Strafen, die in Erinnerung bleiben - „Anders lernen sie es nie!“ Was mit Kindern passiert, wenn ihre Eltern sie bestrafen

Was es mit Kindern macht, wenn sie bestraft werden<span class="copyright">Getty Images</span>
Was es mit Kindern macht, wenn sie bestraft werdenGetty Images

„Das kann man doch nicht durchgehen lassen!“, meinen viele Eltern, wenn ihr Kind sich deneben benimmt. Pädagogin Inke Hummel erklärt, warum Strafen der Beziehung zum Kind schaden und was stattdessen sinnvoll ist.

Dieser Text von Inke Hummel erschien zuerst auf dem Blog Bindungs(t)räume .

Da blättert man nichtsahnend in einer kostenlos ausliegenden Elternzeitschrift, öffnet einen der vielen Newsletter, die von verschiedenen Firmen hier eintrudeln, unterhält sich mit einer bekannten Mutter, die man meint, recht genau einschätzen zu können – und überall begegnet einem unerwartet das Thema „Bestrafung von Kindern“, ausgemalt in schönsten Farben.

„Ungute Gefühle in Bezug darauf“ solle man ablegen (oh, wie das ans Thema „Schlafprogramme“ erinnert), und man dürfe „ruhig kreativ werden“ beim Erfinden möglichst fürchterlicher, wirksamer Strafen, die auch lange in Erinnerung bleiben. Die Tipps und der Wortlaut erinnern manchmal an das Training in einer Hundeschule, manchmal auch ans finstere Mittelalter.

Was passiert, wenn wir unsere Kinder bestrafen?

Wir schauen nur auf das Verhalten des Kindes in genau diesem Moment. Es hat gestört, etwas vergessen (zum wiederholten Male vielleicht, etwas Teures eventuell), es hat jemanden verletzt, etwas kaputt gemacht (aus Versehen, absichtlich), es hat uns etwas verheimlicht, einen Freund oder Verwandten verärgert… Es hat ein „Problem gemacht“. Mit der Bestrafung reagieren wir nur auf dieses Problem.

Wir verbieten, verpacken alles tief im Kind, belassen es dabei, dass es vielleicht psychisch belastet ist, in einer Not, wir deckeln Gefühle und Sorgen – wir schauen nicht hin, was zu der Situation geführt hat. Es war womöglich nur eine Kleinigkeit, aber es könnte auch etwas Größeres gewesen sein. Wir nehmen uns die Möglichkeit, unser Kind zu sehen und zu verstehen und seine Probleme kennenzulernen und mit ihm anzugehen.

Und: wir verletzen unser Kind zurück! Wir nutzen unsere Macht und reagieren so oder so immer mehr oder minder mit einer Art Liebesentzug.

 

Wenn wir Kinder bestrafen – was macht das mit unserer Beziehung?

Wenn wir unsere Kinder in solch einer Situation bestrafen, schieben wir sie von uns weg, verlieren noch mehr den Kontakt, der eventuell schon gerade nicht gut ist.

Die Kinder werden sich weder mit dem auseinandersetzen, was dazu geführt hat, dass es nun eine ungute Situation gab, noch mit dem Geschehen selbst. Denn es ist nicht konstruktiv zu bestrafen!

Die Kinder werden sich mit der Strafe auseinandersetzen, was eine sehr selbstbezogene Form der Analyse ist. Vielleicht werden sie sich unfair behandelt fühlen und aggressiv werden, (noch) etwas kaputt machen oder ihre Wut auf den strafenden Elternteil richten. Die Beziehung wird leiden. Womöglich werden sie sich Strategien überlegen, wie sie nicht mehr „erwischt“ und bestraft werden können und werden von nun an Geheimnisse vor uns haben.

Eventuell werden sie auch traurig werden, sich schämen und diese Gefühle mit anderen teilen, nicht mit uns. Oder die Traurigkeit in aller Stille in sich selbst verarbeiten, mit schwindendem Selbstwertgefühl. Oder den Kummer und Frust betäuben mit „schönen“ Dingen – statt guten Beziehungen.

 

Was sollen Strafen? Und: Was wollen wir eigentlich?

Wer Strafen nutzt, will eigentlich, dass ein als problematisch empfundenes Verhalten aufhört oder manchmal auch so etwas wie „kleine Rachegefühle“ ausleben, scheint es. „Das kann man doch nicht durchgehen lassen!“

Nein, man soll Dinge, die einen stören, nicht einfach auf sich beruhen lassen. Wir Eltern wollen dann auch unseren Unmut loswerden und sollen es auch. Aber wir wollen dabei die Integrität und das Selbstwertgefühl unserer Kinder nicht verletzen. Und wir wollen doch, dass unsere Kinder etwas aus den Situationen lernen, dass sie hinsehen, sich besser fühlen, es zukünftig anders regeln. Dass sie spüren, wie es den Betroffenen ging. Wir wollen ihnen helfen und dass sie um diese Hilfe wissen: Wir sind für Euch da, egal was war – kommt immer zu uns!

(Die Tatsache, dass es Bußgelder für zu schnelles Fahren gibt oder Gefängnisstrafen für Straftaten, wird immer wieder als Beleg dafür herangezogen, dass „Strafen sein müssen“. Zum einen sind diese Taten, ihre Entstehungsformen und die Beziehungsformen zwischen den Handelnden da aber ganz andere. Und zum anderen heißt es selbst im Umgang mit zum Beispiel delinquenten Jugendlichen, dass Prävention in Form von Schulung von Empathie, Kommunikation, Kooperation und Emotionskontrolle deutlich sinnvoller sei als bloße Sanktionen und Strafen. Dann muss es für uns Eltern oder für Pädagogen in Kindergärten und Schulen doch erst recht klar sein, dass unsere Kinder keine Verhaltensänderung lernen, wenn wir sie mit Strafen belegen und von uns wegschieben.)

 

Empathie statt Strafe

Wer Strafen nutzt, wünscht sich eventuell auch ein Einsehen des Kindes, – doch wird es, wie oben erklärt, schwerlich erreichen.

Wir wollen den Kindern ohne Strafen begegnen, ohne angsterfüllte Atmosphäre, damit sie gerade in solchen Momenten lernen können, was es bedeutet, sozial zu sein, wie man einen Fehler korrigiert, Verantwortung übernimmt und Probleme gemeinschaftlich löst.

Denn nur so werden sie gestärkt, um dies in ihrer Zukunft auch alleine zu schaffen. Wir wollen ihnen ohne Strafen begegnen, damit sie durch Beziehung und Kommunikation die Möglichkeit haben, Empathie zu lernen – damit sie die Möglichkeit haben zu verstehen, warum das, was sie getan haben, jemand anderem vielleicht wehgetan hat .