele Unternehmen, aber die Produktionsprozesse verändern sich, und darauf wird sich die Wirtschaft einstellen müssen“, führt die Ökonomin weiter aus.

Der deutsche Automobilbau als Einzelbranche indes wird seine traditionelle Bedeutung in Deutschland einbüßen, so Grimm. „Mit der Transformation zur batterieelektrischen Mobilität ändern sich vor allem die Wertschöpfungsketten. Schon heute orientieren sich die Automobilzulieferer um und beliefern beispielsweise Produzenten von Elektrolyseuren. Derartige Veränderungen in den Wertschöpfungsketten werden wir in Zukunft häufiger sehen.“

Dieser Wandel sollte auch die Politik umtreiben. Grimms Vorschläge: „Beispielsweise vorausschauend Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten organisieren.“ Die Volkswirtin sehe bereits, wer sich etwa um Neuansiedlungen an den Standorten bemüht, die perspektiv geschlossen werden könnten, um so Chancen für Arbeitskräfte zu bieten.

Darüber hinaus sagt Grimm ganz klar: „An den Problemen der Automobilindustrie ist die Ampel definitiv nicht schuld.“ Viel eher habe man sich in der ganzen EU zu langsam auf die Transformation der Mobilität eingestellt. „Das hat zur Folge, dass wir nun von asiatischen Produzenten überholt werden. Ob man dem Einhalt gebeten kann, wird sich zeigen“, so Grimm.

Marcel Fratzscher – Volkswirt und DIW-Präsident

DIW-Präsident Fratzscher sagt ebenso deutlich: Überraschen sollte Volkswagens Ankündigung eigentlich niemanden, „denn die deutsche Automobilbranche befindet sich bereits seit 2018 in der Rezession, mit sinkenden Verkaufszahlen“.

Zugleich sei eine Rezession keine Krise. Vieles würde darauf hindeuten, dass die deutschen Hersteller generell, aber auch der Sonderfall VW noch erfolgreich und profitabel seien.

Aus der Sicht Fratzschers habe der strauchelnde Konzern einige entscheidende Fehler gemacht. Es sei zu begrüßen, dass Volkswagen diese nun korrigieren will. Den Widerstand der Gewerkschaften gegenüber den etwaigen Entlassungen versteht Fratzscher, hält es aber für besser, „80 Prozent der Arbeitsplätze langfristig zu schützen, als 100 Prozent der Jobs in einer Branche zu gefährden“.

Ohnehin: „Ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit sollte die geringste unserer Sorgen sein, denn in Deutschland fehlen bereits heute 1,7 Millionen Arbeitskräfte – Tendenz stark steigend.“ Natürlich sei es für der Verlust des Arbeitsplatzes für Betroffene immer hart. Dennoch glaubt Fratzscher, dass „die Beschäftigten, die bei Volkswagen ihren Arbeitsplatz verlieren, anderswo neue Arbeit finden und neue Chancen für den Wirtschaftsstandort schaffen“.

Zuletzt betont Fratzscher noch, dass Volkswagen seine Herausforderungen alleine meistern muss. „Der deutsche Staat muss aufhören, mit riesigen impliziten und expliziten Subventionen Unternehmen zu alimentieren und vor dem Wettbewerb zu isolieren. “

Ferdinand Dudenhöffer – Branchenkenner und „Auto-Papst“

Der als „Auto-Papst“ bekannte Branchenexperte Ferdidnand Dudenhöffer kritisiert im Interview mit FOCUS online indes Volkswagens Status als „heilige Kuh“. Nur: „Heilige Kühe leben gefährlich, wenn der Wettbewerb kommt.“

Dudenhöffer bezieht sich damit auf Volkswagen Status als Teil-Staatskonzern, da das Land Niedersachsen 20 Prozent der Anteile hält. Zudem dürfe die mächtige Gewerkschaft IG Metall die Hälfte des Aufsichtsrats besetzen.

Aus diesen Gründen sei der Konzern unfähig, sich wirklich neu aufzustellen. Die gute Nachricht: Aus genau diesem Grund können Probleme wie bei VW nicht andere Hersteller, wie beispielsweise BMW oder Porsche, treffen. Dudenhöffer bekräftigt, dass es nur bedingt am als teuer geltenden Produktionsstandort Deutschland liege: „Mit vernünftigen Anpassungsmöglichkeiten ist eine Produktion in Deutschland kein Problem, wie es BMW und Mercedes vormachen.“

Insofern gehe es hier um ein Volkswagen-spezifisches Problem – welches gelöst werden kann, wie Dudenhöffer anmerkt. Dazu müsse allerdings das Land Niedersachsen seine Anteile abgeben: „Anders wird es nicht gehen. Anders wird man immer wieder in die gleichen Probleme kommen. Es ist Niedersachsens ‚VW-Gesetz‘, welches dem Konzerne politische Zwänge auferlegt.“