Streuner willkommen: Das Katzenkloster in der Ukraine

Etwa 40 Katzen zählen zu den Bewohnern des Klosters (Bild: Tobias Huch)
Etwa 40 Katzen zählen zu den Bewohnern des Klosters (Bild: Tobias Huch)

Neshcheriv ist ein kleines, idyllisches Dörfchen, rund 30 Kilometer vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Der Weg dorthin führt über Landstraßen, vorbei an Feldern, durch Ortschaften, in denen die Zeit scheinbar stehengeblieben ist.

Immer wieder muss man bremsen, um den riesigen Kratern im Asphalt auszuweichen. Der Begriff “Schlagloch” erhält hier eine völlig neue, eine geradezu apokalyptische Bedeutung. Übersieht man eines dieser Löcher, kann man sich im günstigsten Fall von der Achse verabschieden; mit etwas Pech gleich vom ganzen Auto. Diese Wegstrecke lohnt sich aber spätestens beim Erreichen des Zielorts.

Das Kloster ist etwas abseits, aber umso idyllischer gelegen (Bild: Tobias Huch)
Das Kloster ist etwas abseits, aber umso idyllischer gelegen (Bild: Tobias Huch)

Auf einem kleinen Hügel mit herrlichem Panoramablick liegt das russisch-orthodoxe Kloster. In weiter Ferne erkennt man die Skyline Kiews am Horizont. Umrandet von Apfelbäumen und einem kleinen Friedhof, auf dem Generationen von Mönchen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Neben vielen Wirtschafts- und Arbeitsgebäuden, die großzügig über das Gelände verstreut liegen, fällt eine zentral gelegene, frisch renovierte Kapelle mit einem zugehörigen kleinen Ladenlokal ins Auge.

Gläubige Menschen können sich hier mit allerlei Paraphernalien eindecken – Ikonen, heiligen Symbolen, Rosenkränzen, Gegenstände der Heiligenverehrung. Außerdem wird ein köstlicher Honig aus klostereigener Produktion angeboten. Während der Blick über die pittoreske Szenerie schweift, fällt alle Last von der Seele ab: Bei einer solch schönen Lage fällt es nicht schwer, innere Ruhe zu finden.

Die schmucke Kapelle des Klosters ist der Anlaufpunkt für die Gläubigen (Bild: Tobias Huch)
Die schmucke Kapelle des Klosters ist der Anlaufpunkt für die Gläubigen (Bild: Tobias Huch)

Neben den Mönchen und drei äußerst produktiven Ziegen hat das Kloster eine ganze Menge weiterer Bewohner, und zwar mehr als vierzig an der Zahl: Katzen. Zwanzig von ihnen streunen permanent auf dem Klostergelände herum; sie sonnen und putzen sich, begrüßen freudig maunzend Gäste und fordern Futter und kleine Leckerbissen von den gutherzigen Mönchen ein.

Zuflucht für Straßenkatzen

Weitere zwanzig verwilderte Stubentiger befinden sich auf einer kleinen Krankenstation auf dem Klostergelände; dort werden sie aufgepäppelt. Denn die Katzen von Neshcheriv sind ausgestoßene Tiere der Gesellschaft, die die keiner mehr haben will. Es sind allesamt herren- oder heimatlos gewordene Straßenkatzen und -kater, die hier, im Kloster, eine sichere Zuflucht gefunden haben.

Angefangen hat alles es mit einem einzigen winzigen Kätzchen. Der Abt, Bruder Ioasaph, fand es einst am Straßenrand. Fast hätte er es übersehen, doch das kleine Wollknäuel machte sich mit einem traurigen Wimmern bemerkbar. Es war völlig hilflos hatte anscheinend mit dem Leben schon abgeschlossen. Doch für das Tier war die Begegnung mit Bruder Ioasaph die Rettung. Er hob es auf und beschloss, es mit ins Kloster zu nehmen. Die übrigen Mönche schlossen das kleine Kätzchen sofort in ihre großen Herzen.

Vom Straßenkatzenleben gezeichnet: Viele der Samtpfoten kommen mit Krankheiten oder Verletzungen in das Kloster (Bild: Tobias Huch)
Vom Straßenkatzenleben gezeichnet: Viele der Samtpfoten kommen mit Krankheiten oder Verletzungen in das Kloster (Bild: Tobias Huch)

Das war die Geburtsstunde des “Katzenklosters”: Immer mehr verwahrloste und streunende Katzen wurden aufgenommen, darunter viele mit schweren Verletzungen, befallen von Würmern, mit verfilztem Fell oder unverheilten Brüchen. Sie alle wurden im Kloster gesundgepflegt, von einem Tierarzt kastriert und zu anschließend zu festen Bewohnern des Klosters.

Die Katzenschar erwies ihre Dankbarkeit durch besondere Ortstreue: Sie blieben bei ihren Rettern, und sie sind allesamt willkommen. Selbst in die kleine Kapelle dürfen die Katzen; der russisch-orthodoxe Ritus erlaubt dies.

Die Katzen dürfen auch in der Kapelle ein- und ausgehen (Bild: Tobias Huch)
Die Katzen dürfen auch in der Kapelle ein- und ausgehen (Bild: Tobias Huch)

Der hauptverantwortliche Mönch für die Katzenschar ist inzwischen Bruder Maksym. “Guten Tag, willkommen!” begrüßt uns der hochgewachsene freundliche Mann mit den wohlwollenden Augen auf Deutsch. Er hat einmal, vor Jahren, mehrere Wochen in Deutschland verbracht, deshalb spricht er die Sprache ein wenig. Wir fragen, ob er uns alle Katzen zeigen kann? “Fast alle, aber nicht alle. Die in der Krankenstation wollen wir nicht stören.”

Stubentiger aus allen Ecken

Maksym verschwindet kurz, dann kommt er mit einem Säckchen Katzentrockenfutter zurück und ruft mit einem markanten “Klack-Klack”-Geräusch nach den Katzen. Und wirklich: Sofort springen aus allen Winkeln des Klosters Katzen herbei und versammeln sich um ihn. Es ist ein surreales, aber beeindruckendes Bild: Der große Mönch mit Bart in seiner schlichten schwarzen Ordenskleidung, umringt von einem Heer an Stubentigern, die eifrig ihr Futter einfordern.

Wenn Bruder Maksym zur Fütterung ruft, kommen die Katzen aus allen Ecken des Klosters angelaufen (Bild: Tobias Huch)
Wenn Bruder Maksym zur Fütterung ruft, kommen die Katzen aus allen Ecken des Klosters angelaufen (Bild: Tobias Huch)

Kaum hat er einige Brocken des Trockenfutters über den Boden verstreut, stürzt sich die ganze Katzenschar darauf und beginnt zu fressen. Das Festmahl endet mit einer ausgiebigen Putzorgie der niedlichen Vierbeiner, gefolgt von einem friedlichen Nickerchen gleich an Ort und Stelle, direkt am Futterplatz. Sichtlich wohl fühlen sie sich hier.

Doch die Katzen sind nicht nur liebenswürdige Alltagsbegleiter im Klosterleben; sie helfen den Mönchen sogar bei ihrer täglichen Arbeit; denn sie machen das Kloster zu einem behaglicheren, wärmeren Ort; einem Heim für jedermann, egal ob gläubig oder nicht.

Die Mönche kümmern sich rührend um die Stubentiger (Bild: Tobias Huch)
Die Mönche kümmern sich rührend um die Stubentiger (Bild: Tobias Huch)

“Wir tun, was wir können”, meint Bruder Maksym “aber unsere Mittel sind begrenzt. Mein nächstes Ziel wäre zumindest ein Lehrgang in Veterinärmedizin, damit wir den Katzen noch besser helfen können. Nur das Geld fehlt. Wir sind dafür auf Spenden angewiesen, da die Katzenpflege eigentlich nicht Kern unserer klösterlichen Arbeit ist.”

Bereits im Vorfeld hatte uns der Bruder Ioasaph, der Abt, erklärt, dass sie sich hier hauptsächlich um Kinder und Jugendliche kümmern – darunter auch viele Straßenkinder, die von den Mönchen aufgenommen und umsorgt wurden. Ganz ähnlich wie die Katzen. Vielleicht klappt das Zusammenleben mit zwischen Mensch und Tier im Kloster Neshcheriv ja deswegen so gut.

Wenn Sie die Mönche bei ihrer Arbeit unterstützen wollen, können SIe hier Kontakt aufnehmen: neshcherov.monastery@gmail.com