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Merkel: Deutschland will Türkei in Flüchtlingspolitik helfen

Merkel und Erdogan in Istanbul: In den deutsch-türkischen Beziehungen herrscht keine Eiszeit mehr wie noch 2017 und teilweise 2018.
Merkel und Erdogan in Istanbul: In den deutsch-türkischen Beziehungen herrscht keine Eiszeit mehr wie noch 2017 und teilweise 2018.

Beim Treffen von Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul ist es um eine ganze Serie strittiger Themen gegangen - allen voran um die Flüchtlingspolitik. Hier will Merkel der Türkei mehr helfen. Die Stimmung schien bis zum Schluss entspannt.

Istanbul (dpa) - Deutschland will der Türkei bei der Stärkung ihrer Küstenwache helfen. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag nach Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul.

Die türkische Küstenwache spielt eine wichtige Rolle beim Versuch, Migranten auf dem Weg nach Griechenland und damit in die Europäische Union aufzuhalten. Zuletzt waren auf den griechischen Inseln wieder mehr Boote mit Flüchtlingen aus der Türkei angekommen. Die Bilder aus den überfüllten Lagern hatten, zusammengenommen mit Drohungen von Erdogan, die Grenzen zu öffnen, Sorgen vor einer neuen Flüchtlingskrise geschürt.

Erdogan wiederum rief in der gemeinsamen Pressekonferenz die EU dazu auf, mehr Verantwortung für die Versorgung von syrischen Flüchtlingen zu übernehmen. Dass die europäischen Länder den Syrern «noch mehr und schnellere Hilfe leisten, ist allem voran eine menschliche Verantwortung», sagte Erdogan.

Die Türkei hat mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland aufgenommen. Gleichzeitig haben sich die Kämpfe rund um die von Rebellen kontrollierte syrische Region Idlib zuletzt intensiviert. Erdogan sagte, inzwischen seien rund 400.000 Menschen Richtung türkische Grenze geflohen.

Das Thema Flüchtlinge hat damit wie erwartet eine große Rolle gespielt bei den Gesprächen im eleganten Vahdettin-Pavillon im asiatischen Teil der Stadt. Neue Erdogansche Drohungen gab es zumindest in der Pressekonferenz nicht. Anders als bei manch früheren Treffen schien die Atmosphäre zwischen Merkel und Erdogan entspannt.

Merkel kam ebenfalls auf die Situation in der nordsyrischen Rebellenhochburg Idlib zu sprechen. Es sei in den Gesprächen um Möglichkeiten gegangen, die Türkei bei der Versorgung von Menschen zu unterstützen, die auf syrischem Gebiet in Zelten lebten. «Die Türkei steht hier wirklich vor einem Riesenproblem, das muss man ganz einfach sagen», sagte sie. Erdogan sagte, dass die Kanzlerin angeboten habe, zu helfen. Es gehe um feste Unterkünfte mit kleinem WC und Bad und Heizmöglichkeiten.

Die Kanzlerin war in der Nacht zuvor für einen eintägigen Besuch angereist und am Freitagmorgen von Erdogan bei der gemeinsamen Einweihung der Deutschen-Türkischen Universität betont herzlich als «geschätzte Freundin» begrüßt worden. Zuletzt hatten sich die beiden bei der Berliner Libyen-Konferenz gesehen. Berlin hat hier die Rolle eines Vermittlers übernommen und am vergangenen Sonntag in der Hauptstadt eine Friedenskonferenz ausgerichtet.

Erdogan hatte Merkel bereits am Vormittag dafür gedankt und gesagt, die Türkei werde den Berliner Prozess weiter unterstützen. Er betrachte Deutschland da als «Freund und Partner». Während der Pressekonferenz betonte er aber auch, dass die Türkei die international anerkannte Regierung in Tripolis weiter militärisch unterstützen werde. Die Türkei sei entschlossen, die libyschen Brüder nicht allein zu lassen. General Chalifa Haftar, der sich mit der Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch einen Machtkampf liefert, habe in den vergangenen Tagen seine Angriffe verstärkt.

Erdogan sagte über Haftar, dieser sei «nicht vertrauenswürdig». «Da das alles feststeht, dürfen (...) die Länder, die zum Berliner Prozess gekommen sind, diesen Mann nicht mehr verwöhnen.»

Merkel wiederum betonte, «wir arbeiten daran, dass er sich zu der Waffenruhe bekennt». Zu den stellenweisen immer wieder aufflammenden Kämpfen sagte sie: «Insgesamt ist die Intensität der militärischen Aktionen seit der Konferenz (...) doch deutlich zurückgegangen.» Die Kanzlerin wies darauf hin, dass das Ziel des Libyen-Gipfels nicht die Waffenruhe, sondern das Ende der Einmischung von außen gewesen sei.

Das dürfte auch eine Spitze gegen Erdogan gewesen sein: Die Entsendung türkischer Soldaten nach Libyen hatte die Sorgen vor einem Stellvertreterkrieg verschärft. Erdogan betonte aber erneut, dass die türkischen Soldaten für Ausbildungszwecke dort seien.

In den deutsch-türkischen Beziehungen herrscht keine Eiszeit mehr wie noch 2017 und teilweise 2018. Dennoch überschatten auch bei den bilateralen Themen immer wieder Krisen die Dialoge. Ein Konflikt dreht sich um Deutsche - vor allem mit türkischen Wurzeln - die bei der Einreise in die Türkei festgenommen oder unter Ausreisesperre gestellt werden. Oft reichten kritische Äußerungen in sozialen Medien, um ihnen Terrorvorwürfe zu machen. Die Zahlen waren zuletzt gestiegen. Hier kündigte Merkel intensive Bemühungen um die Freilassung von inhaftierten Deutschen an. Sie habe mit Erdogan vereinbart, dass man von Fall zu Fall über Lösungen sprechen werde.

Die Türkei werde sich zudem darum bemühen, dass bald Akkreditierungen für alle interessierten deutschen Journalisten für dieses Jahr ausgestellt würden. Die Türkei hatte solche Akkreditierungen und Arbeitsgenehmigungen zuletzt in mehreren Fällen verweigert.

Erdogan sagte dazu: «Manche Kreise, die sich an den guten Beziehungen der Türkei zu Deutschland stören» wollten es so darstellen, als würden deutsche Journalisten anders behandelt als andere Medienvertreter. «Ich möchte hier offen und aus erster Hand sagen, dass es keine derartige spezielle Behandlung oder eine negative Doppelmoral gegenüber deutschen Journalisten gibt», sagte er. Von Benachteiligung könne keine Rede sein. «Meine Sensibilität in Sachen Pressefreiheit ist ohnehin bekannt und auch mein Kommunikationsdirektor ist diesbezüglich empfindlich», sagte Erdogan.

Merkel reagierte auch auf Vorhaltungen Erdogans, wonach es in Deutschland Angriffe auf Vertreter der Türkei gebe. Wenn diese Menschen in Deutschland bedrängt würden, trete der Staat dafür ein, dass sie sicher lebten.

Merkel wurde auch nach Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen gefragt, die in Deutschland zum Teil Schutz erhalten. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich und verfolgt mutmaßliche Anhänger als Terroristen. «Wir unterstützen von staatlicher Seite niemanden, der zum Beispiel in einen Putsch verwickelt ist, aber wir sind auf die Entscheidungen unabhängiger Gerichte und unabhängiger Behörden angewiesen», unterstrich Merkel. «Die halten wir auch ein.»